Bauwerksgeburtstag
100 Jahre Jahrhunderthalle in Wroclaw
Vor einem Jahrhundert, am 20. Mai 1913, wurde die Jahrhunderthalle im damaligen Breslau, heute Wroclaw, feierlich eröffnet. Anlass des Baus der Halle waren damals die Jahrhundertfeierlichkeiten zur Erinnerung an die preußischen Befreiungskriege gegen Napoleon I. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. hatte sich am 17. März 1813 in Breslau mit dem Aufruf “An Mein Volk” an Preußen und Deutsche gewandt, um damit um Unterstützung beim Kampf gegen Napoleon zu bitten. Am gleichen Tag erfolgte dann die Kriegserklärung Preußens an Frankreich.
Die Stadt Breslau veranstalte dazu eine Ausstellung, welche durch künstlerische und kulturelle Veranstaltungen diese Freiheitskriege darstellen sollte. Die Stadt erhoffte sich mit dieser Thematisierung allerdings auch wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung durch das Kaiserhaus beim Bau des Ausstellungsgeländes, das danach als Messegelände genutzt werden sollte. Das Kaiserhaus förderte den Bau jedoch nicht. Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. reiste lediglich zur Eröffnung der Jahrhundertausstellung in der Halle an und fungierte als Protektor der Feier. Die Kosten für den Bau musste die Stadt dann selbst tragen; die Festhalle alleine kostete etwa zwei Millionen Mark.
Der Entwurf der Halle stammt von dem Architekten und Stadtbaurat Max Berg (1870-1947) in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur und Stadtbauinspektor Günther Trauer (1878-1950). Der Bau wurde 1911 ausgeschrieben und ließ die Materialwahl für die 65 Meter spannende Kuppel – Eisen oder Eisenbeton – den Bietern frei. Zu diesem Zeitpunkt waren schon zwei Eisenkuppeln mit größerer Spannweite erbaut worden, die Rotunde in Wien und eine Ausstellungshalle in Lyon, Frankreich. Die größte Spannweite in massiver Ausführung von 44 Metern stammte jedoch noch aus der Anfangszeit des römischen Kaiserreiches mit dem Pantheon in Rom. Einzige Bedingung bei der Ausschreibung war, dass aus Brandschutzgründen eiserne Tragelemente ummantelt werden mussten. Dies wirkte sich daher als materialtechnischer Nachteil für Eisenkonstruktionen bei den Geboten aus. Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrungen mit Massivkuppeln derartiger Spannweite. Die Kosten für Schalung und Ausrüstung waren bei den Betonvarianten wiederum von Nachteil.
Ausgeführt wurde schließlich eine Rippenkuppel aus Eisenbeton, die vor allem den Vorteil hatte, dass sie nicht in einem Stück geschalt und unterstützt werden musste. Den Zuschlag erhielt die Dresdener Niederlassung der Dyckerhoff und Widmann AG, die neben der Ausführung auch für die statische Berechnung mitverantwortlich war. Dort übernahm Willi Gehler (1876-1953) die Leitung für die Berechnungen. Die Konstruktion selbst ist äußerst raffiniert. Die Rippenkuppel schließt mit einem Druckring ab. Zwei Lagen ringförmiger Eisenfachwerke sind dort im Beton vergossen. Der Ring wiederum ruht auf 32 Lagern, die nur vertikale und tangentiale Lasten an den Unterbau abgeben. Der Unterbau besteht aus vier massiven Hauptbögen, die in der Draufsicht der Kuppelform folgen und sich paarweise in vier massiven Pfeilern vereinen. An jeden Hauptbogen schließen sich halbkreisförmige Apsiden an, die in den Hauptachsen die Konstruktion auf 95 Meter verlängern.
Die Trennung des Bauwerks in einen Unterbau und die eigentliche Kuppel, erleichterte die Ausführung ganz erheblich. Nach Fertigstellung der Hauptbögen wurden die Rippen der Halbkreiskuppeln eingeschalt und gegossen. Die Baustelle wurde dabei von einer sogenannten Karusselkabelbahn bedient, bei der ein in Kuppelmitte aufgebauter, 52 Meter hoher Gerüstturm als Mittelpunkt diente. Auf einer Ringbahn von 190 Metern Durchmesser konnten zwei 14 Meter hohe Türme dann im vollen Kreis um die Baustelle fahren, während je fahrbahrem Turm eine zum Mittelturm gespannte Kabelbahn die Baustelle mit Material versorgte. Außer dieser Einrichtung waren keine weiteren Hilfsgerüste erforderlich.
Beim Bau der eigentlich Kuppel wurde schrittweise vorgegangen. Nach Fertigstellung des Unterbaus wurden die Ringfachwerke für den Zugring aufgebaut und in Beton vergossen. Die Arbeitszeit betrug dabei 6 Tage. Danach wurden auf gegenüberliegenden Seiten der Kuppel jeweils zwei Rippenstücke bis zur Höhe des ersten Versteifungsringes (von vieren) betoniert. Daran wurden seitlich weitere Rippen- und Ringstücke anbetoniert bis der erste Versteifungsring vollständig war und sich selbst tragen konnte. Analog wurde bis hinauf zum innersten Druckring gearbeitet. Auf diesem ruht die Laterne, die eine zylinderförmige Rahmenkonstruktion ist. Für die Arbeiten an der Kuppel waren 18 Arbeitstage notwendig. Die Ausführung der Laterne jedoch bot einige Schwierigkeiten, da der mittlere Gerüstturm im Weg war, beeinträchtigte aber nach Fertigstellung des Druckringes die Arbeiten an der Kuppel darunter nicht.
Von Außen ist die Rippenkuppel leider nicht zu sehen, da auf jedem Versteifungsring ein zylindrischer Aufbau ruht, der größtenteils aus vertikalen Glasfenstern besteht. Die Fassade erinnert daher leider nicht an eine Kuppel, sondern an ein übereinander gestapelte Zylinder. Lediglich die Laterne hat eine flache Kuppelform, die auch von weitem ersichtlich ist, wobei dies eigentlich konstruktiv weder ein Teil der großen Kuppel, noch selbst eine Kuppelkonstruktion im engeren Sinne darstellt. Bei Fertigstellung war die Kuppel mit ihren 65 Metern die am weitesten gespannte Betonkuppel weltweit. In der Halle wurde allerdings noch ein Rekord aufgestellt, denn in ihr wurde die damals größte Orgel eingebaut.
Während der Eröffnungsfeierlichtkeiten zur Ausstellung wurde am 31. Mai 1913 das “Festspiel in deutschen Reimen” von Gerhart Hauptmann (1862-1946) uraufgeführt. 15 Aufführungen waren geplant, nach der 11. wurde das Stück jedoch am 18. Juni wieder abgesetzt. Der Kronprinz hatte darauf gedrängt, es vom Spielplan zu nehmen, da die im Stück enthaltene Kriegskritik für Kriegerverbände und Monarchie nicht akzeptabel war.
Während des Zweiten Weltkrieges blieb die Jahrhunderthalle nahezu unbeschädigt und wurde nach Eingliederung Breslaus zu Polen in Hala Ludowa (“Volkshalle“) umbenannt. Damit sollte die deutsche Entstehungsgeschichte der Halle, aber auch der Stadt, verschleiert werden. In den 1970er und 1980er Jahren war das Kino Gigant in der Halle beheimatet. Zum Besuch von Papst Johannes Paul II. wurde die Halle 1997 generalsaniert und eine neue Bestuhlung installiert. Von März 2009 bis Mai 2010 wurde die Halle nochmals saniert. Bei den Arbeiten wurden – bezogen auf das Alter der Halle – nur wenige und meist oberflächliche Schäden am Beton festgestellt. Der Zugring wurde mit Vorspannseilen verstärkt und die Fenster inklusive Verglasung ausgetauscht. Dabei wurde das Glas so gewählt, wie Max Berg es ursprünglich vorgesehen hatte, denn der Glashersteller hatte beim damaligen Bau der Halle die falsche Glasfarbe geliefert. Seitdem erscheint die 2006 als Weltkulturerbe deklarierte Halle in neuem Glanz.
Bildergalerie
Weiterführende Links
- Structurae: Jahrhunderthalle
- UNESCO – World Heritage Convention: Centennial Hall
- Offizielle Website der Hala Stulecia
Quellen
- Der Eisenbetonbau der großen Festhalle zu Breslau, in Beton und Eisen, 1913, Heft 3
- Hannes Sebastian Huber, Maciej Mikołajonek – Die Jahrhunderthalle in Breslau (Wrocl⁄aw, PL), in “Beton- und Stahlbetonbau”, November 2010, n. 11 v. 105
- Günther Trauer, Willi Gehler – Die Festhalle in Breslau, in “Armierter Beton”, 1913, Hefte 2, 4, 5 u. 6; 1914, Hefte 1 bis 3.
Leserkommentare
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gebhert peter | 28. August 2017
die rotunde war aus holz