Vermischtes
Bauwirtschaft in Vietnam
ln Asien ist nicht nur China als ein potenzielles Marktwachstumsland für ausländische Investoren interessant. Auch Vietnam entwickelt sich von einem einst durch Krieg verwüsteten Land zu einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte Asiens. Geringe Lohnkosten, eine sehr junge Bevölkerung und die relativ stabile politische Lage machen Vietnam zu einem attraktiven Investitionsstandort.
Dieser Beitrag gibt im ersten Teil einen Überblick über die konjunkturelle Lage Vietnams. Im Weiteren wird die Entwicklung der Bauwirtschaft mit ihren verschiedenen Sparten vorgestellt sowie zukünftige Potentiale in der vietnamesischen Bauindustrie aufgezeigt.
1. Die vietnamesische Wirtschaft
Auf Grund der Öffnungspolitik ,,Doi moi” (Wirtschaftserneuerung) hat Vietnam in den vergangenen 28 Jahren einen hervorragenden wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Vietnam ist seit 1995 ein Mitglied der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN, eine politische und wirtschaftliche Organisation für die Länder Süd-Ost Asiens). Seit 2006 ist Vietnam Mitglied der World Trade Organization (WTO) und somit vollständig eingebunden in die globalen Wirtschaftskreisläufe.
Mit der Wirtschaftserneuerungsreform entwickelte sich die Wirtschaft fortlaufend in eine positive Richtung und erreichte nach ihrer Einführung ein langanhaltendes und konsistentes Wachstum. Die vietnamesische Wirtschaft ist heute nicht mehr auf die Landwirtschaft fokussiert. ln nur 15 Jahren hat sich der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandprodukt (BIP) von 40% auf gut 20% halbiert (Stand 2014: Landwirtschaft: 18.1%, Industrie: 38.5%, Dienstleistung: 43.4%).

BIP und Inflationsrate (Quellen: World Bank, The World Fact Book, General Statistics Office Vietnam)
lm Zeitraum zwischen 1987 bis 2007 stieg das Bruttoinlandsprodukt mit einem Durchschnitt von etwa 7,8 %. Von 2007 bis heute wuchs die Wirtschaft immer noch weiter, trotzt negativer Einwirkungen bspw. durch die Wirtschaftskrise. Im Jahr 2014 konnte Vietnam eine Steigerung der Industrieproduktion um 7,1% verzeichnen und belegte im internationalen Vergleich Platz 19 (China Platz 17 mit 7,3%).
Die Handelsbilanz zwischen Import und Export zeigt ein gleichgewichtetes Bild. Die Exporte lagen gem. General Statistics Office Vietnam 2014 bei 150,2 Mrd. US$ (+ 13,7%) und 2015 bei 162,4 Mrd. US$ (+8,1%). Demgegenüber lagen die Importe in 2014 bei 138,1 Mrd. US$ (+11,9%) und 2015 bei 154,7 Mrd. US$ (+12,0%).
2. Die Bauwirtschaft in Vietnam
Nach aktuellen Angabe des General Statistics Office Vietnam konnte die Bauwirtschaft 9,3% gegenüber dem Vorjahr zulegen. Grund dafür ist der im Jahr 2011 erlassene Entwicklungsplan, mit welchem die Regierung das Ziel verfolgt Vietnam bis 2020 in ein modernes Industrieland zu transformieren. Dieses geschieht u.a. durch Urbanisierung und Industrialisierung des Landes.
2.1. Hochbau
Vor allem ausländische Gesellschaften, meistens aus Japan, Singapur und Rep. Korea, investieren in den Hochbau. Des Weiteren zeigt auch das soziale Wohnungsbau-Programm Wirkung. Insgesamt hat der Staat 124 Projekte mit ungefähr 78.700 Sozialwohnungen geplant, davon 85 Projekte für Niedriglöhner. Die Regierung plant von 2016 bis 2020 mindestens 12,5 Mio. qm zusätzliche soziale Wohnfläche in den Städten zu errichten. Das bedeutet, dass in den großen Zentren Ho Chi Minh City und Hanoi, welche die wesentlichen Märkte für Immobilien sind, riesige moderne Stadtviertel entstehen würden. Jedoch fokussierten sich die Investoren bislang auf Projekte mit luxuriösen Stadtimmobilien. Diese können aber nur bei einem geringen Teil der Bevölkerung abgesetzt werden. Aktuell ist bei der wachsenden Mittelschicht günstiger bis mittelpreisiger Wohnraum bzw. auch die Eigenerstellung von Häusern gefragt. Weiterhin beinhaltet das Programm, für Arbeiter in Industriezonen 500.000 Wohnungen mit einer Fläche von 24 Mio. qm zu errichten. Daneben ist es erforderlich, vorhandene alte Wohnanlagen in den Städten zu modernisieren, um den Bedarf der raschen Urbanisierung, welche durch die wachsende Mittelschicht stark beeinflusst wird, abzudecken.
2.2. Infrastruktur
Nach den Entwürfen des Ministeriums für Planung und Investitionen benötigt das Land 26 Mrd. US$ (ca. 14% des BIP) jährlich für Infrastrukturmaßnahmen. Laut eines Reports der Weltbank ist der jährlich verfügbare Mittelzufluss aus dem staatlichen und aus dem privaten Sektor jedoch nicht höher als 16 Mrd. US$. Um das Problem zu lösen benötigt die Regierung Kapital aus der Privatwirtschaft. Hier ergeben sich Potentiale für Unternehmen, welche ihre Finanzierung in Form von Krediten oder eines tragfähigen Public-Private-Partnership- (PPP-) Konzepts selbst mitbringen.
Große Infrastrukturprojekte finden sich in allen Sektoren wie z.B. bei Häfen, Flughäfen, im Straßen- und Bahnbau, Energieversorgung und der Wasserver- und entsorgung.
Die Regierung prognostiziert bei den Häfen ein Verladevolumen von bis zu 680 Mio. t bis 2020 und bis zu 1160 Mio. t bis 2030. Der Masterplan strebt bis 2020 Investitionen von bis zu 25 Mrd. US$ an. Auch hier ist die Regierung auf private Unternehmen, Entwicklungsgelder sowie ausländische Unternehmen angewiesen.
Da die Kapazität des Flughafens in Ho Chi Minh City in Zukunft ausgeschöpft sei, soll ein neuer Großflughafen entstehen: Der Long Thanh International Airport (7,5 Mrd. US$). Dieser Airport soll schrittweise von 20 auf 100 Mio. Passagiere pro Jahr ausgebaut werden (mit einer Frachtkapazität von 5 Tonnen im Jahr). Damit wäre er einer der bedeutendsten Flughäfen der gesamten südostasiatischen Region.
Um das Problem des Verkehrsstaus und der Luftverschmutzung in den großen Städten zu lösen, werden neue Metrobahnlinien gebaut. Die Linien 1 und 2 der Ho Chi Minh Metrobahn werden von Japan und Deutschland finanziert.
Einhergehend mit den massiven Investitionen in z.B. den Wohnungs- und Industriebau müssen auch die Bereiche Energie und Wasserver- und entsorgung berücksichtigt werden. Beispielsweise ist geplant das Stromübertragungsnetz bis 2020 mit ungefähr 10 Mrd. US$ auszubauen.
2.3. Baustoffe & Bauausrüstung
Die Qualität der lokalen Baumaterialien ist aufgrund der veralteten Produktionsanlagen eher schlecht. Hochwertigere Produkte müssen importiert werden. Besonders Sanitärprodukte mit EU Standard erfreuen sich bei der jungen Mittelschicht größerer Beliebtheit. Aufgrund der schwachen lnvestitionsgüterindustrie muss Vietnam fast alle Maschinen importieren. Hier ergeben sich Potenziale für ausländische Unternehmen.
3. Fazit
Aktuell erscheint der Markt für deutsche Bauunternehmen noch schwierig, da eine ausgeprägte Dominanz der großen Baukonzerne aus China, Japan sowie Rep. Korea vorherrscht. Auf der anderen Seite sind deutsches Know-How und Technologien bei in- und ausländischen Unternehmen sehr beliebt. Damit ergeben sich zahlreiche Chancen für deutsche Fachkräfte im Bereich Beratung, Planung wie auch Aus- und Weiterbildung. Auch die Nachfrage nach Baumaterialien, Baumaschinen und Bauanlagen steigt. Wegen der niedrigen Qualität der lokalen Baumaterialien könnten ausländische Lieferanten einen guten Absatzmarkt in Vietnam finden. Da Baumaterialien und Ausrüstungen aus Deutschland auch in Vietnam wegen ihrer hohen Qualität bekannt sind besteht auf jeden Fall eine potenziale Marktchance für deutsche Lieferanten. Da Häuser oftmals in Eigenleistung gefertigt werden, ergeben sich für deutsche Unternehmen Potentiale im Do-It-Yourself-Segment, wie z.B. die Lieferung von Baumaterialien, Beschlägen, Werkzeugen und Bauchemie.
Praxistipps
Beratung und Unterstützung beim Auf- und Ausbau von von Geschäftstätigkeiten: www.vietnam.ahk.de
Bauministerium in Vietnam: www.moc.gov.vn/web/guest/english
Baumesse Ho Chi Minh City (14.06. – 16.6.2016): www.construction-vietnam.com
Zum Autor
Christian K. Karl, Dr.-Ing. (Baumanagement), Dipl.-Ing. (Konstruktiver Ingenieurbau), Dipl.-Ing. (Baubetrieb und Bauwirtschaft), ursprünglich tätig in nationalen wie auch in internationalen Bauvorhaben, an der Universität Duisburg-Essen aktuell verantwortlich für den Lehr- und Forschungsbereich Bautechnik, Lehrbeauftragter für Informationsmanagement in Bauprojekten an der Nationalen Technischen Universität Athen, Forschungsschwerpunkte: Internationales Bauen (insb. Analyse von Märkten und Geschäftsfeldern), Modellierung und Simulation (u.a. BIM-Education und System Dynamics), Fachdidaktik (z.B. Planspieldidaktik & Erforschung v. Entscheidungsfindung), Autor und Co-Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen, freiberuflicher Coach und Berater