Kolumne Falk Jaeger
Beauftragt die Architekten, die können das!
Dass die Verantwortlichen in Bund und Ländern angesichts des ungebremsten Flüchtlingsstroms teilweise mit Lethargie und Fatalismus, andererseits mit Panikreaktionen reagieren, ist nicht verwunderlich. Zum Beispiel die geniale Idee der Absenkung in langen Jahren aufgebauter Qualitätsstandards. Flüchtlingsunterkünfte sind Gebäude für „fremdbestimmtes Wohnen“ (klingt irgendwie forensisch), Sonderbauten, an die die Genehmigungsbehörde bei Brandschutz, Schallschutz, Energieverbrauch und anderen Faktoren deutlich geringere Anforderungen stellen kann. Mit der Novelle des Asylrechts wurden auch Regelungen für die Nutzung erneuerbarer Energien für Gemeinschaftsunterkünfte teilweise ausgesetzt und das Bauplanungsrecht gelockert. Dass Brände in Asylantenheimen nicht gerade selten sind und dass täglich hundert Familien aus dem Irak den Rückflug antreten, weil für sie der Alltag im Kriegsgebiet erträglicher erscheint als der fast vollständige Mangel an Intimität in den Massenunterkünften, wird nicht ins Kalkül gezogen.
Die Architekten sollen Lösungsvorschläge liefern, hieß es im politischen Raum. Warum das denn plötzlich? Das gesamte Bauwesen hierzulande läuft gegenwärtig darauf hinaus, Architekten zu entmündigen, zu Dienstleistern zu degradieren, ihre Tätigkeit auf HOAI Leistungsphasen 2 und 3 zurechtzustutzen, doch nun sollen die Architekten das Heft in die Hand nehmen? Die Forderung ist wohlfeil und zeugt von Hilflosigkeit.
Aber es gibt sie, die Initiativen, meist von Architekten, die ohnehin immer über den Tellerrand geblickt haben. Jörg Friedrich etwa, Professor an der TU Hannover, hat seine Studenten mit dem Thema befasst, hat sie Wohnungen statt Unterkünfte entwickeln lassen. „Refugees Welcome“ heißt das im Jovis Verlag erschienene Buch, in dem die Vorschläge präsentiert werden, Wohnraum auf Fabrikdächern, in Baulücken, in Messehalten, auf Schiffen und an vielen anderen Orten zu schaffen. Außerdem beleuchten eine Reihe von Experten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Eine von dem Architekten Stefan Feldschnieders geäußerte Befürchtung zum Beispiel spielt in der Diskussion um rasche, oft temporäre Unterbringungsmöglichkeiten kaum eine Rolle. „Anlagen, die sich selbst überlassen und zu lange genutzt werden, erzeugen auf lange Sicht schmerzhafte Mehrkosten. Die geringeren bauphysikalischen Standards erschweren die Regulierung des Raumklimas und die Wohnhygiene. Schimmelbefall setzt einzelne Bereiche dieser Anlagen schnell außer Betrieb.“ Container sind demnach die schlechteste Lösung und in die rasch aus dem Hut gezauberten Modulbausysteme sind oft zu wenig bautechnische Langzeiterfahrungen eingeflossen.
Rolf Disch in Freiburg, der Pionier der Solararchitektur, der als erster Plusenergiehäuser in Serie baute, hat konkrete Vorschläge gemacht, die sofort umsetzbar wären: ein System aus vorgefertigten, komplett transportablen Modulen, mit dem man Ein- bis Vielzimmerwohnungen zusammenstellen kann. Sie sind aus Massivholz, übererfüllen alle einschlägigen KfW-Standards und erzeugen mehr Energie als sie verbrauchen. Dischs Credo: Wir dürfen angesichts der enormen Herausforderungen nicht die mühsam erreichten Standards an Energieeffizienz, Brandschutz, Schalldämmung und Nachhaltigkeit aufgeben.
Nichts ist so dauerhaft wie ein Provisorium. Das gilt sicher auch für die rasch hingestapelten Containersiedlungen. Unterkünfte, für die eine Befreiung von der Energieeinsparverordnung in Anspruch genommen wird, sind jedoch nur für zwei, mit Ausnahmeregelung fünf Jahre möglich. Es ist nicht nur ein Gebot der Baukultur, die wir uns zugutehalten, sondern auch der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, dass wir auch in der gebotenen Eile qualitätvolle und menschenwürdige Wohnungen bauen. Das mag 20 Prozent teurer sein, doch die Grundstücke mit Ramsch zu bebauen, der nach wenigen Jahren als Sondermüll wieder abgeräumt werden muss, sind dazu zu wertvoll. Manche Architekten sind mit besseren Vorschlägen zur Stelle. Beauftragt sie, die können das.
Leserkommentare
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Dipl.-Ing. Architekt Michael Lauer | 11. Februar 2016
Dieser Beitrag erscheint mir ein bisschen zu pauschal und oberflächlich. Bei den von Prof. Dr. Falk Jaeger angesprochenen Flüchtlingsunterkünften muss man wohl unterscheiden zwischen Erstunterkünften und Folgeeinrichtungen. Dabei bleibt zunächst einmal festzustellen, dass für Erstaufnahmeeinrichtungen Container immer noch besser sind als beispielsweise Zeltlösungen. Dabei muss man qualitätsmäßig noch unterscheiden zwischen Containerlösungen, die aus deutscher Produktion stammen, und denen von Lieferanten aus dem Ausland. Die Erleichterungen im Hinblick auf Brandschutz, Schallschutz und Energieverbrauch sind für temporäre Lösungen gedacht. Folgeeinrichtungen sind i.d.R. als längerfristige Nutzungen bis hin zu Dauerlösungen geplant. Aus unserer Erfahrung mit insgesamt ca. 40.000 m² BGF realisierten Objekten im Bereich Flüchtlingswohnheime in den letzten zwei Jahren können wir die Erleichterungen so nicht bestätigen – im Gegenteil: Der Brandschutz ist bei unseren Bauvorhaben immer ein sehr sensibles Thema, wo von den bauordnungsrechtlichen Vorgaben in keinster Weise abgewichen wird, sondern eher sogar noch strengere Anforderungen gestellt werden.
Die Aussage Ende des drittletzten Absatzes, „Container sind demnach die schlechteste Lösung und in der rasch aus dem Hut gezauberten Modulbausysteme sind oft zu wenig bautechnische Langzeiterfahrung eingeflossen“, ist aus unserer Sicht doch sehr irritierend. Fast 50 Jahre Erfahrung im Bereich des schlüsselfertigen modularen Bauens und viele realisierte Referenzobjekte aus dem Portfolio Büro-, Bildungs- und Gesundheitsimmobilien können sich nicht irren. Das modulare Bauen hat sich aus der ursprünglich stiefmütterlichen Ecke des alternativen Fertigbauens zu einer echten Alternative zum konventionellen Bauen gemausert. Viele Kunden haben die Vorteile des Modulbaus gegenüber der herkömmlichen Massivbauweise erkannt.
Die industriell gefertigten Module werden in automatisierten, lückenlos qualitätsüberwachten Ablaufprozessen hergestellt und erzeugen im Bauablauf enorm kurze Bauzeiten bei gleichbleibend hoher Qualität. Dies führt ebenfalls zu einer deutlichen Senkung der Fehlerhäufigkeit gegenüber der herkömmlichen Bauweise – immerhin kommt „Pfusch am Bau“ in der Massivbauweise sehr oft vor und verursacht Millionenschäden.
Hochanspruchsvolle Gebäude wie komplette Kliniken, Labore oder Bürogebäude erfüllen alle bauphysikalischen Anforderungen wie Brandschutz, Schallschutz und Wärmeschutz, z.T. in deutlich besserer Qualität als die Bauten in herkömmlicher Bauart. Man kann also bei der seriösen Modulbauweise nicht von einer „aus dem Hut gezauberten“ Bauweise sprechen, der die bautechnische Langzeiterfahrung fehlt.
Herr Prof. Dr. Jaeger sollte sich die Zeit nehmen, die Bauweise in der „Raumfabrik“ zu besichtigen und sich danach an Hand eines 1:1 Objektes von der Qualität der Bauweise zu überzeugen. Wir laden Ihn dazu gerne ein.