BIM - Building Information Modeling
BIM und kein zurück – wie Planen und Bauen sich verändern müssen, damit die Branche eine Zukunft hat
Beim 20. buildingSMART-Forum am 19. Oktober 2016 im Berliner Westhafen drehte sich wieder alles um die Digitalisierung der Baubranche. Deutsche und internationale Referenten berichteten über den aktuellen Stand des modellbasierten Planens, Bauens und Betreibens. Besondere Beachtung fand der Vortrag des „Godfather of buildingSMART“ Patrick MacLeamy.
Veranstalter des Forums war erneut buildingSMART e.V., das German Speaking Chapter von buildingSMART International und heute das wichtigste deutsche Kompetenzzentrum für Building Information Modeling (BIM) -die zeitgemäße Methode, Bauwerke digital zu planen, zu bauen und zu betreiben. Der Verein setzt sich für die Schaffung offener Standards ein (Open BIM) und arbeitet als Non-Profit-Think-Tank neutral und unabhängig.
Die Jubiläumsveranstaltung stand unter dem Motto „Digital Excellence Now!“.
Über 300 Teilnehmer trafen sich im Berliner Westhafen Convention Center. Den Auftakt machte Prof. Rasso Steinmann, Vorstandsvorsitzender von buildingSMART German Speaking Chapter. Er warf einen Blick zurück auf 20 Jahre buildingSMART im deutschsprachigen Raum und resümierte, BIM sei seinen Kinderschuhen von einst längst entwachsen. Mit enorm steigenden Mitgliederzahlen, der maßgeblichen Beteiligung an wichtigen Standardisierungsschritten und tief eingebunden in die Regelsetzungen von DIN, VDI, CEN und ISO darf der Verein mit Stolz auf die letzten 20 Jahre schauen.
Mit großer Neugier wurde der Vortrag von Patrick MacLeamy, dem „Godfather of buildingSMART“ (Prof.Steinmann) und Vorstandsvorsitzenden von buildingSMART International erwartet. Auch er bescheinigte dem deutschsprachigen Chapter, zu einem echten „Powerhouse-Chapter“ gewachsen zu sein und skizzierte seinen eigenen beruflichen Werdegang als Architekt im Wandel der herrschenden Methoden. Angefangen von Bleistift, Winkelmaß, Zirkel und Radiergummi für Zeichnungen auf sehr großen Papierrollen über 2D und 3D-CAD-Zeichnungen bis zum komplexen BIM-Modell von heute. Mit sehr anschaulichen Worten zog er Parallelen zu umwälzenden Ereignissen in anderen Bereichen der Wirtschaft. Google hat schon ganze Wörterbücher, Landkarten auf Papier und viele, viele Einkaufsmeilen geschluckt. Informationssuche war noch nie so einfach wie heute. Ebenso Apple mit dem ersten Smartphone, dass nicht nur das Telefon verdrängte, sondern auch den CD-Player, Zeitungen aus Papier, Fotoapparate usw. Solche „Disruptoren“ verändern gewohnte Geschäftsmodelle und letztlich unser Leben radikal. MacLeamy zeigte sich sicher, dass BIM die große digitale Revolution in allen Bereichen der Bauindustrie bringt. Er rief alle Tagungsteilnehmer dazu auf, diesen radikalen Umbruch mitzugestalten, um nicht von ihm fortgespült zu werden: “It’s not about my business or about your business … It’s about our industry!”
Ein weiterer internationaler Gast war Dr. Claire Penny von IBM in Dublin. Sie stellte vor, wie Bauwerke dank intelligenter Gebäudetechnik zur Erfassung von Echtzeitdaten Teil des „Internet of Things“ werden. Sie zeichnete die wachsende Komplexität von Gebäudetechnik in den letzten 40 Jahren nach und gab einen spannenden Ausblick in die Zukunft der „Cognitive Buildings“. Der Weg führt von automatisierten Gebäuden vor der Jahrtausendwende über Smart Buildings heute hin zu einer Architektur, die mittels künstlicher Intelligenz lernt, das Verhalten ihrer Bewohner zu verstehen und ihnen ein hilfreicher Partner zu werden. Inihrem inspirierenden Vortrag stellte sie Gebäude vor, die nicht mehr nur ein Dach über dem Kopf, Wärme und ein Schließsystem bieten, sondern zum Ratgeber und wissenden Begleiter ihrer Bewohner werden. „Welcher nächstgelegene Meetingraum ist gerade frei? Wie warm ist es dort? Wo wird gerade Energieverschwendet, weil die Heizung läuft, aber das Fenster geöffnet ist?“.
Mit großer Spannung wurde ebenfalls der Beitrag von Tillman Prinz, Bundesgeschäftsführers der Bundesarchitektenkammer, erwartet, der den druckfrisch vorliegenden Leitfaden „BIM für Architekten – 100 Fragen, 100 Antworten“ vorstellte. Er mahnte an, dass von 130.000 deutschen Architekten viele immer noch zögern, sich dem Thema BIM zu widmen – deshalb sei das Buch als ein hilfreicher Reiseführer durch dieBIM-Welt konzipiert worden. BIM sei keine Bedrohung, sondern vielmehr eine große Chance, die auch Architekten nutzen sollten. Mit den 100 Fragen und 100 liegt nun ein hilfreicher Überblick vor, was BIM für Architekten bedeutet.
Dr. Andreas Goerdeler, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, betonte in seinem Grußwort die Bedeutung der Digitalisierung und offener Standards für den deutschen Mittelstand. Bei dieser Gelegenheit gab er auch die Verlängerung des Förderprojektes BIMiD bekannt, an dem buildingSMART als einer von sechs Projektpartnern beteiligt ist.
Weitere inspirierende Beiträge kamen u. a. vom Bauingenieur Manfred Grohmann vom Büro Bollinger+Grohmann, der zeigte, wie besonders komplexe Bauaufgaben erst durch digitale Methoden beherrschbar werden. Dennis Shelden, langjähriger Associate im Büro des Pritzker-Preisträgers Frank O. Gehry in Los Angeles berichtete am Beispiel des Ausstellungsgebäudes für die Foundation Louis Vuitton inParis über neue Entwurfsfreiheiten und die integrative Zusammenarbeit in einem großen Architekturbüro. Eric Giese und Petra Michaely von Siemens Gebäudetechnik und Siemens Real Estate referierten über diezukünftigen Veränderungen für die Technische Gebäudeausrüstung in der Planungs-und Ausführungsphase. Alvise Simondetti von Arup in London vermittelte anhand zahlreicher Beispiele, wie mit Hilfe digitaler Simulationen und Künstlicher Intelligenz Gebäude bereits in der Planungsphase immer besser den Nutzungsanforderungen angepasst werden können.
Über buildingSMART e. V.:
- Der buildingSMART e.V. wurde 1995 (als IAI e.V., Industrieallianz für Interoperabilität) im Rahmen einer weltweiten Initiative führender Unternehmen rund um das modellbasierte, intelligente Planen, Bauen und Betreiben gegründet. Der unabhängig agierende Verein fördert offene Schnittstellen und die openBIMMethode in Deutschland, Österreich und der Schweiz. BIM (Building Information Modeling) basiert auf der aktiven Vernetzung aller am Bau Beteiligten. Der buildingSMART e.V. steht für hohe Qualität bei der Festlegung von Standards und Lösungen, nicht nur bei technischen Lösungen, sondern auch mit Blick aufAnwender und ihre Prozesse. Mehr Informationen unter www.buildingsmart.de.
Lesetipp:
BIM – Building Information Modeling 2016
Ernst & Sohn (Hrsg.)
BIM ist in aller Munde. Dass die Methode, wie immer sie dereinst heißen wird, hierzulande Fahrt aufgenommen hat, wird ein jeder Besucher der letzten BAU in München bestätigen können. Ernst & Sohn widmet dem Thema in diesem Jahr – nach dem 2013 als erstes seiner Art erstmals erschienen Sonderheft BIM – das dritte Sonderheft und die beiden vorherigen sind längst vergriffene Sammlerexemplare.
Der Aufbau des Heftes spiegelt alle wesentlichen, aktuellen, aber auch grundsätzlichen Aspekte des Themas BIM. Von den ersten BIM-Referenzobjekten hierzulande über die Situation im weltweiten Ausland, die Frage der veränderten Ausbildung von Ingenieuren und Architekten, aktuelle Diskurse um BIM und Virtuelles Engineering bis zu den zunehmend wichtigeren Themen BIM und die Hersteller (das zeigte auch die BAU überdeutlich) sowie BIM und das Bau-, besonders auch Vergaberecht.
Welche Bedeutung die Öffentlichkeit dem Thema inzwischen beimisst, zeigt neben der Gründung der GmbH „planen-bauen 4.0“ auch die Tatsache, dass das Thema allmählich die Publikumspresse erreicht. Der BVBS (Bundesverband Bausoftware) geht in seinen Schätzungen sicherlich nicht zu weit, wenn er BIM binnen zehn Jahren bei 50 Prozent des gesamten Bauvolumens im Einsatz sieht. Auch die Zahlen bezüglich des Einsparpotenzials bei Arbeitszeit, Geld und Ressourcen können sich mit derzeit noch konservativ geschätzten 20 Prozent sehen lassen.
Die Lesezeit jedenfalls, die Sie dem Thema BIM widmen, wird eine erfüllte, Sie womöglich mit ganz neuen, ungeahnten Perspektiven und Möglichkeiten erfüllende Zeit sein.