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openBIM Essentials – Ist buildingSMART bereit für openBIM 4.0?
Zusammenfassung der Veranstaltungen buildingSMART Forum Berlin, 27.Okt. 2017, und buildingSMART Summit London, 30.Okt.-2.Nov. 2017
openBIM ist unverzichtbar, das zeigen Großprojekte wie die Erweiterung des Flughafen Schiphol in den Niederlanden. Formate wie IFC4 und BCF sind ausgereift und werden von der Industrie angenommen. Clevere Anwender nutzen bereits die Vorzüge der IFC4 Version.
Und das hat buildingSMART weiter vor:
• Herstellerdaten auf Basis von Wörterbüchern machen (bsDD buildingSMART Data Dictionary) einfach verfügbar
• Integration von Geo-Information-Systemen GIS in IFC for Infrastructure
• Fachausschnitte aus IFC-Modellen (MVDs Model View Definitions)
• bedarfsgerechter Informationsgehalt (Level of X LoX) für gängige Anwendungsfälle
30 Jahre buildingSMART haben fraglos viel bewegt, allerdings erscheinen manche Konzepte mittlerweile überholungsbedürftig. Die teils überbordende Komplexität, beispielsweise von IFC, wird in manchen Bereichen zur Herausforderung. Vermarktungsstrategien sucht man vergeblich, wo Anwender nicht für genügend Erdung sorgen. Machbarkeitsüberlegungen und Bedarfsanalysen wären gelegentlich angebracht. Ist buildingSMART bereit für openBIM 4.0?
“openBIM ist unverzichtbar”
…so die einhellige Meinung in den Präsentationen von Praktikern auf den BIM Events in Berlin und London…
„Der Köder muss dem Fisch schmecken nicht dem Angler“, so Andreas Wokittel CEO der Spie GmbH, einem der größten deutschen Facility Management Unternehmen Deutschlands (927€ Mio. Umsatz 2016, Deutschland und Zentraleuropa). Aus Sicht des Bauherrn oder Betreibers, liefert Wokittel den ca. 300 Besuchern des 21. buildingSMART Forums schlagende Argumente für BIM. Seine einleuchtenden Beispiele machen klar: eine Beteiligung des FM in frühen Planungsphasen hat signifikanten Einfluss auf die späteren Betriebskosten. Tatsächlich macht sich BIM mehr als nur bezahlt, wenn durch Planungsbeteiligung von FM Wartungskosten durch reduziert oder geringere Reinigungskosten erzielt werden können. Wokittel zeigt auf Lüftungsrohre in 8m Höhe an der Decke. „Diesen Dämpfer zu ersetzen kostet richtig Geld! Da brauchen Sie schweres Gerüst. Das kostet! Hätten Sie bei der Planung uns gefragt, wäre der an leicht zugänglicher stelle eingebaut worden“.
Auch die Früherkennung von Leckagen und anderen Schäden durch IoT Sensorik führt bei minimalem Kostenaufwand zu weniger Kollateralschäden und Folgekosten. Wokittel zieht einen kleinen Chip aus der Tasche: „dieser Kontaktsensor sagt mir, ob Fenster in kritischen Bereichen offen sind. Für ein paar Euro kann das eine Menge Geld sparen…“. Wokittel hat weitere Beispiele parat. Sie machen klar, es ist im Sinne der Bauherrn bereits am Anfang an das Ende –den Betrieb- zu denken. Wokittel weiß auch: Kaum einem Bauherrn ist das Einsparpotential bewusst, deshalb wird am Anfang an der falschen Stelle gespart. Hier ist noch viel Überzeugungsarbeit für BIM notwendig.
Aus dem Projektmanagement berichtet Alexander Worp. Als BIM Implementierer beim Erweiterungsprojekt des Schiphol Airports setzt er täglich BIM in die Tat um. In einem Projekt dieser Größenordnung arbeiten eine Vielzahl Ingenieure mit unterschiedlichen Modellierungswerkzeugen. Deren nativen Formate können nur über IFC zusammen gebracht und geprüft werden. Die restriktiven Subskriptions- und Update-Strategie verschiedener Softwarehersteller erweist sich als hinderlich bei Datenaustausch. So erzwinge Autodesk die Aktualisierung ihrer Software beim Anwender durch ihre Subskriptionspolitik. Dieses behindere sogar den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Software-Versionen des gleichen Herstellers. Auch hier erweise sich IFC als der einzige gemeinsame Nenner beim Datenaustausch. Denn die Software-Versionen bei allen Projektteilnehmern auf dem gleichen Stand zu halten, sei nicht nur kostenintensiv sondern in laufenden Projekten auch nahezu unmöglich.
Die Sache mit der Komplexität
Die Komplexität von IFC und der damit verbundenen Standards (z. B. MVD) macht Softwareherstellern und Anwendern seit längerem Kopfzerbrechen. Die Erweiterung des IFC Standards von Version zu Version wirft die Frage auf, was von IFC abgedeckt werden sollte und was bewusst ausgeklammert werden sollte. Hier fehlen derzeit klare Abgrenzungen. Es entsteht der Eindruck, dass so manche Erweiterung auf Kosten einer klaren Strukturierung erfolgt ist. Copy/Paste von Teilen anderer Modellschemas, z.B. GIS, in das IFC Schema führt zu Dopplungen, die später zu Mehrdeutigkeiten und Redundanzverwaltung führen.
Scheint auch die Komplexitätswelle unaufhaltsam, es gibt einen Silberstreif am Horizont: Semantik Web Technologien wie ifcOWL und Linked Data stehen bereit und könnten die bisherige Komplexität erheblich zu reduzieren. Zudem sind sie kompatibel zu den Konzepten der IFC. Damit wäre eine wesentlich einfachere Integration neuer Anwendungsfelder (z.B. GIS und Infrastruktur, Herstellerdaten, Model Views) erreichbar, ohne die Komplexität immer weiter zu erhöhen.
Keine Lösungen von der Stange
So brillant Konzepte auch sein mögen, ohne Realdaten bleiben sie einen Machbarkeitnachweis schuldig. Natürlich schielen Nutzer nach der einfachen Lösung von der Stange. Bei Produktdaten der Hersteller ist erhebliches Expertenwissen im Spiel. Um in der Praxis von Nutzen zu sein, müssen sie leicht in Modelle integrierbar sein. Und zwar angepasst an unterschiedliche Detaillierungsgrade, Standards, z.B. nationale Klassifikationssysteme, und Fachrichtungen. Hier wollen die bereits seit Jahrzehnten angepriesenen buildingSMART Data Dictionaries bsDD einen neuen Brückenschlag versuchen. Ob und wie das mit der in Entwicklung befindlichen PAS 1192-7 „Construction product information – Specification for defining, sharing and maintaining structured digital construction product information“ zusammen passt, bleibt abzuwarten.
Die neuen Model View Definitions (MVDs) von IFC4 „Reference View“ und „Design Transfer View“ wollen zwei Lücken beim Modelldatenaustausch schließen. Der Reference View überträgt jene Modellteile an ein anderes Gewerk, die dort zur Info gebraucht aber nicht verändert werden dürfen. Beim Design Transfer View verhält es sich genau anders herum. Was dort übertragen wird ist zur Bearbeitung bestimmt und wird dazu im Prozess weiter gereicht. Das Problem: Welche Inhalte sollen die beiden neuen Views hinein. Lässt sich das realistisch für alle Gewerke und Phasen festlegen oder führt das nicht zumindest beim Design Transfer View zu einer ganzen Reihe von bedarfsabhängigen Varianten?
Hinsichtlich der Qualitätssicherung von Modellen sicher ein großer Schritt. Bleibt die Frage offen, wer diese Inhalte für verschiedene Fachrichtungen und Lebenszyklusphasen liefern wird.
„As-Built“-Modelle brauchen Herstellerdaten
Ein Modell, das den Einbauzustand wiederspiegeln soll muss notwendigerweise Herstellerdaten, also Artikelnummern und Datenblätter, sowie Wartungsanweisungen enthalten. Oben drein sind unterschiedliche nationale und fachspezifische Klassifikationssysteme (z.B. OmniClass, UniClass, DIN 276) zu berücksichtigen. Doch die passen nicht automatisch mit den Herstellerdaten zusammen. Doch was nicht passt, kann passend gemacht werden. buildingSMART will hier den buildingSMART Data Dictionaries Abhilfe schaffen. Ein ehrgeiziger Plan, der die Integration von Produktdaten in BIM Modelle sicherlich erheblich einfacher machen würde. Ist es jedoch für Hersteller interessant oder dürften sie eine leichtere Vergleichbarkeit zwischen den Herstellern eher als Herausforderung für ihre Vermarktungsstrategie ansehen? Auch hier bleibt daher die Frage offen, wer der leeren konzeptionellen Hülle zu realitätsnahen Inhalten verhilft.
Fazit
Offiziell herrscht Optimismus, viel wurde erreicht nach 30 Jahren harter Standardisierungsarbeit. openBIM Lösungen aus „dem Hause buildingSMART“ sind als einzige offene Lösungen alternativlos. Anwender äußern jedoch nach wie vor Skepsis, auch wenn sich beispielsweise der Datenaustausch über IFC und BCF eklatant verbessert hat. Das bisher schleppende Tempo und der anvisierte Um¬fang der weiteren Entwicklungen lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob man den Heraus¬forder¬ungen des jetzt stark anziehenden BIM Interesses weiter gerecht werden kann. Der Wert und kommer¬zielle Nutzen von offenen Lösungen muss dringend klarer und öffentlichkeitswirksamer dargestellt werden, damit Nutzer ihre Anforderungen gegenüber Lösungsanbieter klarer artikulieren können. Die Marketing-Maschinerie marktdominierender Anbieter wird ansonsten die Praktikabilität ihrer geschlossenen Systeme erfolgreich vermarkten können, ohne das Anwender die Alternativen bewusst sind.