momentum magazin für Bauingenieure präsentiert von Ernst & Sohn
Rezension, Vermischtes

Verdichtung und Wahrheit

Falk Schneemann, Das Hochhaus als Gewebe von Gestaltung und Technik – Bauten und Projekte in Westdeutschland zwischen 1945 und 1980, Berlin 2021, JOVIS-Verlag, Broschur 16,5 × 22 cm, 304 Seiten, zahlr. farb. Abb., ISBN 978-3-86859-655-7, 38.00 €

Falk Schneemann, Das Hochhaus als Gewebe von Gestaltung und Technik – Bauten und Projekte in Westdeutschland zwischen 1945 und 1980, Berlin 2021, JOVIS-Verlag, Broschur 16,5 × 22 cm, 304 Seiten, zahlr. farb. Abb., ISBN 978-3-86859-655-7, 38.00 € (Jovis Verlag)

„Wer in Ausstellungen geht, ist verloren; wer ins Museum geht, gerettet“ – schreibt der französische Philosoph Alain 1921. Mit was aber hat zu rechnen, wer sich in ein bei JOVIS research erschienenes Vademecum des Hochhausbaus in Westdeutschland zwischen 1945 und 1980 lesend begibt? Falk Schneemann hat es vorgelegt – eine Dissertation unter dem Titel: Das Hochhaus als Gewebe von Gestaltung und Technik.
Um kurz noch bei dem obigen Philosophen zu verweilen: Nichts hält er für lustiger mitanzusehen „als jene Art von Geistesverwirrung“, die selbst Leute mit Geschmack befalle, „sobald sie zu kritisieren anfangen.“ Stimme es, schreibt Alain weiter, „dass die Summe der durch Überlieferung geheiligten Werke“ dem Geist Sicherheit gebe, stimme es nicht weniger, „dass sich daraus auch nicht die leiseste Regel ableiten“ lasse. „Bei Beethoven, bei Michelangelo, bei Shakespear“ folgert der zu Unrecht vergessene Denker, wisse er „das Schöne zu erkennen; aber es falle ihm schwer, dasselbe auch bei neuer Musik, einem neuen Bild oder Theaterstück zu tun. (Alain, Spielregeln der Kunst, Ffm 1985, S.74)
Bei der Cathédrale Notre-Dame de Chartres als Urbild aller gotischen Kathedralen oder bei einer Villa Palladios, ließe sich für die Architektur anfügen, ist das Schöne unschwer erkennbar, bei Hans Scharouns 1961er Wohnhochhaus Salute in Stuttgart (S. 237) braucht es eventuell schon andere (anders ästhetisch geschulte) Augen. (vgl. hier auf momentum: Wesentliche Darstellung des Urbanen, Hans Scharoun und die Entwicklung des Kleinwohnungsgrundrisses) – zu schweigen von des Philosophen Breitseite gegen alle Kritik an Neuem, die auch einer Rezension zu einem kaum anders denn als Handbuch zur Geschichte des Hochhausbaus zu bezeichnenden Werk eingeschrieben ist.

Romeo, Hans Scharoun, Stuttgart, 1959

Romeo, Hans Scharoun, Stuttgart, 1959 (Jovis Verlag)

Nicht überschätzbare Aktualität
Verdichtung und Wahrheit ist hier nur für Klassiker ein Kalauer. Über die Relevanz, Brisanz und letztlich nicht überschätzbare Aktualität des Hochhausbaus kann, das zeigt Schneemann in seiner Einleitung so umfassend wie – dem Genre geschuldet – artig akademisch und nur einmal mehr, nicht gut gestritten werden. Und er verweist zutreffend darauf, dass nicht nur Asien und Amerika die global bestimmenden Kräfte im Hochhausbau seien (S.11 – vgl. hier auf momentum: Himmelhoch in den Neo-Neobarock – Best Highrises 2020/21, JOVIS-Verlag 2021), sondern „auch in deutschen Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt/M. eine rege Hochhaus-Bautätigkeit“ herrsche. Hierzulande sollen „in den kommenden fünf Jahren allein 97 Wohnhochhäuser mit 18.400 Wohnungen fertiggestellt werden.“ (S.11) Grund genug für ein Werk, dass sich so umfassend wie konzis auf 300 prall vollen Seiten den Hochhausbauten und Projekten in Deutschland zwischen 1945 und 1980 widmet und dabei deren historische Wurzeln etwa im Hochhausbau der USA von 1880 bis 1930 nicht vernachlässigt.
Wenn bis hierher noch nicht klar geworden sein sollte, dass diese Zeilen sich einem Muss für jeden Hochhaus-Planer und -Architekten widmen, möchte das spätestens einleuchten, wenn man sieht, wie der Titel des Buches „Gestaltung und Technik“ in eindrucksvoller Gleichwertigkeit vorführt. Könnte dies Wortpaar dabei Dieter Hoffmann-Axthelms, von Schneemann zitiertes Spannungsfeld zwischen „Hass und Begeisterung“ (S. 12) umspielen? – „Hass“ auf die Gestaltung des Hochhausbaus und „Begeisterung“ für seine Technik? Solch Fragen bliebe mit Schneemann so ambivalent, wie der Umgang mit dem Bestand. (ebd.) In Frankfurt/M. gab es 2014 insgesamt 530 Hochhäuser. Müßig der Hinweis, dass dies Handbuch auch hier Hilfestellung für die Frage liefert, wie mit diesem Bestand zu verfahren sei. Verfahren genug dürfte unterdessen, das zeigt Schneemann noch einmal durch das Benennen aller guten Argumente für und gegen den Hochhausbau – von der Neigung zu sozialen Brennpunkten bis zum Autogerechten – die Diskussion um Hochhausbau und -struktur sein. Und diese Diskussion gilt es hier kurz sowohl mit, als partiell auch gegen den Autor zu umreißen.

Telefunken-Hochhaus (heute TU Berlin), Paul Schwebes und Hans Schoszberger, Berlin, 1960

Telefunken-Hochhaus (heute TU Berlin), Paul Schwebes und Hans Schoszberger, Berlin, 1960 (Jovis Verlag)

Forschungslücke
Schneemann reklamiert für seine Dissertation, sie zeige präzisierend und vertiefend jene Forschungslücke auf, die in der Betrachtung der Hochhausstruktur klaffe und im weitgehenden Fehlen von Zeichnungen und Grundrissen, Schnitten und Ansichten bestehe. Diese Lücke zeige sich schon in Otto Rappolds 1913 erschienenen „Bau der Wolkenkratzer – Kurze Darstellung auf Grund einer Studienreise für Ingenieure und Architekten.“ In diesem Werk als einem der ersten in Deutschland zum Thema publizierten Bücher gebe es, so der Autor weiter, „viele fotografische Aufnahmen, die einen Eindruck von Größe und Erscheinung der Wolkenkratzer vermitteln.“ Es fehle auch nicht an einer sehr genauen Vermittlung von technischen Details durch Fotos und Zeichnungen – von Ausschachtarbeiten bis zum Brandschutz. Nicht einen Grundriss aber gebe es im ganzen Buch. Und das sei für Publikationen zum Hochhausbau bis heute symptomatisch. Ohne entsprechende Zeichnungen aber – welch Hinweis – bleibe es unmöglich, ein umfassendes Verständnis für einen Bautyp zu erlangen. Und ein solches Verständnis, so Schneemans plausible These, erwachse aus der Auseinandersetzung mit der Struktur eines Gebäudes, wobei er den Begriff der „Gestalt“ als eng verzahnt mit dem der „Struktur“ auffasst. (alle Zit. S. 14) Schneemann rekurriert für die Einführung beider Begriffe in sein Werk auf Roland Knauers „Entwerfen und Darstellen“, (Berlin 2002, Ernst & Sohn) mit dem Hinweis auf Knauers Chaos als Urzustand, in dessen kontingente Anordnung die Struktur Logik bringe, wobei Knauer von „Gesetz, z. B. Syntax“ spreche. (S.15) Soweit so vergleichsweise simpel ist Schneemann hier spätestens dann nicht mehr so einfach zu folgen, wenn er die Struktur als solche unter Rückgriff auf Lévi-Strauss’ Wildes Denken (1973) definiert und damit doch etwas arg in die philosophische Mottenkiste greift, als habe es alle postmodernen, eventuell post-postmodernen, dekonstruktivistischen und sonst welche Diskurse, die nach Legionen zählen, nicht zumindest auch ansatzweise in der Architektur gegeben. Der Text kann sich hier etwas Altbackenem, wenn nicht gar Verschrobenen kaum entschlagen, wo er sich mit längst hinterfragten Strukturalismus-Begriffen zu fundieren sucht, die etwa ein Roland Barthes als Mitbegründer des Strukturalismus in seinem späteren Werk selbst verwarf.

Stern-Hochhaus, Hentrich, Petschnigg und Partner, Köln, 1972

Stern-Hochhaus, Hentrich, Petschnigg und Partner, Köln, 1972 (Jovis Verlag)

Grundparadigma moderner Architektur
Schneemann ist dann jedoch wieder zu folgen, wenn er als Grundparadigmen moderner Architektur“ den „Glaube an einen Zusammenhang zwischen Struktur, Gestalt und Form“ erkennt. Diesen sieht der Autor als bis auf Gottfried Semper (1803 – 1879) und Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc (1814 – 1896) zurückführbar an. In Viollet-le-Ducs 1854 – 1868 erschienenen Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle fänden sich zahlreiche Grundrisse, Schnitte und Isometrien, vermittels derer er den Zusammenhang der historischen Baustile erkunde. Von diesem Werk aus lasse sich, folgt man dem Autor, „der Bogen zurück zur Bedeutung der Zeichnung spannen“, da sich bei ihm zeige, wie mächtig das abstrahierende und dabei nahezu objektive Werkzeug der technischen Zeichnung sei, wenn es darum ginge, die komplexe Welt der Dinge denkbar, analysierbar und diskutierbar zu machen. (alle Zit. S, 15/16) Die hieran sich anschließende Erkenntnis des Autors, es ließen sich vermittels Zeichnung den Dingen Geheimnisse entlocken, die diese durch Sprache allein nicht preisgäben, verkennt einerseits alles sprachlich Vermittelte der Zeichnung; sie führt den Autor andererseits auch zur Kernthese seines Werkes, dass des Hochhaus’ Struktur geprägt sei von einem Zusammenspiel aus Gestaltung und Technik. Betont wird dabei, das Begriffspaar benenne keine um Wirkmacht ringenden Opponenten, sonder Akteure in einem synergetischen Verhältnis.
„Struktur“, das hebt Schneemann hervor, stehe für ihn hier nicht, wie sonst in der Architekturpraxis, für das Tragwerk des Hochhauses, „sondern für die Logik, welche die Beziehung seiner Teile bestimme. Er geht da kurz auf nationale baurechtliche Definitionen ein und verwendet für sein Werk den Begriff „Hochhaus“, wenn die Vertikale die Struktur des Gebäudes präge – und gelangt so wieder zur nicht zu überschätzenden Bedeutung des Grundrisses, in welchem „die hochhausspezifischen Besonderheiten der dominanten Vertikalerschließung und des Tragwerks lesbar sein“ müssten. (alle Zit. S. 16)
Sodann spürt der Autor in einem zweiten Teil dem Titel seines Buches nach, indem zunächst ein kurzer historischer Überblick über den Hochhausbau zu der Quintessenz gelangt, es zögen sich die Wurzeln desselben bis tief in die Geschichte der Tragwerksplanung, der Bautechnik allgemein, der Materialwissenschaft, ja letztlich aller sogenannten (Natur- und Technik)Wissenschaften – Wurzeln, die sich bis zu einem nicht hierarchischen Netzwerk aus unseparierbaren Verästelungen und Verzweigungen ausbildeten, die der Autor Akteur-Netzwerk nennt; womit er philosophisch betrachtet etwa – ohne Querverweis auf sie – zu poststrukturalistischen Ansätzen bei Deleuze/Guattari und deren in ihrem Anti-Ödipus beschriebenen, Metastasen bildenden Rhizomen gelangte.

Interferenz von Gestaltung und Technik
Diesen zweiten Teil lässt der Autor dann in einer kurzen Auseinandersetzung mit Gilbert Simondons erstmals 1958 erschienenen (und erst 2012 ins Deutsche übersetzen) „Die Existenzweise technischer Objekte“ enden. Aus Simondons um ein Gleichgewicht von Technik und Kultur bemühten, philosophisch auf eventuell tönernen Füßen stehenden, Thesen generiert Schneemann das für sein Buch hoch relevante Axiom, „dass aus der Interferenz von Gestaltung und Technik emergent neue Strukturen und Formen entständen. (S.33) Hieraus ergibt sich für den Autor die Überwindung der in Ehren verstaubten These Lewis Mumfords zum Hochhausbau, die Technik noch als die Gestaltung entwürdigenden Faktor sah. Lasse sich doch aus Simondons Interferenz von Gestalt und Technik „die Umwertung der Hochhausstruktur vom Technischen ins Kulturelle herleiten. „Während“ folgt man Schneemann weiter, „Kultur und Gestaltung“ wie Mumford noch hervorhob, „zunächst nur ein Zuckerguss auf der Oberfläche eines technischen Archetyps waren, so erfuhr“ wie der Autor sich anschickt, im Verlaufe des Buchs zu zeigen, „in den 1920er Jahren die Hochhausstruktur eine Umwertung ins Kulturelle.“ Wenn dem aber so ist, ruft die These unweigerlich fast die Frage hervor, ob diese „Umwertung ins Kulturelle“ nicht ihrerseits Zuckerguss auf einer strukturalistisch grundierten Theorie ist, die als von Werten kündend, nicht viel mehr als alten funktionalisitischen Wein in synergetischen Schläuchen bietet. Sind der Umwertung doch jene Werte intrinsisch, die als solche immer schon Kultur Konservierendes voraussetzen, das gar zu leicht in Kulturkonservativismus abgleitet. Und der Bruch, der durch den Gedanken von der „Umwertung ins Kulturelle“ verläuft, kann ohne allzu große Bemühung mitten in die architektonische Moderne hinterfragende Betrachtungen von Philosophen und Autoren führen, denen manches unterstellt werden könnte, indes kein Kulturkonservativismus. Im Architekturkapitel von Ernst Blochs Hauptwerk, dem Prinzip Hoffnung formuliert er eine Kritik an moderner Architektur, die nur vordergründig für bloße Funktionalismus-Kritik gehalten werden kann: „Der abstrakte Ingenieurstil wird auf keinen Fall qualitativ, trotz der Phrasen, die seine Literaten ihm anhängen, trotz der Schwindelfrische von ‘Modernität’, womit polierter Tod wie Morgenglanz verabreicht wird.“ (Bd. 2, S.286) Jean Améry spricht in dem Roman-Essay Lefeu oder der Abbruch im Kontext des zeitgenössischen Stadtbildes (der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts) von „Glanzverfall“. Und von hier wäre es auch nicht weit zu Alexander Mitscherlichs einst sattsam bekannten Auslassungen zu modernem Städtebau – der das Hochhaus ja immer auch ist, und in dessen Kontext Schneemann es kaum zu rücken vermag, indem er akribisch einzelne Gebäude beschreibt und untersucht.
Der Autor aber erkennt unterdessen den Vorgang der Umwertung der Hochhausstruktur vom Technischen ins Kulturelle als identisch „mit dem, der aus dem Chaos im Inneren des Hochhauses Struktur werden lässt“, wodurch die Kluft zwischen Fassade und Innerem sowie zwischen Gestaltung und Technik geschlossen werde.

Hypo-Hochhaus (heute HVB Tower), Bea und Walter Betz, München, 1978

Hypo-Hochhaus (heute HVB Tower), Bea und Walter Betz, München, 1978 (Jovis Verlag)

Zwei Kategorien
Diesem Prozess spürt nach einem 3., dem amerikanischen Hochhausbau gewidmeten Teil, der 4. des Buches nach, indem er den Hochhausbau in Deutschland von 1900 bis 1930 „eine gestalterische Revolution der Technik“ heißt. Die Bilanz nach dem Durchgang durch ausführlichere Beschreibungen einzelner Hochhausprojekte der Zeit macht dann zwei grundsätzlich verschiedene Architekturauffassungen aus, deren eine der Autor als konservativ, den Bautyp des Hochhauses „germanisierend“ beschreibt, ohne dass diese Richtung irgend dem Historismus verfalle. Als Grund für letzteres erkennt Schneemann das historische Faktum, dass der Tradition verbundene Architekten in der Frühzeit des Hochhausbaues diesen prinzipiell ablehnten. Hochhäuser dieser Richtung zeigten eine grundsätzlich konstruktionsaffine Haltung, ließen aber dennoch keine sauberen oder innovativen Strukturen entstehen. (S.71)
Die zweite Kategorie beruhe auf einer progressiven Architekturhaltung, welche von Neuer Sachlichkeit (Ernst Otto Oßwald/Richard Döcker, Hugo Keuerleber) über Konstruktivismus (Ludwig Mies van der Rohe) bis zum Funktionalismus/CIAM eines Walter Gropius reiche. Dieser Kategorie singt der Autor mit Gilbert Simondon das hohe Lied der Annäherung von Technik und Gestaltung sowie deren wechselseitigem Verhältnis. Dieses gerät ihm zur „gestalterischen Revolution der Technik“, da Technik hier einen von der gestalterischen Avantgarde ausgehenden Impuls erfahre, der sie auch in in ihrer eigenen technischen Logik neu ordne – so, wie etwa Mies mit dem Skelettprinzip, aussteifendem Verbundkern und Vorhangfassade der technischen Frage nach dem Tragwerk des Hochhauses eine ganz neue Wendung gebe.
Fast zwingend ergibt sich hier der Umkehrschluss zu heutigen Prozessen im Zuge der Digitalisierung des Baus, indem etwa die BIM-Methode oder der 3D-Druck Impulse einer technischen Avantgarde für die Gestaltung auslösen. So und ähnlich aber dürfte sich die Interferenz zwischen Gestaltung und Technik je nach temporär dominanter Seite minimal seit Vitruvius und ziemlich sicher auch schon früher verhalten haben.
Die architektonische Vielfalt aber, die Schneemann in der Auseinandersetzung mit Mumfords These vom geringen Spielraum für architektonische Mannigfaltigkeit aufgrund rein mechanischer Entwicklung des Hochhausbaus den 4. Teil beschließend erkennt, dürfte nicht nur prima vista eine akademisch, konstruktiv, technisch vermittelte und nur als solche zu erkennende sein. Dem dergestalt nicht Sensibilisierten dürfte einstweilen bei jedweder Stadtbegehung nur die Wahrnehmung einer Uniformität aus investitionsmotiviertem Rasterismus übrig bleiben.
Im 5. Teil nimmt Schneemann sich schließlich dem deutschen Hochhausbau zwischen 1945 und 1980 an und wird diesem durch die minutiöse Beschreibung sieben verschiedener Genesepfade anhand von Einzelbeispielen gerecht. Diese reichen vom Verbundkern als Prototyp der Hochhausstruktur über den Brikettgrundriss, die räumliche Komplexität, das Hängehochhaus, die brutale Konstruktion bis zu Großraum und Treppe.

Warum wollen wir Hochhäuser
Der 6. Teil, die Schlussbetrachtung, kommt in seinem Ausgang auf Dieter Hoffmann-Axthelms Hochhausbetrachtung zurück, die fragt, warum wir Hochhäuser wollen. Warum kehre der Wunsch immer wieder? Warum gewöhne ihn keine Enttäuschung ab? Schneemann möchte solch Fragen nicht folgen. Die Hochhäuser zwischen 1945 und 1980 erweisen sich ihm „als typologisch und gestalterisch reicher und leistungsfähiger Bautyp, der tief in der jüngeren Geschichte unserer Gesellschaft und der Bundesrepublik verwurzelt“ sei. (S. 175) Folglich würden Hochhäuser zunehmend zu identitätsstiftenden, integralen und oft gut funktionierenden Bestandteilen unserer Städte. Er räumt auch ungelöste Probleme ein, die in vielen Fällen auf die Eigenart des Bautyps zurückzuführen seien und kommt zum Beschluss zu der frommen Frage, „ob es in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen hinsichtlich der Zukunft unserer Städte nicht wünschenswert erscheine, den Mut aufzubringen, an die – in seinem Werk so trefflich wie zwiespältig – offengelegte Genese des Bautyps Hochhaus anzuknüpfen. Solch Fragen möchte auf eine andere Interferenz verweisen: die aus Verdichtung und Wahrheit.
Der Passant aber, der etwa – stellvertretend aus Schneemanns vorzüglichem Projektkatalog herausgegriffen – am Wohnblock Interbau von 1957, Bartningallee 7 in Berlin, vorbeikommt, kommt zugleich unweigerlich nicht an der hier kaum mehr polemischen Frage vorbei, warum wohl die Architekten für gewöhnlich nicht in ihren Hochhäusern wohnen.

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