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Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises 2020 und 30. Dresdner Brückenbausymposium
Nachdem der Brückenbaupreis 2018 verliehen, das letzte Sektglas geleert und 2019 das 29. Dresdner Brückenbausymposium vorüber war, konnte noch niemand ahnen, welche Auswirkungen die nachfolgende Corona-Pandemie haben würde. Bereits ein Jahr später musste sowohl das Brückenbausymposium als auch die Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises zum ersten Mal in seiner Geschichte verschoben werden. Noch im Frühjahr hoffte Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach mit seinem Organisationsteam, diese Veranstaltungen im Herbst nachholen zu können. Leider war auch das pandemiebedingt nicht möglich.
Um diese Veranstaltungen nicht wieder verschieben zu müssen, wurde ein neues Veranstaltungskonzept gesucht, geplant und schließlich umgesetzt: die Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises 2020 und das 30. Dresdner Brückenbausymposium am 8. und 9. März 2021 erstmalig in digitalem Format. Zudem fand am Tag des 8. März das 11. Symposium Experimentelle Untersuchungen von Baukonstruktionen statt.
Dazu erfolgte die Entwicklung und Bereitstellung von virtuellen Räumen wie Hörsaal, Ausstellung, Mediacenter, Lobby usw., in denen die Teilnehmer die Veranstaltungen besuchen konnten. Im Ergebnis wurde ein modernes und professionelles Format gefunden, um allen Veranstaltungen eine würdige und internationale Plattform zu bieten. Bereits drei Tage zuvor wurde für die Veranstaltungen die Eventwebseite geöffnet und den Teilnehmern die Möglichkeit geboten, sich mit der Benutzeroberfläche vertraut zu machen sowie an einem geführten digitalen Rundgang teilzunehmen. Für die beiden Veranstaltungen hatten sich ca. 1200 Teilnehmer angemeldet.
So eröffnete die Moderatorin Tanja Samrotzki am Abend des 8. März die Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises via Bildschirm. Besonders eindrucksvoll war, dass insgesamt 42 Bauwerke für eine Nominierung eingereicht wurden – 20 Eisenbahn- und Straßenbrücken sowie 22 Fuß- und Radwegbrücken.
„Es war ein guter Jahrgang“ resümierte gleich zu Beginn der Veranstaltung der Präsident der Bundesingenieurkammer, Dr.-Ing. Heinrich Böhkamp. „Die Anzahl der Einreichungen übertraf die Erwartungen“ [1].
Der Brückenbaupreis wird seit 2006 alle zwei Jahre verliehen (Bild 1). Ausgelobt wird er durch die Bundesingenieurkammer und den Verband Beratender Ingenieure. Die Schirmherrschaft hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Auslobung des Brückenbaupreises fand nunmehr zum achten Mal statt. Ein siebenköpfiges Team aus anerkannten Brückenbauingenieuren übernahm die Bewertung der eingereichten Bauwerke unter Vorsitz von MR Prof. Dr. Ing. Gero Marzahn, BMVI.
Alle Bauwerke erfüllten die Teilnahmebedingungen: Realisierung in der Bundesrepublik Deutschland und Fertigstellung, Umbau oder Instandsetzung zwischen dem 1. September 2015 und dem 1. September 2019. Im Weiteren wurden in zwei Jurysitzungen die Bauwerke nach den Kriterien Gestaltung, Konstruktion, Funktion, Innovation, Wirtschaftlichkeit, Planungs- und Bauverfahren sowie Nachhaltigkeit bewertet, ehe in jeder Kategorie drei Bauwerke für die Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises nominiert wurden.
In der Kategorie Straßen- und Eisenbahnbrücken wurden die Retheklappbrücke im Hamburger Hafen (Bild 2), die Brücke bei Schwaig über die BAB A 3 bei Nürnberg (Bild 3) sowie die Sanierung der Schwarze-Elster-Brücke bei Neudeck im Land Brandenburg (Bild 4) nominiert.
Der Trumpf-Steg Ditzingen (Bild 5), die Stuttgarter Holzbrücke an der Birkelspitze in Weinstadt (Bild 6) und die Instandsetzung der König-Ludwig-Brücke in Kempten, Allgäu
(Bild 7) waren die Nominierten in der Kategorie
Fußgänger- und Radwegbrücken.
Alle nominierten Brücken wurden nach der ersten Sitzung durch die Mitglieder der Jury vor Ort besichtigt. Danach erfolgte in einer zweiten Jurysitzung die Ermittlung der Preisträger jeder Kategorie.
Der Präsident des Verbandes Beratender Ingenieure, Dipl.-Ing. Jörg Thiele, öffnete nach der Vorstellung der nominierten Brücken den verschlossenen Umschlag und gab den Sieger der ersten Kategorie bekannt: die Retheklappbrücke im Hamburger Hafen (Bild 2).
Die Jury lobte die grazile und elegante Ausführung der Klappbrücke als Ersatz der Rethehubbrücke über den Elbarm Rethe im Hamburger Hafen. Zudem wurde mit dem Bauwerk „ein neuartiger Schließmechanismus für beide Brückenflügel entwickelt, der europaweit einzigartig ist“ [2]. Auf diese Weise gelang eine innovative Konstruktion auf dem Gebiet des Stahlbrückenbaus und des Maschinenbaus. Das Bauwerk umfasst zwei getrennte Überbauten für den Straßen- und Eisenbahnverkehr. Für die herausragende Ingenieurleistung erhielt Herr Dipl.-Ing. Michael Borowski vom Ingenieurbüro Grassl in Hamburg als maßgeblich verantwortlicher Ingenieur den Deutschen Brückenbaupreis 2020.
Die Brücke bei Schwaig über die BAB A 3 bei Nürnberg sowie die Sanierung der Schwarze-Elster-Brücke bei Neudeck im Land Brandenburg erhielten jeweils eine Auszeichnung.
Der Präsident der Bundesingenieurkammer, Dr.-Ing. Heinrich Böhkamp, öffnete den nächsten Umschlag und verkündete den Sieger der zweiten Kategorie: den Trumpf-Steg Ditzingen (Bild 5). Für die Gestaltung und die Konstruktion des Bauwerkes verlieh die Jury gleich mehrfach Superlative: hochelegant, einzigartig und außergewöhnlich in Hinblick auf den Einsatz als auch die Verarbeitung des Materials. „Eine Edelstahlskulptur wie ein hingeworfenes Netz“, so die Jury, [3].
Das Tragwerk bildet dabei eine doppelt gekrümmte Schale, geschweißt aus lediglich 20 mm dicken, räumlich gekrümmten Edelstahlblechen, die durch eine Vielzahl von Öffnungen geprägt ist und dem Bauwerk dadurch Transparenz und Leichtigkeit verleiht. Interessant ist die Ausführung auch deshalb, weil die Herstellung der Öffnungen in der Schale dem Know-How des Auftraggebers, die Firma Trumpf (bekannt durch die Produktion von Werkzeugmaschinen und Lasertechnik), vorgenommen wurde. Die Brücke dient der optimalen Verbindung innerhalb des Werksgeländes dem Personal über eine stark befahrende Landstraße, die bisher nur mittels einer Lichtsignalanlage überquert werden konnte. Der verantwortliche Ingenieur Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich vom Ingenieurbüro schlaich bergermann partner in Stuttgart erhielt für diese Leistung den Deutschen Brückenbaupreis 2020 in der Kategorie Fuß- und Radwegbrücken.
Die Stuttgarter Holzbrücke an der Birkelspitze in Weinstadt und die Instandsetzung der König-Ludwig-Brücke in Kempten, Allgäu, wurden jeweils mit einer Auszeichnung bedacht.
Allen Preisträgern wird nochmals an dieser Stelle sehr herzlich gratuliert (Bild 8). Zugleich soll auch ein Dank an alle anderen Mitbewerber ausgesprochen werden, die mit ihren eingereichten Brückenbauentwürfen ebenso einen Beitrag zur Deutschen Brückenbaukultur geleistet haben.
Am folgenden Tag wurde das 30. Brückenbausymposium durch Prof. Dr.-Ing. Dr.- Ing. E.h. Manfred Curbach virtuell eröffnet. In seinem Vortrag gab er einen Rückblick auf die Entwicklung des Institutes für Massivbau an der TU Dresden und informierte zugleich über Personalveränderungen, denn bereits 2020 erfolgte die Berufung von Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx auf eine neu geschaffene DB Netz AG Stiftungsprofessur für Ingenieurbau. Er wird nach Ausscheiden von Professor Curbach dessen Nachfolge antreten.
Im Anschluss überbrachte der sächsische Staatsminister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt, die Glückwünsche in seinem Grußwort zum Jubiläum. Er selbst sei fasziniert, mit welchem Engagement Ingenieure sich für die Vielfalt von Brückenbauwerken, angefangen aus Ziegelsteinen bis hin zu modernen Baustoffen wie dem Carbonbeton, einsetzen.
Den nächsten Vortrag hielt MR Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur über die neue Erhaltungsstrategie des Bundes für Brücken der Bundesfernstraßen. Er wies u. a. darauf hin, dass eine Strategie, die sich u. a. dynamisch an den Verkehr anpasst und zugleich die Investitionskosten sowie die Nutzerkosten gesamtwirtschaftlich betrachtet, benötigt wird.
Im weiteren Verlauf des Symposiums wurden neuartige Baustoffe vorgestellt. Durch Verbesserung der Eigenschaften von faserverstärkten, zementgebundenen Baustoffen entstehen die sogenannten UHPC (Ultra-Hight Performence Concrete) Stoffe. Dieser Baustoff wird in der Schweiz als Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) bezeichnet und im Regelwerk definiert. Infolge seiner hohen Festigkeit und Dauerhaftigkeit ist der Stahl-UHBF für besonders stark beanspruchte Brücken geeignet.
Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx referierte in seinem Vortrag zum Thema „Historische Eisenbahnbrücken ‒ Denkmale im Netz“. Diese zu erhalten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Zusammenhang mit den nationalen und europäischen Zielen, das Netz der Bahnstrecken für die Verkehrswende auszubauen und zu erweitern, kommt den bestehenden historischen Brücken eine besondere Rolle zu, weil sie Teil des Netzes sind. Eine entwickelte „Arbeitshilfe zum Umgang mit historischen Eisenbahnbrücken“ soll eine Unterstützung bei der Planung und Ausführung von Baumaßnahmen an den in Rede stehenden Bauwerken bieten.
Dipl.-Ing. Werner Buhl gab mit seinem Vortrag einen beeindruckenden Rückblick zu 85 Jahre Autobahnbrückenbau und hob gleichzeitig hervor, „…, dass ein Großteil der Bauwerke aus der Zeit vor 1945 eine normative Nutzungsdauer von 70 bis 80 Jahren erreicht hatte.“ [4]. Zudem stellte er die berechtigte Frage, „Wo gibt es das noch in der heutigen Zeit?“ [5]?
Zum 30. Dresdner Brückenbausymposium wurde von Prof. Cengiz Dicleli der Brückenarchitekt der Nachkriegszeit Gerd Lohmer vorgestellt. Lohmer war es wichtig, die Gestaltung von Ingenieurbauwerken in den Vordergrund zu stellen. Dazu sollte die Zusammenarbeit von Ingenieuren und Architekten beitragen.
In den beiden weiteren Vorträgen wurden zwei Großbrückenmaßnahmen präsentiert: der Ersatzneubau der Rheinbrücke Leverkusen im Zuge des achtstreifigen Ausbaus der A 1 zwischen Köln und Leverkusen (Bild 9) und der Querverschub einer Verbundbrücke mit Pfeilern einschließlich Gründung bei der Talbrücke Rinsdorf im Zuge der A 45.
Beim erstgenannten Projekt wies Dipl.-Ing. (FH) Nicole Ritterbusch nicht nur auf den rasanten Zeitraum vom Beginn der Planung bis zu Herstellung des Baurechts hin, sondern auch auf die enorme Verantwortung der Verwaltung bei der Durchführung von Bauwerkskontrollen. Im Zuge einer solchen waren u. a. Risse durch Materialermüdung als Folge des stark gestiegenen Schwerverkehrsaufkommens in der Tragwerkskonstruktion der noch unter Verkehr befindlichen Rheinbrücke festgestellt worden, die den Ersatzneubau notwendig macht. Der deutliche Zuwachs des Schwerverkehrs war auch ein Grund dafür, den Ersatzneubau der Talbrücke Rinsdorf in Angriff zu nehmen. Dort soll ein neuer Schritt im Großbrückenbau 2022 mit dem Querverschub eines Überbaus samt Pfeilern und Fundamenten vollzogen werden.

Bild 8 Preisträger Dipl.-Ing. Michael Borowski und Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich (v.l.n.r) (Foto: Torsten George)
Abgerundet wurde das 30. Jubiläum mit Vorträgen zum erstmaligen Einsatz von interner verbundloser Vorspannung bei der DB AG beim Stuttgarter Tiefbahnhof S 21, zu den Ersatzneubauten von Brücken in Carbonbeton sowie zum Entwurf von integralen Brücken.
Alle Beiträge können im Tagungsband 2020 und in dem Ergänzungsband 2021 nachgelesen werden, die zum Preis von jeweils 10 Euro zzgl. Porto von der TU Dresden, Fakultät Bauingenieurwesen, Institut für Massivbau (dbbs@mailbox.tu-dresden.de), erhältlich sind.
Die digitale Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises und das anschließende Dresdner Brückenbausymposium waren ein großer Erfolg, auch wenn dieses Format keineswegs die persönlichen Kontakte, Begegnungen und den wissenschaftlichen Austausch in Gesprächen ersetzen kann. Andererseits wurde es in der anhaltenden Pandemie mit den einhergehenden Kontakteinschränkungen möglich, neue Impulse im Brückenbau vorzustellen und die Tradition der Veranstaltungen selbst fortzusetzen. Den Organisatoren, Auslobern, Teilnehmern, Ausstellern und Sponsoren bleibt daher die Hoffnung, dass bereits im nächsten Jahr wieder persönliche Begegnungen im Zuge des geplanten Brückenbausymposiums möglich sein werden.
Ganz gleich, ob Pandemiebekämpfung oder Bauwerksplanungen, Ingenieure sind eher an konstruktiven Lösungen interessiert und daher auch aufgeschlossen, wenn Veränderungen anstehen. „Kein Ding ohne Ing.“, ein Webeslogan der Bundesingenieurkammer, ist heute aktueller denn je.
Das 31. Dresdner Brückenbausymposium findet am 7. und 8. März 2022, die Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises am 13. März 2023 statt.
Quellennachweise:
[1] Deutscher Brückenbaupreis 2020, Broschüre, S. 21, BIngK, VBI
[2] Begründungstext der Jury, 2020
[3] Begründungstext der Jury, 2020
[4] Tagungsband 30. Dresdner Brückenbausymposium, S 98, TU Dresden
[5] Tagungsband 30. Dresdner Brückenbausymposium, S 98, TU Dresden