Mein Ausland
Wie war’s eigentlich in Vietnam?
Fünf Fragen an Dipl.-Ing. Anke Hano (Projektleiterin INROS LACKNER AG) über ihre Tätigkeit in Vietnam.
momentum
Bewässerungsanlagen für die vietnamesische Landwirtschaft – ist das nicht ein Projekt, für das man sich besonders gern einsetzt?
Hano
Ich freue mich sehr, dass mir die INROS LACKNER AG als international tätiges Unternehmen die Gelegenheit bietet, dieses Projekt zu leiten, bei dem es um die Ernährungssicherheit für die Region geht. Durch die Optimierung der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur soll der Ertrag der Reisfelder erhöht und damit letztendlich auch die Einkommenssituation der Landwirte verbessert werden. Als Projektsteuerer liegt für uns der Focus auf dem Management dieses Projektes. Es umfasst den Neubau von 8 und die Rehabilitation von 2 weiteren Pumpstationen, sowie den Neubau einer Universität mit 13.400 Studienplätzen für Wasserwirtschaftsingenieure.
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Wie ist es ihrem Büro gelungen, auf dem vietnamesischen Markt Fuß zu fassen?
Hano
Der Markteinstieg gelang über die Teilnahme an international ausgeschriebenen Wettbewerben der Vietnamesischen Regierung. Zusammen mit dem Hamburger Architekturbüro gmp – von Gerkan, Marg und Partner haben wir 2004 den Wettbewerb für das National Convention Center gewonnen. Auch die nachfolgenden Projekte, wie z. B. das Hanoi Museum, ein Ministerium und der Neubau des Vietnamesischen Parlaments, liefen über erfolgreiche Wettbewerbsteilnahme. Seit 2004 im Land aufgebaute, tragfähige Partnerschaften ermöglichten uns, an Ausschreibungen der Asiatischen Entwicklungsbank erfolgreich teilzunehmen. 2008 wurde dann eine lokale Tochtergesellschaft gegründet. Für mich ein Glücksfall, da mir meine Kollegen der INROS LACKNER LCC nun jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung stehen können. Ein herzlicher Dank geht auch an meine Kollegin Dr. Radegast, die das Projekt während der 6-monatigen Anlaufphase betreut und mir den Einstieg erheblich erleichtert hat.
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Vietnam und Deutschland haben beide eine Vereinigungsgeschichte? Spielt das im täglichen Zusammenleben eine Rolle?
Hano
Wenn man sagt, aus Deutschland zu kommen, führt das häufig zu der Nachfrage „Ost oder West?“. Auswirkungen auf Zusammenarbeit oder Miteinander hat das meines Erachtens nicht. Die Einflussfaktoren hierauf sind generell schwer einzuschätzen. Tagtäglich wird in verschiedensten Situationen deutlich, wie sehr ein jeder von uns geprägt ist von den Werten und Randbedingungen, mit denen er groß geworden und vertraut ist. Gesten und Verhaltensweisen kommen anders „rüber“ als im westlichen Kulturkreis. Dieses „anders“ zu spezifizieren und/oder Erklärungen dafür zu finden, braucht viel Zeit und ist wohl auch nicht immer möglich. Nichtsdestotrotz: Die Zusammenarbeit mit den lokalen Kollegen im Team ist mittlerweile so gut und weitgehend „normal“, dass ich manchmal vergesse, in Hanoi zu sein.
Wissenswertes zum vietnamesischen Bau-Arbeitsmarkt im Überblick
- erforderliche Papiere: Reisepass
- praktische Hinweise für Einreise und Alltag: Die Einreise nach Vietnam als Tourist ist problemlos, es besteht Visumspflicht (max. 3 Monate). Für ein längerfristiges Visum ist eine Arbeitserlaubnis erforderlich. Diese zu erhalten ist ein langwieriger Prozess. Eine notariell bestätigte Übersetzung eines polizeilichen Führungszeugnisses nebst Original ist vorzulegen. Darüber hinaus hat sich der Antragsteller einem Gesundheitstest zu unterziehen.
- offene Stellen in welchen Bereichen : Die Förderung von Infrastrukturmaßnahmen ist rückläufig, der Fokus liegt jetzt mehr auf den Sektoren Gesundheit, Bildung und erneuerbare Energien.
- Steuern : Es besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, die Höhe der Steuern in Vietnam ist vergleichbar mit denen in Deutschland.
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Projektplanung und Kommunikation – gibt es da für Sie auffällige Unterschiede zu Deutschland?
Hano
Die sprachliche Verständigung ist ein wichtiger Aspekt. Unser Projektteam besteht derzeit aus 5 vietnamesischen Kollegen und mir. Je nach Projektphase werden zusätzliche nationale oder internationale Experten temporär eingebunden. Die englische Verständigung im Team klappt reibungslos. Besprechungen in der Provinz werden auf vientamesisch gehalten. Dafür haben wir eine Übersetzerin im Team, dennoch wird die Einschätzung von Problemsituationen, Konfliktpotential oder Termin- und Kostenrisiken erschwert, da man selbst den Diskussionsverlauf nicht im Detail verfolgen kann. Eine interessante Kommunikationserfahrung.
Außerdem gelten andere Kommunikationsregeln. Kurze, prägnante Darstellungen oder Festlegungen sind nicht üblich, Sachverhalte werden intensiv diskutiert, dabei geht es in der Regel deutlich lauter zu, als bei uns.
Die übergeordnete Projektplanung hat – wohl auch wegen einer anderen Projektstruktur – einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Der Auftraggeber, bzw. die dem Landwirtschaftsministerium unterstellten Provinzverwaltungen sind deutlich intensiver in die Details eingebunden, als dies in Deutschland üblich ist. Die Terminplanung mit Darstellung „kritischer Pfade“ und langfristiges Ressourcenmanagement erfolgt durch die Projektsteuerung.
momentum
Was würden Sie jedem deutschen Planer für sein erstes Projekt in Vietnam raten?
Hano
Geduld, Toleranz und Respekt. Die Ziele einer Planung sind in beiden Ländern die gleichen, der Weg zum Werkerfolg kann deutlich anders sein. Darauf muss man sich einlassen können. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, sich zunächst selbst zurückzunehmen, zuzuhören und differenzieren zu lernen. Im fremden Kontext ist die Gefahr unangebrachter Verallgemeinerungen groß. Die Herausforderung besteht in der Gratwanderung, den eigenen Qualitätsstandard zu wahren, gemeinsame und eigene Ziele immer wieder zu fokussieren und den Weg zu überprüfen, erforderlichenfalls auch anzupassen.
Auf ein Wort
Schlaglichter Hanoi:
• Hanoi gleicht einem lebendig gewordenen Wimmelbilderbuch. Die Fahrt ins Büro ist das allmorgendliche erste Highlight des Tages. Da wird auf der Straße gekocht, gefrühstückt, Frühsport betrieben, Haare werden geschnitten, Fische gesäubert, Hackfleisch zubereitet und vieles mehr.
• Die Vietnamische Sprache benutzt die lateinischen Buchstaben mit einigen Erweiterungen in Form von Akzenten und zusätzlichen Buchstaben.
• Die Tagesdurchschnittstemperatur Anfang Januar liegt bei ungemütlichen 10° C. Geheizt wird, wenn überhaupt, nur über die Klimaanlage. Es ist üblich, dass während der kalten Jahreszeit in dicker Jacke und dickem Schal im Büro gearbeitet wird.
• Es gibt keine ausländischen Zeitungen zu kaufen, online sind alle Zeitungen zu lesen. Beschränkungen im Internet habe ich nicht erlebt.
• Westliche Lebensmittel aller Art sind in Hanoi zu bekommen, von Leberwurst über Müsli bis zu den einschlägigen deutschen und schweizerischen Markenschokoladen einschließlich Lübecker Marzipan. Chips gibt es in der Geschmacksrichtung „Seegras“. Statt Frühstücksbrötchen gibt es Klebreis mit Röstzwiebeln in ein Bananenblatt gewickelt.
• Haupttransportmittel ist das Moped mit dem spielend fünfköpfige Familien, Schrankwände und mehrere 20 l-Kanister Wasser transportiert werden können.
• Bemerkenswert ist der Erfindungsreichtum, sei es, dass eine Konservendose auch schon mal mit Hammer und Messer geöffnet werden kann, ein Fahrrad-Pannendienst, der bei Pannen per Handy gerufen werden kann oder das Moped-Tuning, das Sattelbezüge parat hält, die dank einer Netzoberfläche auch bei Regen trockenen Sitzkomfort garantieren.
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