Historie
Zum 150. Geburtstag von Iwan Grigorjewitsch Bubnow (1872-1919)

Bubnow (links) mit seinem Vorgänger Krylow (rechts) (Bildquelle: Prof. Gleb Mikhailov, Moskau) (Foto: Archiv Kurrer)
Bubnow wurde am 18.1.1872 in Nischni Nowgorod/Rußland als Sproß einer Kaufmannsfamilie geboren. Nach der Realschule trat Bubnow in die Technische Marineschule Kronstadt ein, die er 1891 erfolgreich abschloß. 1896 absolvierte Bubnow als Schiffbauingenieur die Nikolajew Marineakademie in St. Petersburg, wo er später zum Honorarprofessor (1910) ernannt werden sollte.
Doch zunächst sammelte er praktische Erfahrungen in der Admiralitätswerft in St. Petersburg und arbeitete auf dem Schlachtschiff Poltava. 1900 avancierte Bubnow zum ersten Assistenten von Alexei Nikolajewitsch Krylow (1863-1945) und wurde ein Jahr später vom Marineministerium zum Leiter einer dreiköpfigen Kommission (die beiden anderen Mitglieder waren die Kapitänleutnants Michail Nikolajewitsch Beklemitschew und Iwan Semjonowitsch Gorjunow) ernannt, die den Auftrag hatte, das erste russische U-Boot mit Verbrennungsmotor zu entwerfen, das von den Baltischen Werften (St. Petersburg) gebaut, 1902 vom Stapel ging und 1903 von der Kriegsmarine unter dem Namen Delfin in den Dienst gestellt wurde.
Von 1903 bis 1913 unterrichtete Bubnow an der 1902 eröffneten Schiffbaufakultät des Polytechnischen Institut St. Petersburg die Fächer Statik, Schiffbau sowie Elastizitäts- und Festigkeitslehre – seit 1909 als ordentlicher Professor. Einer seiner Hörer war Stepan P. Timoshenko (1878-1972), der in seinen„Erinnerungen folgendes schrieb: „Außerdem hörte ich in Fortsetzung des Herbstsemesters 1904 den Kurs Elastizitätstheorie, der im Polytechnikum von Professor Iwan Grigorewitsch Bubnow gelesen wurde. Bubnow trug sehr klar vor, aber viel zu langsam (…)“ (S. 89). Als Timoshenko bei Bubnow den genannten Kurs belegte war der russisch-japanische Krieg im Fernen Osten bereits im Gange. Dieser Krieg (1904-1905) endete mit einer Niederlage des zaristischen Rußlands, das schwere Verluste seiner Kriegsflotte hinnehmen mußte. Jene Ereignisse lösten u.a. mit dem St. Petersburger Blutsonntag am 22.1.1905 die erste russische Revolution aus, die im Anschluß das zaristische Regime zu zaghaften Reformen veranlaßte, aber weniger zaghafte Maßnahmen zum Wiederaufbau seiner Kriegsflotte auslöste, um den Flottenbauprogrammen der imperialistischen Konkurrenz aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan Paroli zu bieten. So sammelte eine Regierungskommission binnen fünf Jahren 17 Mio. Rubel von privaten Spendern. Damit und erheblichen Finanzmittel des Staates konnte auch die Schiffbauforschung – personalisiert durch das Trio A. N. Krylow, Nikolai Nikolajewitsch Kuteinikow und I. G. Bubnow – vorangetrieben werden. Einen wesentlichen Anteil an der Schiffbauforschung kam der Theorie der Schiffsfestigkeit zu – hierzu steuerte Bubnow bahnbrechende Arbeiten bei, die auch andere Ingenieurgebiete wie etwa den Konstruktiven Ingenieurbau tief beeinflußten.
Die Theorie elastischer Platten bilden bei der Analyse der Schiffsfestigkeit eine wichtige Grundlage. Um ein Problem der Theorie elastischer Platten zu lösen formulierte Bubnow 1911 jene allgemeine Variationsmethode, welche insbesondere in den nichtrussischen Ländern als Galerkin-Methode bezeichnet wird und eine große Bedeutung in der Mechanik im Allgemeinen und der Baumechanik im Besonderen erlangen sollte. Bubnow publizierte seine Methode im 1913 erschienenen Sammelband des St. Petersburger Institutes für Verkehrswegebau, eine Methode, die Eduard Iwanowitsch Grigoljuk (1923-2005) 1996 Metod Bubnova (Bubnow-Methode) nannte (Grigoljuk 1996). Seine Vorlesungen über Elastizitätstheorie veröffentlichte Bubnow 1908; 1909 folgten die Nachträge zur Strukturmechanik der Schiffe (Schiffbaumechanik) und 1912 und 1914 die beiden Bände über denselben Gegenstand. Zu Bubnows Schüler zählte u.a. der Schiffbauingenieur Pjotr Fjodorowitsch Papkowitsch (1887-1946), der Bubnows Werk nach 1916 erfolgreich fortsetzte.
Neben seinen Hochschulämtern beteiligte sich Bubnow weiterhin am Flottenbauprogramm des zaristischen Rußlands. So leitete er in den Jahren 1908 bis 1914 als Nachfolger von Alexei Nikolajewitsch Krylow die Schiffbauversuchsanstalt der Marine. Darüber hinaus beriet er die Baltische Werften (St. Petersburg) und Nobel & Lessner (Reval bzw. Tallinn).
1912 erfolgte Bubnows Beförderung zum Generalmajor. Für seine Verdienste erhielt er mehrere Orden der zaristischen Regierung; 1993 ehrte ihn die russische Post mit einer Briefmarke.
Wie viele exponierte Vertreter des russischen Bürgertums war Bubnow Anhänger der Februarrevolution 1917. Seit der Oktoberrevolution 1917 verlagerte Bubnow den Schwerpunkt seiner Arbeit: Nach Abschluß des Friedensvertrags von Brest-Litowsk (Unterzeichnung am 3.3.1918) zwischen den Mittelmächten und Sowjetrußland stoppte Sowjetrußland das Flottenbauprogramm noch im selben Jahr. Gleichwohl beteiligte sich Bubnow aktiv an der im März 1918 in Petrograd gegründeten Gesellschaft für Schiffbauingenieure. Als prägender Wissenschaftler der maritimen Kriegsrüstung wurde Bubnow in Haft genommen und mußte mehrere Monate in einem Arbeitslager bei Nowgorod verbringen. Nach seiner Freilassung, die er einer Kette von Zufällen verdankte (Ermolaeva 1999) engagierte sich Bubnow weiter: So wurde er Anfang 1919 zum ersten Vorsitzenden der Allrussischen Union der Schiffbauingenieure gewählt und beriet den Obersten Wirtschaftsrat in Moskau. Nach Rückkehr von einer Geschäftsreise erkrankte Bubnow und starb am 13.3.1919 in einem Krankenhaus in St. Petersburg (Petrograd) an Typhus. Seine letzte Ruhestätte fand Bubnow auf dem Smolensker Friedhof in Petrograd.
Wiktor Lwowitsch Kirpitschow (1845-1913), Krylow und Bubnow begründeten in den Jahren nach 1900 die St. Petersburger Schule der Strukturmechanik und verhalfen ihr zu internationalem Ansehen.
Wesentliche Beiträge zur Strukturmechanik:
Otzyv o sochinenii professora Timoshenko „Ob ustoichivosti uprugikh sistem“, udostoennom premii D. I. Zhuravskogo (Gutachten über Professor Timoshenkos Werk „Über Stabilität der elastischen Systeme“, das mit dem D. I. Zhuravskys-Preis ausgezeichnet wurde) (1913)
Stroitel’naya mekhanika korablya (Schiffsbaumechanik) (1912-1914)
Trudy po teorii plastin (Werke über die Plattentheorie) (1953)
Izbrannye trudy (Ausgewählte Werke) (1956)
Zum Weiterlesen:
Kurrer, Karl-Eugen: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Berlin: Ernst & Sohn 2018.
https://www.ernst-und-sohn.de/the-history-of-the-theory-of-structures
Timoshenko St. P: Erinnerungen. Stepan P. Timoshenko. Eine Biographie. Übers. a. d. Russ. v. Albert Duda. Berlin: Ernst & Sohn 2006.
Grigoljuk, E. I.: Metod Bubnova: Istoki, formulirovka, razvitie (Bubnovs Methode: Quellen, Formulierung, Entwicklung). Moskau: Institut für Mechanik der Moskauer Universität 1996 (Russisch).
Ermolaeva, N. S.: On the so-called Leningrad Mathematical Front in: Proc. of the St. Petersburg Mathematical Society V, American Mathematical Society Translations, Series 2, Vol. 193. Providence (Rhode Island): AMS Bookstore 1999.