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Zum 150. Todestag von Dennis Hart Mahan

Mahan, Dennis Hart, *2.4.1802 New York City/USA, †16.9.1871 bei Stony Point (New York)/USA

Mahan, Dennis Hart, *2.4.1802 New York City/USA, †16.9.1871 bei Stony Point (New York)/USA (Kurrer, 2018, S. 1027)

Der am 2.4.1802 in New York City/USA geborene Dennis Hart Mahan verbrachte seine Jugend in Norfolk (Virginia), studierte in West Point, war dort Klassenbester und absolvierte im Jahre 1824. Nach zweijähriger Dozententätigkeit auf dem Gebiet der Mathematik in West Point wurde Mahan vom Kriegsministerium auf eine dreijährige Studienreise nach Frankreich entsandt, um dort das Staatsbauwesen und militärische Einrichtungen kennenzulernen. Mit Unterstützung der französischen Regierung verbrachte Mahan mehr als ein Jahr an der École d’application de l’Artillerie et du Génie in Metz. Dort lehrte und forschte mit Jean-Victor Poncelet (1788-1867) eine herausragende Ingenieurpersönlichkeit, welche Wissenschaft und Technik zur Technischen Mechanik synthetisierte. In Paris war Mahan regelmäßig Gast des legendären französischen Generals und liberalen Politikers La Fayette (1757-1834). 1830 kehrte Mahan nach West Point zurück wurde vom Ingenieurkorps freigestellt, um vorerst interimistisch als Professor zu wirken, und schließlich 1832 die Professur für Bau- und Militäringenieurwesen ständig zu übernehmen, die er bis zu seinem Tode bekleidete.
Wie kein anderer seiner Zeit prägte Mahan durch seine Lehre und Bücher das Selbstverständnis des US-amerikanischen Bauingenieurs bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts, das von den riesigen Aufgaben der Binnenkolonisierung durch einen militärisch akzentuierten Infrastrukturbau bestimmt wurde. In gewisser Weise adaptierte das Ingenieurkorps der US-Armee und West Point Sébastian Vaubans (1633-1707) Corps des Ingénieurs militaires und die sich im 18. Jahrhundert in Frankreich herausbildenden Ingenieurschulen auf höherer Stufe. So veröffentlichte Mahan nicht nur das erste US-amerikanische Buch über Fortifikation (1836), sondern auch das erste US-amerikanische Bauingenieurbuch, das sich in erster Linie an die Kadetten der Militärakademie wandte (1837), später aber zum Standardwerk des US-amerikanischen Bauingenieurs avancierte. Dort gab Mahan zahlreiche Rechenbeispiele aus Claude-Louis-Marie-Henri Naviers (1785-1836) Résumé des Leçons… (1826) an. In seiner Einleitung empfiehlt Mahan: (…) the best counsel that the author could give to every young engineer, is to place in his library every work of science to which M. Navier’s name is in any way attached [Mahan, 1837]. 1856 gab Mahan die 1843 in London publizierte Monographie The mechanical principles of engineering and architecture von Henry Moseley (1801-1872) neu heraus und bereicherte sie durch zahlreiche originelle Ideen; in Deutschland rezipierte Hermann Scheffler (1820-1903) etwa zur selben Zeit Moseleys mechanical principles auf schöpferische Weise (1857). So implantierte Mahan die Baustatik Naviers und Moseleys in den Wissenskanon der US-amerikanischen Bauingenieure.
Mahans Beitrag zur Entwicklung der Grundlagen des Bauingenieurwesens seines Heimatlandes steht historisch am Übergang von der Konstituierungsphase der Baustatik (1825-1850) zu ihrer Etablierungsphase (1850-1875). Er starb am 16.9.1871 bei Stony Point (New York)/USA.

Wesentliche Beiträge:
An elementary course of civil engineering (1837)
A treatise on fortification drawing and stereotomy (1865)
Descriptve geometry, as applied to the drawing of fortification and stereotomy (1870)
A treatise on civil engineering (1878)

Zum Weiterlesen:
Kurrer, Karl-Eugen: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Berlin: Ernst & Sohn 2018.

Leserkommentare

  1. Werner Lorenz | 17. September 2021

    Lieber Karl-Eugen,

    Dank für den interessanten Kurzeinblick in das US-amerikanische BI-Wesen. Ich frage mich allerdings, ob man die “riesigen Aufgaben der Binnenkolonisierung durch einen militärisch akzentuierten Infrastrukturbau” heute noch unkommentiert einfach so für sich stehen lassen kann – war diese “zivilisatorische Leistung” doch wie unendlich viele andere ein Feld, auf dem wir Bauingenieure hochengagiert die Zerstörung traditioneller Kulturen bis hin zur physischen Vernichtung befördert haben. Best – Werner Lorenz.

  2. Kurrer Karl-Eugen | 21. September 2021

    Lieber Werner,

    vielen Dank für Deine kritischen Worte. Deiner grundsätzlichen zivilisationskritischen Bemerkung stimme ich zu. Ich bin davon ausgegangen, dass “Binnenkolonisierung” fast immer mit Landnahme (z.B. Claims abstecken) und der Zerstörung traditioneller Kulturen verbunden ist und deshalb keiner speziellen Kommentierung bedarf. Beispiele hierfür gibt es mehr als genug. Die erste Frage ist doch, welche (tragfähigen) Einsatzpunkte auf dem Gebiet der Bautechnikgeschichte existieren. Das läuft m.E. darauf hinaus, dass Bautechnikgeschichte auch als Geschichte der Produktivkraft der Arbeit begriffen wird. Deine Überlegungen zur Konstruktionssprache und deren Weiterführung sind m.E. ein solcher Einsatzpunkt, da sie die Chance bieten, die Dialektik von Produkt und Prozess beim Bauen tiefer zu bestimmen. Auch unsere Vortragsreihe “Die Baustelle als Innovationspool” ging ja in diese Richtung. Leider entstammt die Überlieferung in erster Linie der “Hand” der herrschenden Eliten oder ihr nahestehenden gesellschaftlichen Schichten. Es ist daher geradezu eine wiss. Kärrnerarbeit Schicht für Schicht freizulegen, um den Anteil der Arbeit bei der Entstehung der auf uns gekommenen Bauwerke zu bestimmen. Gleichwohl müssen wir uns immer fragen: Wofür arbeiten wir eigentlich ?

    Herzliche Grüße
    Karl-Eugen

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Datum 16. September 2021
Autor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karl-Eugen Kurrer
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