Vermischtes
Zum 225. Geburtstag von Gotthilf Hagen
Hagen, Gotthilf Heinrich Ludwig, *3.3.1797 Königsberg/Preußen (heute Rußland), †3.2.1884 Berlin/Deutsches Reich
Der Lebensweg des am 3.3.1797 als Sproß einer Königsberger Gelehrtenfamilie geborenen Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen (Bild 1) ist geprägt durch die Förderung der Naturwissenschaften an der Universität Königsberg im Rahmen der Humboldtschen Bildungsreform: Nach der 1816 abgelegten Schulprüfung am Collegium Fridericianum Königsberg bezog Hagen die Universität seiner Geburtsstadt, wo seine mathematischen und astronomischen Studien von Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) gefördert wurden. Trotz eines Angebots von Bessel wechselte er 1818 zum Baufach, legte ein Jahr später bei der Oberbaudeputation die Feldmesserprüfung ab und bestand 1822 an der Berliner Bauakademie die Baumeisterprüfung bei Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) in den Fächern Land- und Hochbau und bei August Crelle (1780-1855) in den Fächern Wasser-, Straßen- und Maschinenbau) – und zwar „mit vorzüglicher Befähigung zur Anstellung als Baumeister“. Zur Vorbereitung der Baumeisterprüfung studierte Hagen die Werke von David Gilly (1748-1808) und Johann Albert Eytelwein (1764-1848); insbesondere setzte er sich mit Eytelweins „Handbuch der Mechanik fester Körper und der Hydraulik“ und „Handbuch der Hydraulik“ in kritischer Würdigung auseinander.
Nach einer wasserbautechnischen Studienreise, die ihn 1823/24 nach Nord- und Westdeutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und der Schweiz führte trat er in den preußischen Staatsdienst ein und avancierte zum führenden und hochdekorierten Bauingenieur Preußens:
– 1824-1825: Baukondukteur bei der Regierung in Königsberg
– 1826-1830: Hafenbauinspektor in Pillau, wo er im Auftrag der Königsberger Kaufmannschaft wirkte
– 1831: Oberbaurat und Mitglied der Oberbaudeputation
– 1832: Mitglied des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen
– 1832: Lehrer für Wasser-, Brücken- und Straßenbau an der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule
– 1834-1849: Vertretung des Wasserbaus an der Bauakademie
– 1837: Geheimer Oberbaurat
– 1842: Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin
– 1843: Ehrendoktorwürde der Universität Bonn
– 1847: Mitglied des Vereins für Eisenbahnkunde zu Berlin (1848-1868: Vorsitzender)
– 1850: Vortragender Rat (für Wasserbauangelegenheiten) im preuß. Handelsministerium
– 1857: Promotion an der Universität Bonn mit der Dissertation „Über Flut und Ebbe in der Ostsee“
– 1859: Vorsitzender der Oberbaudeputation und Oberlandesbaudirektor
– 1867: Ehrenmitglied des Koninklijk Instituut van Ingenieurs, Den Haag
– 1869: Verleihung des Sterns zum Roten-Adler-Orden
– 1875: Ruhestand
– 1883: Goldmedaille der 1880 gegründeten Preuß. Akademie des Bauwesens „für außerordentliche Verdienste um das Bauwesen“

Titelseite der Erstausgabe des „Handbuch der Wasserbaukunst“, 1841 (nach 1851 erschien das Werk bei Ernst & Korn)
Die Ergebnisse seiner Studienreise publizierte Hagen 1826 in seinem Buch „Beschreibung neuerer Wasserbauwerke in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz“, welches ihm alsbald Anerkennung in der Fachwelt einbrachte.
Als Oberlandesbaudirektor im Dezernat Wasserbau des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten oblag Hagen u. a. die Überprüfung der großen Wasser- und Hafenbauten Preußens und anderer deutschsprachiger Staaten. Opus Magnum Hagens wissenschaftlicher Tätigkeit war sein 1841-1881 in drei Auflagen publiziertes vielbändiges „Handbuch der Wasserbaukunst“ (Bild 2), das als Enzyklopädie des Wasserbaus des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden kann. Darüber hinaus veröffentlichte Hagen über 30 wissenschaftliche Arbeiten unter denen
– seine „Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung“ (1837, 1867 u. 1882),
– sein Buch „Über die Form und Stärke der gewölbten Bogen (1844, 1862) (Bild 3) und
– sein Akademiebericht „Über die Bewegung des Wassers in zylindrischen nahezu horizontalen Leitungen“ (1869)
herausragen. In der letztgenannten Veröffentlichung geht es um die laminare stationäre Strömung in kreiszylindrischen Rohren, die seit 1925 in der Hydromechanik den Namen „Hagen-Poiseuille-Gesetz“ trägt – eine Formel, die der französische Wissenschaftler Jean Léonard Marie Poiseuille (1797-1869) 1841 auf experimentellem Wege fand und 1840 und 1846 publizierte. Unabhängig von Poiseuille gelangte Hagen schon 1839 durch Versuche zum selben Resultat. Seine wichtigsten Werke publizierte Hagen im 1851 gegründeten Berliner Verlag von Ernst & Korn (heute: Ernst & Sohn).
Am 3.2.1884 schloss Hagen in Berlin für immer die Augen: Er wurde auf dem Invalidenfriedhof in Berlin beerdigt.
Nach seinem Tode wurde Hagens Dezernat von seinem Sohn Ludwig (1829-1892) übernommen. Unbestritten kann Gotthilf Hagen als bedeutendster deutschsprachiger Vertreter des Wasserbaus in dessen Disziplinbildungsperiode (1825-1900) gelten.
Zum Weiterlesen:
NN: Gottfried Heinrich Ludwig Hagen, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 4 (1884), Nr. 6, S. 51-53.
Peter Wallé: Aus der Geschichte der Technischen Hochschule Berlin, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 19 (1899), Nr. 27, S. 157-160, Nr. 29, S. 170-172, Nr. 33, S. 197-199, Nr. 39, S. 236-238, Nr. 42, S. 253-254, Nr. 47, S. 281-282 u. Nr. 49, S. 294-296.
Ernst Ottmann: Gotthilf Hagen: der Altmeister der Wasserbaukunst. Berlin: Wilhelm Ernst & Sohn 1934.
Hans-Joachim Uhlemann: Gotthilf Hagen (1797-1884), in: DWhG-Mitteilungen Nr. 14/April 2009, Anhang, S. 1-32.