Bauwerksgeburtstag
100 Jahre Alte Synagoge Essen
Als der Architekt Edmund Körner (1874-1940) 1911 den Auftrag bekam, für die jüdische Gemeinde in Essen eine neue Synagoge zu bauen, sollte der Neubau in gewisser Weise auch die Integration und Anerkennung der Juden im Deutschen Reich zu der Zeit ausdrücken. Bei ihrer Einweihung am 25. September 1913 war sie eines der größten und beeindruckendsten jüdischen Gotteshäuser in Deutschland. In der Essener Innenstadt und damit sehr zentral gelegen, fällt der 37 Meter hohe Kuppelbau noch heute sofort ins Auge und der Fassade sieht man ihre bewegte Geschichte nicht wirklich an. Bis heute handelt es sich um den größten freistehenden Synagogenbau nördlich der Alpen. Der Hauptraum des 70 Meter langen Bauwerks konnte 1500 Personen fassen.

Alte Synagoge Essen - Inneres nach Osten (1913) (Grafik: Edmund Körner; aus Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland)
Nur 25 Jahre lang diente sie jedoch als Synagoge für die zu jener Zeit 4500 Mitglieder zählende Gemeinde. In den Novemberprogromen 1938 wurde das Innere des Gebäudes in Brand gesetzt und stark beschädigt. Die Nationalsozialisten wollten den Bau abreißen, aber der Stahlbetonbau erwies sich als widerstandsfähig. Glücklicherweise war auch eine Sprengung aufgrund der umliegenden anderen Bauten nicht möglich. Äußerlich blieb die Synagoge daher fast unversehrt. Auch während des Zweiten Weltkrieges entstanden keine weiteren großen Schäden, während die Essener Innenstadt in Schutt und Asche gelegt wurde. Vom 26. Oktober 1941 bis September 1944 waren jedoch mehr als die Hälfte der Gemeindemitglieder in Ghettos und Konzentrationslager verschleppt worden.
Nach dem Krieg wurde bereits im Mai 1945 durch die Überlebenden eine neue Gemeinde gegründet. Die Mitglieder nutzen die Synagoge jedoch nicht. Diese blieb jahrelang als ungenutzte Ruine am Rande der Essener Innenstadt stehen. Das ehemalige Rabbinerhaus diente allerdings als Zentrum der Gemeinde, auch wenn es in den Progromen das gleiche Schicksal erlitten hatte wie das Hauptgebäude. 1959 zog die Gemeinde jedoch in die neue Synagoge um, die auf dem Gelände des ehemaligen jüdischen Jugendheimes an der Sedanstraße errichtet worden war und noch heute genutzt wird. Das daraufhin “Alte Synagoge” genannte Gebäude wurde an die Stadt Essen verkauft. Diese machte 1961 daraus das “Haus Industrieform”, ein Museum für Industriedesign. Das Innere wurde zeitgenössisch zweckmäßig renoviert. Nichts erinnerte mehr an den ursprünglichen Innenraum. 1979 verursachte ein Kurzschluss einen Brand, der die Ausstellung beschädigte. Die Stadt nahm dies zum Anlass, die jüdischen Wurzeln des Gebäudes wieder hervorheben zu lassen und die Institution “Alte Synagoge” einzurichten. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützte 1986 bis 1988 den Umbau und die Rekonstruktion der früheren synagogalen Elemente.
2008 beschloss die Stadt, das Gebäude abermals umzubauen, um aus der Alten Synagoge eine offene Begegnungsstätte und politisches Dokumentationsforum, aber vor allem zu einem Haus jüdischer Kultur zu machen. Seit Juli 2010 gewähren die fünf Bereiche der Daueraustellung Einblick in das jüdische Leben, die Traditionen des Judentums und die Geschichte der Gemeinde. Das Haus wird regelmäßig für Veranstaltungen genutzt, die kultureller wie politischer Natur sind. Und noch heute hebt sich das Gebäude von den umgebenden Bauten durch einen in der Stadt eher einzigartigen Baustil ab.