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Historie

100 Jahre Havel-Oder-Wasserstraße

Eine leistungsfähige Infrastruktur war in der Vergangenheit und ist in der Gegenwart und Zukunft die Voraussetzung und der Garant für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region, eines Landes oder eines Kontinentes. So ist es folgerichtig, dass bereits (oder erst?) im 16. Jahrhundert erste Überlegungen einer Wasserstraßenverbindung zwischen Havel und Oder als Verkehrsweg für den Gütertransport aufkamen.

In mehreren Etappen – unterbrochen durch Kriege und wirtschaftliche Katastrophen – wurden diese Überlegungen über den Bau des ersten und zweiten Finowkanals und letztlich des Großschifffahrtsweges Berlin – Stettin praktisch verwirklicht.

Am 17.Juni 2014 wurde das 100-jährige Bestehen dieses Schifffahrtsweges begangen, der auch unter dem Namen Hohenzollernkanal bekannt ist, heutzutage aber als Havel-Oder-Wasserstraße (HOW) bezeichnet wird. Im Folgenden sollen die wichtigsten Stationen und Bauwerke dieser Wasserstraße skizziert und gewürdigt werden.


Eröffnung des Großschifffahrtsweges durch Kaiser Wilhelm II. am 17.6.1914

Eröffnung des Großschifffahrtsweges durch Kaiser Wilhelm II. am 17.6.1914 (Foto: Bildarchiv WSA Eberswalde)

Veranlassung und Planungsgrundlagen

Weil der im Jahre 1746 in Betrieb genommene Finowkanal bereits zum Ende des 19.Jahrhunderts seine Leistungsgrenzen erreicht hatte, wurde mit dem preußischen Wasserstraßengesetz vom 1.April 1905 von Kaiser Wilhelm II. unter anderem die Herstellung eines neuen Großschifffahrtsweges von Berlin nach Stettin angeordnet.

Dem war eine jahrzehntelange intensive Diskussion um die Trasse einer Wasserstraßenverbindung von Berlin zur Ostsee vorangegangen. Die Frage, ob „Ostlinie“ (unter teilweiser Nutzung der Spree und der alten Oder in Richtung Küstrin) oder „Westlinie“ (über Havel und parallel zum Finowkanal zur Oder bei Hohensaaten)des neuen Wasserweges wurde 1904 in der Vorlage einer Denkschrift an den preußischen Landtag mit der Empfehlung für die Westlinie entschieden.

Verlauf und Längsschnitt der Havel-Oder –Wasserstraße

Verlauf und Längsschnitt der Havel-Oder –Wasserstraße (Foto: Bildarchiv WSA Eberswalde)

Die Linienführung entwickelte sich demnach von Berlin-Plötzensee unter Nutzung der Havel bis nach Lehnitz (Havelhaltung) und von dort unter Einbeziehung eines Teilstückes des bestehenden Malzer-Kanals und eines wesentlichen neu zu errichtenden Kanalabschnittes bis nach Niederfinow. Über Reste der Alten Oder (Oderhaltung) wird bei Hohensaaten die Stromoder erreicht. Ab hier konnte die Schifffahrt die Stromoder (heute Grenzoder zu Polen) nutzen oder über die parallel dazu verlaufende Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße (HFW) die Westoder unterhalb Friedrichsthal erreichen.

Längsprofil des Finowkanals und des Großschiffahrtsweges Berlin-Stettin (Hohenzollernlanal)

Längsprofil des Finowkanals und des Großschiffahrtsweges Berlin-Stettin (Hohenzollernlanal) (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Diese Trasse der künftigen, rd. 135 km langen Wasserstraße beinhaltet lediglich vier Gefällestufen (Berlin-Spandau/Plötzensee, Lehnitz, Niederfinow und Hohensaaten). Eine weitere Stufe entstand mit der Schaffung einer Querverbindung von der HFW zur Oder bei der Stadt Schwedt (Schwedter Querfahrt). Die Minimierung der ehemals 19 Staustufen des Finowkanal auf nunmehr vier bzw. fünf bedeutete für die Schifffahrt eine wesentliche und wirtschaftlich zu Buche schlagende Verbesserung.

 

Querschnitte der neuen Wasserstraße

Querschnitte der neuen Wasserstraße (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Als wichtigste Planungsgrundlagen für das Gewässerbett wurden festgelegt:

  • Bemessung der Wasserstraße für 600-Tonnen-Schiffe mit 65 m Länge, 8 m Breite und 1,75 m Tiefgang
  • Normalquerschnitt mit 33,0 m Wasserspiegelbreite und 3,0 m Wassertiefe in Profilmitte
  • Schrägufer mit Böschungen 1:3 ( in Havel und Malzer Kanal 1:4 bis 1:5) mit Steinschüttung bis 1 m unter Wasserspiegel
  • auf seenartiger Havelstrecke oberhalb Spandau und der Oderhaltung Sohlenbreite von 30,0 m und Wassertiefe von 2,4 bis 2,5 m
  • 22 km Dichtungsstrecke im Einschnitt mit 30 bis 80 cm Tondichtung mit Schutzschicht aus Kiessand (40 cm an der Sohle, 50 cm an den Böschungen)

An neuen Bauwerken waren zu errichten:

  • Schleusenbauwerke in: Spandau, Plötzensee, Lehnitz, Niederfinow, Hohensaaten, Schwedt
  • 3 Sicherheitstore in: Pechteich, Lichterfelde, Eberswalde (ein viertes Tor kam in Niederfinow im Zusammenhang mit dem Bau des Schiffshebewerkes hinzu)
  • Weiterhin: Umbau der Schleusen Malz im Malzer Kanal zu Wehranlagen, Entlastungsbauwerk (Heberanlage) Mäckersee, Bahnunterführung (Kanalbrücke) Eberswalde, Ragöser Damm mit rd. 28 m Höhe, Errichtung von 35 Brücken zur Querung der Wasserstraße, ab 1927 Beginn der Errichtung des Schiffshebewerkes Niederfinow.

 

 

Organisation der Baudurchführung

Mit königlicher Verordnung von 1906 wurde für die Herstellung des Großschifffahrtsweges ein königliches Hauptbauamt mit Sitz in Potsdam eingerichtet. Diesem waren für die örtliche Baudurchführung die Bauämter mit Sitz in Berlin, Oranienburg, Eberswalde und Oderberg zugeordnet. Gesonderte Streckenbauleitungen waren für die Bauleitung in einzelnen Abschnitten der jeweiligen Bauämterbereiche zuständig.
Die Leistungen für den Bau des Kanals und der zahlreichen Bauwerke wurden über öffentliche Ausschreibungen an Privatunternehmen vergeben. Allerdings behielt sich die Verwaltung vor, komplizierte und mit vielerlei Unwägbarkeiten verbundene Arbeiten in Eigenregie zu erbringen, wie das z.B. am Ragöser Damm, bei der Querung des Besters Fließ oder weiteren Baulosen geschah. Dies sollte unvorhersehbare Unternehmerrisiken und unter Umständen nicht beeinflussbare Kostenentwicklungen vermeiden.
Der offizielle Baubeginn für den Großschifffahrtsweg erfolgte am 19. September 1906 mit dem ersten Spatenstich am Durchstich von Criewen nach Schwedt an der HFW. Die hauptsächlichen Bauarbeiten fanden jedoch in den Jahren 1908 bis 1911 statt. Zeitweise waren in Spitzenzeiten bis zu 2.700 Arbeiter auf den Baustellen entlang der Wasserstraße beschäftigt.


Die wichtigsten Bauwerke

Die Schleusen Lehnitz I (links) und II (rechts)

Die Schleusen Lehnitz I (links) und II (rechts) (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

In Plötzensee und Spandau waren die dortigen Schleusenanlagen aus dem 19. Jahrhundert durch eine Doppelschleuse (Plötzensee) bzw. eine Einkammerschleuse (Spandau) für 600-Tonnen-Schiffe zu ersetzen.
Die Schleuse Lehnitz entstand 1910 mit einer Kammerlänge von 85,0 m und Breite von 10,0 m bei einer Hubhöhe von 5.65 m. Im Jahre 1939 wurde hier die Schleuse Lehnitz II mit 135 m Länge und 11,92 m Breite in Betrieb genommen; die Schleuse Lehnitz I von 1910 ist heute außer Betrieb.

Das alte Sicherheitstor Lichterfelde (nicht mehr existent)

Das alte Sicherheitstor Lichterfelde (nicht mehr existent) (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Im Zusammenhang mit der 22 km langen gedichteten Dammstrecke erfolgte die Errichtung von Sicherheitstoren (Wassertoren) in Pechteich, Lichterfelde und Eberswalde, die im Havariefall ein Auslaufen der Scheitelhaltung mit u.U. verheerenden Folgen für Natur und Mensch verhindern sollten. Ein viertes Sicherheitstor entstand später im Zusammenhang mit dem Schiffshebewerk Niederfinow.

 

 

Einbau der Tondichtung um 1911

Einbau der Tondichtung um 1911 (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Bei km 63,19 der HOW wurde ein sogenanntes „Entlastungsbauwerk“ errichtet, das im Havarie- und Reparaturfall das Wasser der Scheitelhaltung gezielt und kontrolliert über ein offenes Gerinne und den Mäckersee in den Finowkanal ableiten soll. Diese auf dem Prinzip des Hotopp`schen Hebers funktionierende Anlage wird auch heutzutage noch betriebsbereit gehalten.
Bei Eberswalde wird die Bahnstrecke Berlin- Stettin von dem Kanal mittels einer Trogbrücke aus Beton überquert. Das seinerzeitige, beim Bau des Kanals errichtete Bauwerk wurde im Zuge des Ausbaus der HOW im Jahre 2006 durch ein neues Überführungsbauwerk ersetzt. Zur Aufrecht-erhaltung der Schifffahrt während der Bauarbeiten erfolgte der Neubau dieser Anlage in einem parallel zur alten Kanalachse aufgeführten neuen Gewässerabschnitt (neue Fahrt).

Die alte Kanalüberführung bei Eberswalde

Die alte Kanalüberführung bei Eberswalde (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Im Nordosten von Eberswalde stellt der 800 m lange Ragöser Damm mit einer Scheitelhöhe von 28,6 m als Bestandteil der Dichtungsstrecke eine ingenieurtechnische Meisterleistung für die Zeit seiner Errichtung (1907 bis 1911) dar.

Die Schleusentreppe Niederfinow um 1915

Die Schleusentreppe Niederfinow um 1915 (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

In Niederfinow erfolgt der Abstieg von der Scheitelhaltung über 36,0 m Höhenunterschied zur Oderhaltung in Richtung Stettin. Für diesen Abstieg (oder Aufstieg) errichtete man eine Schleusentreppe mit vier Sparbeckenschleusen von je 9,0 m Hubhöhe mit Kammerabmessungen von 67,0 m Länge und 10,0 m Breite.

Schiffshebewerk Niederfinow, Baustelle Neues Schiffshebewerk, ehemalige Schleusentreppe (von links nach rechts), Stand Februar 2014

Schiffshebewerk Niederfinow, Baustelle Neues Schiffshebewerk, ehemalige Schleusentreppe (von links nach rechts), Stand Februar 2014 (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Der Entscheidung für die Anordnung von Sparbecken lag die Absicht zur Minimierung der Wasserverluste in der Scheitelhaltung durch die Schleusungen zu Grunde. Die einzelnen Schleusen waren durch Zwischenhaltungen von jeweils 260,0 m Länge verbunden. Für die seinerzeit noch vorherrschende Schleppschifffahrt wurde zur Erleichterung der Passage der Schleusentreppe entlang der gesamten Anlage ein Treidelbetrieb mit speziellen Treidellokomotiven gewährleistet.
1934 ging das Schiffshebewerk Niederfinow in Betrieb und verkürzte damit die Auf-bzw. Abstiegszeit an dieser Gefällestufe von 1,50 Stunden auf 20 Minuten. Die Schleusentreppe wurde 1972 auf Grund baulicher Mängel stillgelegt. Auf das Schiffshebewerk Niederfinow – damals wie heute ein beeindruckendes Bauwerk deutscher Ingenieurkunst – soll hier nicht näher eingegangen werden, da das den Rahmen dieses Beitrages erheblich sprengen würde.

Ostschleuse (links) und Westschleuse (rechts) Hohensaaten, oben links die Oder

Ostschleuse (links) und Westschleuse (rechts) Hohensaaten, oben links die Oder (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

In Hohensaaten erfolgt – von Berlin kommend – der Abstieg zur Oder bzw. zur Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße. In den Jahren 1912 /1913 entstanden hier zwei je 215,0 m lange und 12,0 m breite Schleppzugschleusen, seinerzeit mit geböschten Kammerwänden. Die Ostschleuse stellte die Verbindung zur Stromoder dar, während die Westschleuse die Weiterfahrt auf der HFW ermöglichte. Beide Schleusen wurden in den Jahren 1986 bis 1989 durch moderne Spundwand-schleusen von je 170,0 m Länge und 11,50 m bzw. 11,90 m Breite ersetzt.
Im Zusammenhang mit der Schaffung einer Querverbindung zwischen HFW und Oder bei Schwedt entstand hier in den Jahren 1923/24 eine Schleuse mit ebenfalls geböschter Kammer von 65,50 m Länge und 10,0 m Breite.

Neben diesen vorgenannten Bauwerken entstanden insgesamt 35 Brückenbauwerke, um die durch den Bau der neuen Wasserstraße unterbrochenen Verkehrswege aufrecht zu erhalten. Von diesen, zum Teil architektonisch besonders gestalteten Bauwerken sind heute durch Kriegseinwirkungen keine mehr erhalten; sie wurden durch Neubauten ersetzt.


Die Entwicklung der HOW seit ihrer Inbetriebnahme bis heute

Am 17. Juni 1914 fand an der Schleusentreppe Niederfinow die feierliche Einweihung des „Großschiffahrtsweges Berlin–Stettin“ durch Kaiser Wilhelm II. statt.
Zu diesem Zeitpunkt waren zwar noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen, aber für die Schifffahrt war die durchgängige Passage eröffnet.
Die Stadt Berlin begann im Jahre 1914 den Bau des Westhafens, der für die neue Wasserstraße quasi der Abgangs- bzw. Empfangspunkt für Gütertransporte zur bzw. von der Ostsee darstellte. Die Inbetriebnahme erfolgte kriegsbedingt erst 1923.
Am 29.07. 1921 trat das Reichswasserstraßengesetz in Kraft, mit dem der „Großschiffahrtsweg Berlin–Stettin“ von einer preußischen Landeswasserstraße zu einer Reichswasserstraße wurde.
An der HFW gingen die Bauarbeiten, u.a. die Schleuse Schwedt (s.o.) noch bis in das Jahr 1933.
Das Schiffshebewerk Niederfinow (s.o.) entstand zwischen 1927 und 1934.
Der Bau der Schleuse Lehnitz II (s.o.) wurde 1935 begonnen und mit der Inbetriebnahme 1940 abgeschlossen.
Im Ergebnis einer im Jahre 1925 erfolgten Wasserspiegelabsenkung in der Dichtungsstrecke zwischen Pechteich und der Schleusentreppe Niederfinow wurden Schäden an der Kanalauskleidung infolge Sogwirkung der Schiffe und sogenannte „Wühlstellen“, durch an- und ablegende Schleppdampfer erzeugt, festgestellt. Die Behebung und vor allem Vermeidung dieser Schäden löste in der Folge umfangreiche Aktivitäten und regelnde Maßnahmen der zuständigen Verwaltung aus.

Die Verkehrsentwicklung auf der neuen Wasserstraße hat in den ersten Jahren nach der Inbetriebnahme die Erwartungen voll erfüllt. So passierten noch im Jahre 1913 rd. 12.750 beladene Fahrzeuge den Finowkanal an der Schleuse Liepe. 1914, nach Inbetriebnahme des Großschiffahrtsweges, waren es nur noch 6.100, während bereits 4.630 beladene Fahrzeuge den neuen Wasserweg nutzten. Im Jahr 1919 fiel das Verhältnis Finowkanal : Großschiffahrtsweg sogar mit 773 : 5182 überdeutlich aus.
Das geschleuste Güteraufkommen am Schiffshebewerk Niederfinow stieg von rd. 2,8 Mio Tonnen im Jahr 1934 auf rd. 4,0 Mio Tonnen im Jahr 1939. Diese Menge wurde danach – bedingt durch Kriegsfolgen und mehrfache politische und wirtschaftliche Umbrüche – nie mehr erreicht; lediglich das Jahr 1996 ragt noch einmal mit 3,3 Mio Tonnen aus den ansonsten eher verhaltenen Gütertransporten, die auf der HOW heute zwischen 1,3 und 2,0 Mio Tonnen liegen, hervor.
Die Folgen des zweiten Weltkrieges waren auch für die HOW verheerend. So waren sämtliche 35 Brücken über die Wasserstraße zerstört. Hier galt es, die Trümmer schnellstmöglich aus dem Gewässer zu entferne, um wieder einen durchgehenden Schiffverkehr zuzulassen. Die Wiederherstellung der Straßen- und Schienenverbindungen erfolgte teilweise durch Behelfsbrücken oder bei Straßen- und Wegeverbindungen mitunter auch mittels Fähren. An den Schleusen und am Schiffshebewerk sind glücklicherweise keine gravierenden Schäden aufgetreten. Das Gewässerbett wies durch Bombentreffer hervorgerufene Schäden auf, die jedoch einen Schifffahrtsbetrieb nicht ausschlossen. Im April 1953 erfolgte eine Trockenlegung der gesamten 22 km langen Dichtungsstrecke zwischen dem Sicherheitstor Pechteich und der Schleusentreppe und dem Schiffshebewerk Niederfinow. Ziel war die Feststellung von Schäden durch Krieg und Schiffsbetrieb und deren Beseitigung. Nach der Kampfmittelberäumung erfolgte die Schadensbeseitigung an der Tondichtung, deren Schutzschicht und den Uferdeckwerken – vorwiegend in Handarbeit.
Bereits ab 1923 gab es Überlegungen und Diskussionen über einen Ausbau der Havel-Oder-Wasserstraße für ein 1000-t-Schiff, die 1924 in eine Ausbaukonzeption des seinerzeitigen Neubauamtes Eberswalde mündeten. Diese Konzeption wurde Anfang der 1960-er Jahre wieder aufgegriffen, als man – nunmehr von der Wasserstraßenverwaltung der DDR – daranging, eine „Studie zur Perspektivplanung der Querverbindung zwischen Elbe und Oder für das 1000-T-Schiff“ zu erstellen.

Ausbauarbeiten in der Scheitelhaltung 2013

Ausbauarbeiten in der Scheitelhaltung 2013 (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Diese Planungen kamen jedoch nie zur Ausführung, stattdessen wurde in der Dichtungsstrecke der Scheitelhaltung zur Vermeidung von Schäden durch die mittlerweile stattfindende Schubschifffahrt und größere Schiffsabmessungen der Einrichtungsverkehr eingeführt.
An größeren Baumaßnahmen nach 1945 wären hier noch der bereits erwähnte Neubau der Ost-und Westschleuse Hohensaaten in den Jahren 1986 bis 1989 sowie der Neubau der Schleuse Spandau von 1998 bis 2002 zu nennen.

Die neue Kanalüberführung

Die neue Kanalüberführung (Foto: Bildarchiv des WSA Eberswalde)

Mit dem Bundesverkehrswegeplan 1992 wurde nach der Wiedervereinigung Deutschlands der Ausbau der Havel-Oder-Wasserstraße für die Wasserstraßenklasse Va als vordringlicher Bedarf festgeschrieben. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde nahm ab 1992 die Planung und Vorbereitung der Baumaßnahmen bis zur Baureife vor. Bislang sind in der Scheitelhaltung der HOW sicherheitsrelevante Nachsorgemaßnahmen unter Ansatz eines Ausbauprofils nach Wasserstraßenklasse Va, d.h. 55,0 m Wasserspiegelbreite und 4,0 m Wassertiefe im Trapezprofil (geböschte Ufer) umgesetzt wurden. Hierzu zählen auch der oben erwähnte Neubau der Kanalüberführung Eberswalde sowie der Neubau mehrerer Straßenbrücken. Letzteres schafft unter anderem die Voraussetzungen für einen zweilagigen Containerverkehr auf der HOW.

Weitere Ausbaumaßnahmen wurden vorerst wegen der notwendigen Priorisierung der für den Ausbau und die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zurück gestellt.
Das gegenwärtig in Niederfinow entstehende neue Schiffshebewerk ist dagegen als Ersatz für das bestehende, mittlerweile 81-jährige Hebewerk unabdingbar und wird fertiggestellt.

 

Ausblick

Wie eingangs ausgeführt, ist eine gut strukturierte und wirkungsvolle Infrastruktur mit dem Angebot von Versorgungs- und Transportwegen für das Bestehen und die wirtschaftliche Entwicklung sowohl kleinteiliger als auch großer Regionen unerlässlich. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei auch die dazugehörenden Wasserstraßen. Im Zuge des Zusammenwachsen Europas gewinnt das Transeuropäische Netze (TEN) zunehmend an Bedeutung und die Havel-Oder-Wasserstraße ist Teil dieses Netzes. Sie hat seit ihrer Inbetriebnahme die Folgen zweier Weltkriege und mehrfache Wechsel der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse bewältigt und ihre Bedeutung als Transportweg über 100 Jahre bewiesen. Angesichts der Entwicklung des Straßengüterverkehrs stellt die HOW für die Zukunft eine umweltschonende Alternative zum LKW- Transport dar, die künftig noch an Bedeutung gewinnen dürfte.
Nicht unerwähnt bleiben soll auch die wachsende Rolle der HOW für die ökologischen Belange als Lebensraum für Flora und Fauna. Mit der Umsetzung der Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist hier der Einklang von Naturschutz und wirtschaftlichen Belangen herzustellen.
Abschließend sei auf den steigenden Wert der Wasserstraße für die Freizeitaktivitäten der Menschen hingewiesen. Die zunehmende Attraktivität für den Wassertourismus ist dabei nur eine von vielen Nutzungen.
Im Resümee ist der Havel-Oder-Wasserstraße eine Zukunft zu wünschen, in der ihr wieder eine wesentliche infrastrukturelle Bedeutung zukommt, unter Einbeziehung der zuvor genannten weiteren gesellschaftlichen Belange.

 

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Datum 7. Mai 2015
Autor Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Heymann
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