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9 Fragen an Sascha Schaaf, Senior Engineer – Beratung und ­Entwicklung Großprojekte, PEIKKO Deutschland GmbH

Sascha Schaaf, Senior Engineer – Beratung und ­Entwicklung Großprojekte, PEIKKO Deutschland GmbH (Foto: PEIKKO Deutschland)

1. Herr Schaaf, sie sprechen von „Lego für Große“ als Schlüssel zum Erfolg. Könnten Sie das unseren Lesern erläutern?

(schmunzelt) Lego kennen wir alle aus unserer Kindheit. Es bietet die Möglichkeit, aus einer Auswahl von unterschiedlichen Baustein-Geometrien, die in ihrer Vielfalt und Auswahl begrenzt sind, unterschiedliche Gebilde zu schaffen. Das können auch Gebäude sein, und diese Gebäude können sehr vielfältig in ihrer äußeren Erscheinung sein. Was aber immer gleich ist, ist die Auswahl an verfügbaren Bausteinen.

… obwohl Lego ja sein Programm ganz schön durch­spezialisiert …

Stimmt – leider, wie ich finde. Verknüpfen wir das jetzt aber mit dem Thema BIM und stellen uns einen digitalen Katalog an verfügbaren „Bausteinen“ – also Bauteilen – vor, so können wir daraus verschiedene Gebäude-Geometrien und Nutzungen generieren. Da die Bauteile aus verschiedenen Materialien bestehen können, ergeben sich unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. Eines muss aber immer gewährleistet sein: Die vergleichbaren Geometrien und Anschlussmöglichkeiten.

… also wie bei dem Lego-Baustein …

Genau, der stellt auch immer eine Geometrie zur Verbindung und verschiedene Geometrien für die flexible Nutzung und Geometrie zur Verfügung. Das Vorteilhafte an den genannten Überlegungen ist die Möglichkeit, wirklich „Kreislaufwirtschaft“ zu realisieren, da die Bauteile unter den Voraussetzungen, die Lego bereits seit Jahrzehnten bietet, immer weiter wiederverwendet werden können, weitestgehend unabhängig von der Nutzung des Bauwerkes und unter den Voraussetzungen eines üblichen Hochbaus. Also kein Brücken- oder anderer Ingenieurbau.

Bild 1 DELTABEAM Verbundträger sind mit allen Decken- und Stützen­systemen ­kompatibel. (Foto: PEIKKO Deutschland)

2. Zwei Begriffe, die auf den ersten Blick nichts verbindet: „Komplexität“ und „Wiederverwertbarkeit“. Möchten Sie den Zusammenhang ­erhellen?

Wir neigen – nicht nur im Bereich des Bauwesens – dazu, die Dinge immer komplexer werden zu lassen. Das Resultat ist, dass wir nicht mehr in der Lage sind, die Verknüpfungen oder Verbindungen möglichst sortenrein zu trennen.

… siehe Spezialisierung bei Lego …

(schmunzelt) Logo! Im Ernst aber: Für die Wiederverwertbarkeit von Bauteilen müssen wir zurückkehren zu einfachen Geometrien, klaren Verbindungen, die einfach zu trennen sind, ohne die Bauteile selbst dabei zu beschädigen.

3. Die geschraubten Verbindungen, die PEIKKO produziert, eröffnen den Weg zu Demontierbarkeit und Kreislaufwirtschaft. Ist das ein Beitrag zu den Rahmenbedingungen für nachhaltigere Nachhaltigkeit, von denen Sie sprechen?

Definitiv! Geschraubte Verbindungen haben den Vorteil, dass sie auch nach Jahrzehnten der Nutzung wieder gelöst werden und die Betonfertigteile an anderer Stelle eine neue Verwendung finden können.

Bild 2Durch standardisierte, lösbare Verbindungen werden Bauteile wiederverwendbar und  Gebäude kreislauffähig.

Bild 2 Durch standardisierte, lösbare Verbindungen werden Bauteile wiederverwendbar und Gebäude kreislauffähig. (Foto: PEIKKO Deutschland)

4. In Vantaa, Finnland hatten Sie Ende letzten Jahres ein Pilotprojekt zum DELTABEAM Green, welches beweist, dass die Demontage und Wiederverwendung von Betonelementen realistisch und wirtschaftlich ist. Also schließen sich auch der „böse“ Beton und die Nachhaltigkeit nicht aus?

Nein, der „böse“ Beton ist mehr medial „böse“ gemacht worden. Richtig eingesetzt, d. h. unter Verwendung recycelter Gesteinskörnungen und neuzeitlichen Kompositzementen mit einem geringen Klinkeranteil, ist der Beton durchaus vertretbar.

„Vertretbar“ heißt nicht unbedingt „gut“ …

Naja, das kommt drauf an: Richtig eingesetzt heißt jedenfalls auch, dass man nur so viel verwendet, wie statisch erforderlich ist. Bei konventionellen Stahlbetonflachdecken wird über die Hälfte des Betons statisch nicht benötigt und „belastet“ die umgebenden Konstruktionen somit zusätzlich und unnötig. Genau der effektive Einsatz des Betons wird bei der Kombina­tion des DELTABEAM® mit Spannbetonhohlplatten, wie bei dem genannten Pilotprojekt verwendet, propagiert. Es werden ca. 30 % weniger Beton benötigt, …

… was ganz sicher ein Schritt in eine nachhaltigere Nach­haltigkeit ist.

Bild 3Schraubverbindungen sind demontierbar; die Betonfertigteile können an anderer Stelle wiederverwendet werden.

Bild 3 Schraubverbindungen sind demontierbar; die Betonfertigteile können an anderer Stelle wiederverwendet werden. (Foto: PEIKKO Deutschland)

5. Sie betonen die Bedeutung des Entwicklungsgedankens gegenüber der Einprodukt-Philosophie. Was bedeutet das für PEIKKO?

Wir bei PEIKKO beobachten den Markt ganz genau. Durch unseren technischen Service bekommen wir Veränderungen bereits in der Planungsphase mit und können auf sich ändernde Anforderungen reagieren. Nicht zuletzt deshalb sind wir eines der ersten Unternehmen, die Lösungen für den Hybridbau anbieten können. Wir entwickeln Produkte weiter und erfinden neue. Sollte ein Produkt nicht mehr in die Zeit passen, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben, so lassen wir es auslaufen.

Beispiel?

Es ist vermutlich zu erwarten, dass der DELTABEAM® Green den DELTABEAM® aus konventionellem Baustahl mittelfristig ablösen wird, da die Anforderungen an nachhaltige Produkte und der Bedarf angestiegen sind und weiter steigen werden.

6. So viel zum Vergleich zwischen dem DELTABEAM ­Verbundträger und Trägern aus anderen Materialien …

… wiewohl wir einstweilen noch nicht so weit sind. Doch sind wir in der komfortablen Lage, unseren Kunden die Wahl und mithin die Entscheidung für mehr Nachhaltigkeit anbieten zu können.

7. Nicht nur eine Frage architektonischer Ästhetik: Was spricht Ihrer Meinung nach für runde Trägerquerschnitte?

Das natürliche Wachstum natürlich (lacht). Oder ist Ihnen eine Baumart mit quadratischem oder rechteckigem Stamm bekannt? Dass wir derzeit ca. 30 % des Stammes herunterschneiden ist kein Pappenstiel – nur um rechteckige Querschnitte zu erhalten, da wir diese einfacher berechnen und verarbeiten können. Ist das nachhaltig?

8. Die Bauordnungen der Nachkriegszeit haben das gutmütige Material Holz in Sachen Brandschutz verbannt. Heute ändert sich das wieder – warum und warum ist das gut?

In den Zeiten von Kriegen sind ganze Stadtteile „verbrannt“, weil man Haus an Haus, dicht an dicht, gebaut hatte. Die Holzquerschnitte waren im Gegensatz zur Oberfläche eher klein. Baulichen Brandschutz (Fluchtwege, Brandabschnitte, Barrieremaßnahmen, Abstände, etc.) kannte man damals noch nicht. Auch moderne Brandschutzbemessungen, die das Holz durch eine Vergrößerung des Querschnitts schützen und auch im Brandfall noch ausreichend tragfähig machen, lagen in früheren Zeiten nicht vor.

Bild 4 Eine der ersten hybriden Konstruktionen mit DELTABEAM ist ­„Microcity“ in Neuchâtel. (Foto: PEIKKO Deutschland)

Und das ist heute anders?

Absolut: Wir können sehr genau berechnen, wie lange ein Holzquerschnitt, auch unter Brandeinwirkung, tragfähig ist. Der bauliche Brandschutz dämmt Brände ein. Ein Übergriff auf Nachbarbebauungen wird dadurch verhindert. Auch die Feuerwehr von heute ist technisch um ein Vielfaches besser aufgestellt als das, was man früher an Möglichkeiten hatte. Hinzu kommt, dass wir den Stahl heute durch geeignete Maßnahmen, vor der Brandeinwirkung und den damit verbundenen hohen Temperaturen bis 1.000 °C schützen können. Der DELTABEAM hat dafür eine eigene allgemeine Bauartgenehmigung, die den Einsatz bis R120 (2 Stunden Brandeinwirkung) ohne zusätzliche Verkleidung oder Beschichtung erlaubt. Hinzu kommt der Entfall einer Beschichtung oder Verkleidung, die in ihren Umweltauswirkungen kritisch zu sehen sind.

9. Holz-Beton Verbund kennt die Architektur seit der Antike. Doch die neuzeitlichen statisch relevanten Eigenschaften eines Verbundes der beiden Bauteile sind erst in den 1990er Jahren durch die Entwicklung geeigneter Schubverbindungen entstanden. Ist der DELTABEAM damit schon fester Bestandteil der Architekturgeschichte?

(schmunzelt) Naja, ich denke schon. Das, was bereits seit der Antike besteht und in den 1990er Jahren weiterentwickelt wurde, ist der Holz-Beton-Verbundbau. Der Einsatz von Holz und Beton in einem Bauteil/Bauwerk war schon seit der Antike möglich. Nicht aber der leistungssteigernde schubfeste „Verbund“. Das, was wir mit der Ergänzung dieser Bauweise durch den DELTABEAM® schaffen, ist die lupenreine Verknüpfung des Stahl-Beton-Verbundes mit dem Holz-Beton-Verbund. Neuerdings nennen wir das dann Hybridbau. Selbst wenn man alle Vorteile des Hybridbaus außen vorlässt, scheint es doch für jedermann verständlich, dass es besser sein dürfte, etwas aus vielen Ressourcen herzustellen, als nur auf ein Material zu setzen.

Herr Schaaf, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch

Die Fragen stellte Burkhard Talebitari

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Datum 28. Oktober 2022
Autor peikko
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