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Kolumne Falk Jaeger

Bauen und Natur, das geht einfach nicht zusammen

Zauneidechse

Zauneidechse (Foto: Valerius Geng)

Ok, wir haben ein dramatisches Artensterben zu verzeichnen. Zahlreiche Populationen sind gefährdet. Dass wir unsere Welt nicht mehr in Ordnung haben, gefährdet die Existenz des gemeinen Rauhfußschwirrls und des Gelbaugenmolchs. (aber auch die der Syrer, Kurden, Tutsi u.v.a., das nur nebenbei).

Was ist zu tun? Wir müssen das ganz große Rad drehen! Den Energiewandel voranbringen, die Regenwälder bewahren, die Giftstoffe aus unseren Produktionsprozessen eliminieren, das Heli skiing und das Rifftauchen verbieten.

Aber jeder Einzelne von uns kann auch etwas tun! Selbst die Flüchtlinge können ihren Teil dazu beitragen. Wenn zum Beispiel jeder pro Jahr nur zwei Eidechsen rettet, kann er davon prima leben und liegt uns nicht mehr auf der Tasche. Das ist an einem Tag zu schaffen. Die restlichen 364 Tage hat er dann keinen Stress mehr und kann sich dem Gebet, der Shisha oder der Laila widmen.

Denn die Rettung einer Eidechse bringt 8.600 Euro. Jedenfalls im Schwäbischen, auf den Baustellen von Stuttgart 21. Kürzlich wurde gemeldet, dass eine bislang unbekannte Lacerta agilis Population sich just dort die Sonne auf die Schuppen brennen lässt, wo künftig die ICEs ihre Verspätungen ansammeln sollen. Und die Umsiedelung von 10.000 Exemplaren der eigentlich weit verbreiteten Zauneidechse soll pro Tier bis zu 8.600 Euro kosten. Wenn das mal nicht zu knapp gerechnet ist. Denn es braucht einen Planänderungsbeschluss, der durch das Eisenbahnbundesamt genehmigt werden muss. Auha, das kann dauern. Wir rechnen schon mal mit Bauverzögerungen von mindestens zwei Jahren und Folgekosten in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe. Schließlich darf man die Tierchen nur kurze Zeit im Jahr zum Umzug bitten, wenn sie nicht gerade, nun ja…Und man kann die Philosophen unter den Tieren auch nicht wie neugierige Waschbären mit einem alten Feudel locken, sie laufen einfach weg, und verstecken sich auch noch, verstockt wie sie sind.

Wie wäre es, wenn man kurzerhand anfinge zu bauen? Packen sie dann nicht ihr Bündel, suchen sich ein anderes genehmes Plätzchen oder begeben sich auf die Balkan-Route? Denn Eidechsen sind extrem integrationswillig. Auf dem Stuttgarter Abstellbahnhof beispielsweise hatte man vor Jahren eine aus Italien immigrierte Art entdeckt, die per Güterwagen eingereist war, doch inzwischen gibt es dort nur noch eine Mischpopulation.

Aber das Verscheuchen untersagt die gestrenge Artenschutzgesetzkaskade von UN, EU und Bundes-NatSchGes. Man darf ja auch nicht einfach den alten Tunnel bei Calw, der sinnvollerweise für eine neue S-Bahnstrecke gebraucht wird, kurz auskehren und wieder befahren. Denn da haben sich inzwischen Fledermäuse angesiedelt. Und für die muss wohl erst ein neuer Tunnel gebaut werden. 1:1, damit sie den Unterschied nicht merken und nicht vor Gram über ihre Vertreibung dahinscheiden.

Fledermäuse haben sich längst als die schärfste Waffe im Köcher der Naturschutzguerilla im Kampf gegen Bauvorhaben aller Art erwiesen. Man erinnert sich an die putzigen Kleinen Hufeisennasen, die bei Dresden entlang der Elbe zu fledern pflegen und derentwegen fast der Bau der Waldschlösschenbrücke gecancelt wurde. Über das weitere Schicksal der Mäuse ist nichts bekannt; wahrscheinlich fledern sie jetzt oben drüber oder unten durch, geht ja auch. Da sie sich per Ultraschall orientieren, wird sie auch die Hässlichkeit der Brücke nicht schrecken. Sie können dreißig Jahre alt werden, lassen sich also offenbar von den Irrungen der menschlichen Zivilisation kaum beeindrucken.

In Berlin wiederum stören die Winterschläfer das amtliche Einheitsgedenken. Die Bürgerwippe, die am Schloss als Freiheits- und Einheitsdenkmal gebaut werden soll, wird inzwischen mit 15 statt der geplanten zehn Millionen kalkuliert. Außer den berlinüblichen Gründen (Nonchalance in der Phase 0, Planänderungen, Planungsfehler, Nachbesserungsverlangen beflissener Behörden) wird auch aufgeführt, dass eine Fledermauskolonie umgesiedelt werden müsse, die in einem Gewölbe unter dem historischen Sockel Quartier bezogen hat.

Angesichts der noch zu lösenden konstruktiven (z.B. hydraulischen) und sicherheitstechnischen Aufgaben und der wie ein Hefeteig aufgehenden Betriebskosten werden die Flattermänner in diesem Fall wohl ein marginales Problem darstellen.

 

 

 

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Datum 9. Mai 2016
Autor Falk Jaeger
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