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Bauwirtschaft: Politik muss beim Wohnungsbau umdenken
Zur Unterbringung von Flüchtlingen ist aus Sicht von Baden-Württembergs Bauwirtschaft ein Umdenken des Staates notwendig. Hohe Gebühren und Auflagen machten Investitionen in Immobilien vielerorts unattraktiv, dies müsse sich ändern, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg, Dieter Diener, am Donnerstag, den 10. September, in Stuttgart.
Bis Jahresende wird mit bis zu 100 000 Flüchtlingen in Baden-Württemberg gerechnet. Sollten in jede Wohnung drei Menschen einziehen, könnten gut 30 000 Wohnungen benötigt werden, rechnete Diener vor. Das ist für die Branche eine gute Nachricht, weil dieser Bedarf die Geschäfte der Bauwirtschaft nach den Worten von Diener «stimulieren» wird.
Zugleich machte der Manager aber klar, dass es angesichts der misslichen Rahmenbedingungen schwierig wird, dass der Markt den Bedarf schnell stillt. «Wir haben leider die Situation, dass Sie mit den normalen Mieten, die im sozialen Wohnungsbau erzielt werden können, eigentlich nicht mehr zurechtkommen.» Der Vizepräsident des Verbands, Mathias Waggershauser, sagte: «Der Markt regelt das nicht, da muss die Politik Quantensprünge machen – und zwar schnell.»
Diener bemängelte, der Brandschutz-Standard bei Bestandswohnungen sei «etwas überzogen». «Wir können aber keinen unterschiedlichen Brandschutz machen für diejenigen, die zu uns kommen als Flüchtlinge, und diejenigen, die hier schon sind – wenn, dann müssten wir ihn insgesamt absenken.»
Er kritisierte die gesetzgeberische «Hektik» in der Politik, neue Vorgaben zum Brandschutz oder zum Energiesparen zu machen. «Früher gab es alle sechs bis acht Jahre etwas Neues, heute kommt praktisch alle drei bis vier Jahre etwas – das verursacht natürlich immense Kosten und führt zu Baupreissteigerungen.»
Zu hoch seien zum Beispiel die Gebühren für Erde und Steine, die beim Bau aus dem Untergrund entfernt werden und dann auf Deponien gebracht werden, sagte der Verbands-Hauptgeschäftsführer. Auch mit steuerlichen Erleichterungen könnten die benötigten Investitionen in Immobilien angekurbelt werden, so Diener.
Die Branche ist laut dem Verband bereit, junge Flüchtlinge auszubilden. In einem Pilotprojekt starten im Oktober sechs junge Männer aus Syrien, Eritrea und anderen Staaten ein Qualifizierungsprogramm für Maurer und Betonbauer. In einem Ausbildungszentrum in Sigmaringen drücken die Flüchtlinge gemeinsam mit deutschen Lehrlingen die Schulbank, obgleich sie noch keinen Lehrvertrag haben. Bei der Weiterbildung soll ihr Qualifikationsstand festgestellt werden – nach dem Jahr könnten sie eine reguläre Lehre starten.
Der Landesverband legte zudem Zahlen für das erste Halbjahr 2015 vor. Wegen des relativ kalten Winters habe man noch bis April ein Umsatzminus hinnehmen müssen, erst danach sei mehr Schwung aufgekommen, sagte Bauwirtschafts-Präsident Bernhard Sänger. Im ersten Halbjahr 2015 stieg der Umsatz den Angaben zufolge um 2,4 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro, damit fiel der Zuwachs deutlich niedriger aus als im Vorjahreszeitraum (10,6 Prozent).