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Im Ernst

Bereinigt

„Bereinigungssitzung“ heißt man das. Das, was im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages für den Haushalt 2020 zum Durchwinken des Kostenplans für das Museum des 20. Jahrhunderts der Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin führte. Dazu hat der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, gesagt, dass das „ein guter Tag für die Kunststadt Berlin und das Kulturforum“ war, respektive gewesen sein soll. Hinter dem Potsdamer Platz entstehe, so Parzinger, mit dem Neubau von Herzog & de Meuron die Museumsinsel der Moderne, ob wir gleich nicht wissen, welches Wasser da drumrum nun wieder fließt.

Angeschmirrt? Oder bereinigunswürdig?

Angeschmirrt? Oder bereinigunswürdig? (pxhere)

Während die Süddeutsche Zeitung am 30.10. „sehr, sehr viel Platz“ in dem neuen Museum ausmachte, dankte Parzinger dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, Bundesfinanzminister Olaf Scholz und nicht zuletzt Kulturstaatsministerin Monika Grütters, dass das Museum des 20. Jahrhunderts für die einzigartige Sammlung der Nationalgalerie nun errichtet werden kann. Durch den Spatenstich in ein paar Tagen werde, so Parzinger weiter, deutlich, was hier entsteht: Ein faszinierender Museumsbau zur Kunst- und Zeitgeschichte eines prägenden Jahrhunderts, das gesellschaftliche Debatten in der Gegenwart auslösen wird. Abgesehen davon, dass es zum Wesen von Debatten gehört, dass sie in sogenannten Gegenwarten stattfinden, überrascht es nicht wenig, dass das prägende 20. Jh. so prägend war, sie auszulösen – auch noch in der Gegenwart.

Parzinger ist sicher, dass auch die Kritiker die Chancen dieses prägenden Neubaus von Herzog & de Meuron erkennen werden. Und da es so viel kostet, „werden wir ein enges Monitoring haben, um den jetzt vorgegebenen Finanzrahmen einzuhalten.“ – Worte, an deren unterhaltungstechnische Halbwertzeit wir uns gern erinnern werden.

Die Süddeutsche aber, so die SPK auf ihrer Homepage, habe in ihrem Artikel vom 30.10. alles verzerrt. Verzerrt habe das Blatt z. B. mit dem Vorwurf des Ideenmangels. Den gibt es gar nicht, wie man den folgenden Erklärungen der SPK unschwer entnehmen kann: Bereits in den Auslobungsunterlagen zum Wettbewerb wurden klare Visionen für das „Museum des 20. Jahrhunderts“ dargelegt.“ Die Rubrik „Bedeutung“ im Duden-Artikel zu „Vision“ verweist auf „übernatürlich Erscheinung als religiöse Erfahrung“, ferner auf „optische Halluzination“ und schlägt folgende Synonyme vor: „Augentäuschung, Bild der Fantasie, Einbildung, Erscheinung, Fata Morgana, Gesicht, Halluzination, optische Täuschung, Phantom, Sinnestäuschung, Trugbild, Trugwahrnehmung, Wahrnehmungstäuschung“ – „Klare Visionen“ – klar, sowieso genau.

Es soll aber, so die SPK, „die Präsentation der Bestände unter Einbeziehung kultureller und sozialgeschichtlicher Kontexte sowie aktueller Fragestellung erfolgen, wie dies unterschiedliche Ausstellungsformate der Nationalgalerie in den vergangenen Jahren bereits sehr erfolgreich gezeigt haben.“ Ob die kulturellen und sozialgeschichtlichen Kontexte da „in echt“ gezeigt werden, wie das frühere „Ausstellungsformate“ bereits taten, ist vielleicht schellhörnig Fragen, wo klar wird, dass hier ganz viel tolle Ideen auf den Kulturgänger warten. Der sieht sich dann einem „stark interdisziplinärer Ansatz unter Einbeziehung anderer Einrichtungen der Staatlichen Museen“ gegenüber, indem „Archivalien und Dokumentationen das Kunsterlebnis und den Diskurs begleiten und vertiefen, ebenso wie Beispiele aus der Musik- und Filmgeschichte oder Live-Performances.“ Musik und Film und Live-Performance sind ja normal auch Kunst und eventuell so prägend wie das 20. Jh. Aber die SPK hat noch viel mehr Ideen, wenn sie von „Angebote zur Partizipation, zum Gespräch, zu aktuellen Debatten“ Erwähnung tut, die in einer Art Nachbarschaftshilfe „auch in den Ausstellungsräumen, in direkter Nachbarschaft zu den Kunstwerken“ – und selbstverständlich in der Gegenwart – „möglich sein“ sollen. Schließlich sollen „die am Kultur- und Wissenschaftsstandort Kulturforum bereits vorhandenen inhaltlichen Querverbindungen (Literatur, Musik, Design, Filmgeschichte)“ – kann alles praktisch nicht weg, sondern ist Kunst – „belebt und ausgebaut werden“. (Zitat aus dem Auslobungstext Realisierungswettbewerb, Juni 2016). In weiteren Entgegnungen auf den Artikel der Süddeutschen weist die SPK darauf hin, dass auch für eine verkleinerte Variante (9.900 m² Nutzfläche, 7.400 m² Ausstellungsfläche) an der Sigismundstraße kein Geld dagewesen sei, wobei das „auch“ insgesamt eher opak rüberkommt.

Zusammenfassend sei jedem Kunstdebatteur und Kulturbeflissenen versichert, dass „das Kulturforum … ein städtebaulich herausfordernder und für alle sichtbarer Bauplatz im Herzen der Hauptstadt“ ist. „Was hier entsteht,“ so die SPK, „wird weltweit wahrgenommen und steht für das kulturelle Selbstverständnis des Landes.“ Es sei daher richtig, an das Haus höchste Qualitätsansprüche zu stellen. Hierfür sind sehr gute und ausgewählte Materialien, Baukonstruktionen und technische Lösungen erforderlich“, wie es sich für die Trias aus preußisch, Kultur und Besitz gehört. Tja … preußisch möchte ja historisches Faktum sein, Kultur und Besitz aber sind, ausnahmsweise mal philosophisch gesagt: eine contradictio in adiecto. Und dann passt es ja auch wieder mit der Kulturscheune …

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Datum 21. November 2019
Autor b.t.
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