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Corona spaltet Bauwirtschaft in Gewinner und Verlierer

Corona spaltet die Bauwirtschaft in Gewinner und Verlierer – das ist das Ergebnis einer Studie mit dem Titel „Die K-Frage der Baubranche“ der Unternehmensberater „Munich Strategy“. Sie haben mehr als 30 Geschäftsführer und Vorstände von Bauunternehmen befragt zu den Entwicklungen in den Unternehmen und zum „New Normal“ in der Baubranche nach inzwischen eineinhalb Jahren Corona. Die zentralen Erkenntnisse der Umfrage: Durch die Pandemie hat sich ein so genanntes „K-Szenario“ gebildet, in dem sich die Kluft zwischen starken und schwachen Unternehmen weiter vergrößert. Die CEOs (der Begriff steht für “Chief Executive Officer“ und ist die US-amerikanische Bezeichnung für den Geschäftsführer einer Firma oder einer Organisa­tion) der Gewinnerunternehmen gehen von einer schnellen Erholung der Konjunktur und weiterem Wachstum aus. Und: Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind die wichtigsten Handlungsfelder, in denen die Top-Unternehmen jetzt den Abstand zu ihren Verfolgern ausbauen. Die Top-CEOs setzen im Schnitt ca. 40 Prozent ihrer Management-­Kapazität für diese beiden Themen ein.

Was ist das neue „Normal“ nach Corona?

Corona und die Covidpandemie sind auch nach gut eineinhalb Jahren immer noch nicht ausgestanden, wenngleich sich die Zeichen langsam bis sehr langsam wieder auf Normal zurückdrehen. Aber die Gretchenfrage ist in diesem Zusammenhang doch schon: Was ist eigentlich (noch oder wieder) „normal“? Konkret auf die Bauwirtschaft bezogen, wollte die Studie herausfinden, wie denn die CEOs der Bauindustrie das „New Normal“ der Branche nach Corona sehen. Welche Erwartungen haben sie an die Baukonjunktur und was sind aus Unternehmensperspektive die zentralen Handlungsfelder?

Um diese Fragen zu beantworten, hat die Managementberatung Munich Strategy Tiefeninterviews mit über 30 CEOs und Vorstände aus allen Segmenten der Baubranche geführt. Einzelne Interviewthemen wurden mit einem ausgewählten Teilnehmerkreis bei einer Roundtable-Diskussion vertieft. Die Berater haben die Ergebnisse in der Studie „Die K-Frage der Baubranche“ zusammengefasst und kommen zum Fazit: Durch die Pandemie hat sich ein K-Szenario gebildet, in dem das Delta zwischen starken und schwachen Unternehmen immer noch größer wird.

„Die Top-Unternehmen der Baubranche hatten in der Krise ihre ganz eigenen Realitäten und vor allem Chancen“, stellt Dr. Sebastian Theopold, Studienautor und Bauexperte bei Munich Strategy, fest. „Getreu dem Motto ‚Never waste a crisis‘ haben sie die Neuordnung dazu genutzt, ihre Verfolger in den entscheidenden Bereichen abzuhängen.“

Wachstum und Ertrag: Schere geht weiter auf

Die Studie teilt die Unternehmen der deutschen Baubranche auf Basis ihrer Umsatz- und Ertragsentwicklung in den letzten fünf Jahren in „Gewinnerunternehmen“ und „Verliererunternehmen“ ein. Die Gewinnerunternehmen wachsen seit 2015 im Umsatz mit 10,1 Prozent mehr als dreimal so stark wie die Verliererunternehmen (2,9 Prozent). Der Abstand zwischen beiden Gruppen ist der Studie zufolge in der Pandemie größer geworden.

Auch im Ertrag zeigen sich deutliche Unterschiede. Der Studie zufolge steigt in der Baubranche mit der Unternehmensgröße auch die Profitabilität der Unternehmen. Während Firmen mit weniger als 100 Millionen Euro Jahresumsatz im Schnitt nur EBIT-Quoten von 3,2 Prozent erzielen, erreicht die Umsatzgrößenklasse über 600 Millionen Euro durchschnittlich 4,6 Prozent.

Bauunternehmen setzen auf weiteres Wachstum

Die Befragung zeigt laut Ergebnis der Studie: Die CEOs der Baubranche setzen auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft und weiteres Wachstum in den kommenden Monaten. Eine möglicherweise drohende Rezession bereitet kaum einem Firmenlenker Sorgen. 34 Prozent der Befragten stellen ihre Unternehmen voll und ganz auf Wachstum ein, nur 14 Prozent fokussieren sich mehr auf die Absicherung der Ist-Situation.

Umfrage zu den Trends in der Bauindustrie

Umfrage zu den Trends in der Bauindustrie (UnternehmerBrief Bauwirtschaft 44 (2021) | Heft 11 )

Als relevante Trends für die Baubranche nennen die CEOs die Themen „Social Distancing“ (89 Prozent), „Suche nach Sicherheit“ (78 Prozent) und „Mehr Staat“ (67 Prozent). Sie sehen diese Entwicklungen vor allem als Wachstumstreiber für ihre Industrie. Durch „Social Distancing“ etwa werden Home Office und Remote Work Teil des Alltags, was nach Meinung der Befragten zu mehr Investitionen ins Eigenheim führen wird.

 

Fokus liegt auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Für die CEOs der so genannten Gewinnerunternehmen sind Digitalisierung und Nachhaltigkeit die wichtigsten Handlungsfelder im „New Normal“. Um den Abstand zu schwächeren Konkurrenten auszubauen, arbeiten die CEOs beispielsweise an ihren Kompetenzen in der Kundensegmentierung und bauen Onlinemarketing-Expertise auf. Zusätzlich erproben sie neue Geschäftsmodelle.

Management-Agenda eines Top-Unternehmens in der Baubranche

Management-Agenda eines Top-Unternehmens in der Baubranche (UnternehmerBrief Bauwirtschaft 44 (2021) | Heft 11)

Auch das Handlungsfeld „Neue Entscheider“ hat für die Befragten an Bedeutung gewonnen. Der Endkunde wird zunehmend direkter Adressat für die Hersteller. Die Beratungsleistung des Verarbeiters und damit seine Rolle als Multiplikator wird durch den Onlinekanal ersetzt.

 

 

Um diese Entwicklung für sich zu nutzen, arbeiten die CEOs beispielsweise am Ausbau ihres Multichannelvertriebs und verstärken ihr Endkunden-Branding. Im Feld Nachhaltigkeit sehen sie eine nachhaltige Wertschöpfung, technologische Kompetenz und Innovationskraft auf Produkt- und Prozessseite sowie die Fähigkeit, ihr eigenes Engagement zu vermarkten, als wichtige Kompetenzen, um ihre Verfolger abzuhängen.

Größe und Marktmacht sind Trumpf

Warum die „Gewinnerunternehmen“ ausgerechnet auf die beiden Säulen Digitalisierung und Nachhaltigkeit setzen, ist für Dr. Sebastian Theopold von Munich Strategy nicht weiter verwunderlich. Er erklärt sich den Fokus der CEOs auf diesen Themen mit der Dimension für die Gesamtentwicklung eines Unternehmens: „Digitalisierung und Nachhaltigkeit erfordern Größe in Form von Kapital, Ressourcen und Reichweite. Große Hersteller und Unternehmen mit hoher Marktmacht sind hier den kleinen grundsätzlich überlegen.“

Den Studienautoren zufolge haben gerade während der Phase der Pandemie die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit an Geschwindigkeit und Bedeutung gewonnen. Entsprechend entwickelte sich auch die Schlagkraft der Top-Unternehmen deutlich weiter. Munich Strategy hat auf Basis der Interviews die Managementagenda eines typischen Gewinnerunternehmens der Baubranche entworfen. Die CEOs der Gewinnerunternehmen setzen im Schnitt circa 40 Prozent ihrer Management-Kapazität für die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit ein.

 

Umfrage zu M&A-Strategien

Umfrage zu M&A-Strategien (UnternehmerBrief Bauwirtschaft 44 (2021) | Heft 11)

Die Befragung im Rahmen der Studie zeigt aber auch: Die Konsolidierung der Baubranche wird sich beschleunigen. Die Gewinner-CEOs bereiten sich verstärkt auf Übernahmen vor. Sie sehen Corona als Chance, ihre eigene M&A-Agenda weiter voranzutreiben und legen dabei einen besonderen Fokus auf Internationalisierung und Start-ups.

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Datum 6. Dezember 2021
Autor UBB-Chefredakteur Prof. Dr. jur. Günther Schalk
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