Bauen digital, Vermischtes
„Dem Risiko folgen” – Ein Thesen-Interview mit Andrés García Damjanov
Kunden-Bindung und -Erweiterung
Die größte Sorge des Geschäftsführers in einem gesättigten Markt ist die Bewahrung der bestehenden Kunden. Diese beruht auf dem Prinzip, die Versuche der Mitbewerber, in bestehende Vertrauensbeziehung einzubrechen, eben nicht zu verhindern, sondern immer wieder abzufangen und einen Mehrwert der eigenen Produkte/Dienstleistungen zu behaupten.
Also möglichst viele „Einbrecher“ in die Bestandskundschaft einladen?
Ja und nein. Der Immobilienmarkt ist B2B getrieben. D. h., dass die Partnerschaften, wenn möglich, immer wieder auf Vertrauensbasis aufgebaut werden. Unsere Industrie ist stark fragmentiert, was ihr eine enorme Flexibilität gibt, um immer wieder zu schrumpfen und zu wachsen, je nach Projekt, Bedarf oder Zyklus. Ein Stein ist ein Stein, und man kann da nicht viel mit machen. Eine Lego-Haus, dass immer wieder auseinandergenommen und wieder zusammengebaut wird, bietet bei jedem Zyklus Möglichkeiten dazu, dass etwas diesmal anders verlaufen wird. Diese Variationen werden meistens verhindert durch den Wunsch mit seinen „Habitual Suspects“ wieder einmal zusammen zu kommen. Eigentlich nur weil die Arbeitsweisen, Formate, Kommunikation und Teams halt schon eingefahren sind. Zu Deutsch: Vertrauen. Zu Business: Low Risk.
Und wie hat man sich Ihre Abfangjäger vorzustellen?
Na ja. Die Digitalisierung bringt halt neue Arbeitsweisen, Formate und Kommunikation mit sich. Da passen manche Lego-Steine nicht mehr so zusammen wie gewohnt. Entweder man arbeitet mit offenen Formaten und Standards, oder man dreht sein eigenes geschlossenes digitales Ding, weil es auf den ersten Blick intern leichter erscheint. Das hat aber dann Folgeschäden in der Kollaboration. Solche neuen Spannungen können alte Beziehungen sprengen. Das ist Fakt. Viele Unternehmen schauen sich nach neuen Verbündeten um, die den Kern der neuen Kollaboration geknackt haben, nämlich leichter agile Schnittstellen zu bieten. All dies kann man abfangen, wenn man von sich aus eine Arbeitsweise anbieten kann, die es für alle Bestands-Kunden und Kollaborateure unheimlich leicht und angenehm macht. Bekanntlich sucht die Natur der Dinge den Weg mit dem kleinsten Widerstand.
Neukunden-Akquise
Geschäftsführers zweit größte Sorge in einem gesättigten Markt ist die Neukunden-Akquise. Sie bedeutet in einem gesättigten Markt, dass Bestandskunden von Mitbewerbern abgeworben werden müssen. Da wir uns in einem B2B-Feld bewegen, heißt dies, in die Vertrauensbeziehung zwischen potenziellen Kunden und deren Zulieferern einzubrechen.
Hm, Sie verstehen sich mit Catenda als Einbrecher?
Also eigentlich andersrum: Catenda ist nur eine Open BIM CDE. Wie jedes Werkzeug kann man es auf verschiedene Arten benutzen. Aber wie wir im letzten Punkt sahen, schaut man sich zurzeit um. Wenn eine Beziehung gerade stark gestresst ist, dadurch dass die digitalen Arbeitsweisen und Kommunikation nicht so reibungslos verlaufen wie die analogen, dann kann natürlich der Mehrwert einer starken und gleichzeitig reibungslosen Kollaborations-Technologie ein Schlüssel sein, um neue Türen zu öffnen. Dennoch würde ich es eher nicht als Einbrechen, sondern an der Tür klingeln sehen. Diese wird dann geöffnet und man wird mit Freude empfangen.
Umgekehrter Lenin: Ist Kontrolle gut und Vertrauen besser?
Vertrauen ist die Basis jeder B2B-Beziehung. Es ist die Währung der Geschäfte. Kontrolle sind nur Mechanismen, um sicher zu stellen, dass bestimmte Sachen entsprechend bestimmten Qualitäten passieren.
Neue Geschäftsmodelle
Die drittgrößte Sorge eines Geschäftsführers ist es, immer wieder neue Wertschöpfungen und Varianten des Business-Modelles zu finden. Hier handelt es sich um strategisches Denken, dem bewusst ist, dass nichts wirklich besteht, dass die Mitbewerber mit immer neuen kreativen Ideen an die Bestandskunden herantreten, und dass in diesem Austausch auch immer wieder neue Geschäftsmodelle und Felder entdeckt werden. Wer da den Zug verpasst, kann schnell aus dem Geschäft sein.
Wie verhindern GF da den notorischen alten Wein in neuen Schläuchen?
Niemand sitzt in einer GF ohne zu verstehen, dass Business auf Risiko basiert. Es ist immer die Interaktion zwischen zwei Beteiligten, die verschiedene Erwartungen haben. Z. B. ein Apfel, denn ich habe Hunger, gegen einen Euro, denn ich muss die Miete zahlen. Wenn der Apfel am Ende nicht meinen Hunger stillt, habe ich ein schlechtes Geschäft geschlossen. Je kleiner das Risiko, desto kleiner die Margen. Je gesättigter der Markt, desto kleiner die Margen. Was muss man dann als schlaue GF machen? Dem Risiko folgen. Risiko fließt die Wertschöpfungskette rauf und runter und findet immer wieder neue Wege sich zu manifestieren. Ob man als Bauunternehmen versucht, mit einer digitalen Planung und Simulation das Risiko in Betriebsphasen zu meistern, und deswegen mit einem Angebot in den Markt eintritt, die Planung zu übernehmen, mit der Bedingung die FM Verträge der nächsten 20 Jahre zu bekommen; oder ob man als Architekt den Entwurf koppelt, mit einem Vertrag für die Instandhaltung des Digitalen Zwillings über die ersten 10 Jahre der Bewirtschaftung, sei dem einzelnen überlassen. Klar ist nur, dass man die Realität einer Datengetriebenen Industrie durch die Risiko-Linse sehen muss, um diese grünen Felder zu sehen.
„dass nichts wirklich besteht“ – Der Austausch durch die Aktivitäten der Mitbewerber wäre also ein Kampf gegen Windmühlen?
Also wenn Sie mich fragen, habe ich zurzeit den Eindruck, dass sogar das Konzept „Mitbewerber“ in der Luft steht und von manchen neu erfunden wird durch die Linse Kooperation. Eher Go als Schach.
Normen/Vorschriften/Data Sicherheit/GDPR (General Data Protection Regulation)
Wir leben in einer immer stärker genormten Industrie-Gesellschaft. Allein die Digitalisierung ist so neu und komplex, dass sie viele neue Fragen stellt, in Hinsicht auf Verantwortungen, Datensicherheit, Datenautorität, Workflows und Langzeit-Haltbarkeit der Daten. Diese Veränderungen werden von Geschäftsführungen als Bedrohungen identifiziert und in den meisten Fällen werden Arbeitsgruppen beauftragt diese zu analysieren.
Eine Runde CDE-OM für Geschäftsführungen – sehen Sie Ihre Aufgabe darin, diese zu entspannen?
Wahrscheinlich können wir wirklich in bestimmten Fällen zur Entspannung beitragen. Dennoch reden wir hier von gerechtfertigten Überlebensfragen der Entscheider unserer Industrie. Da sollte man eher sehr ernst bleiben. Daten-Legislation in ständig mutierender Form ist nicht angenehm. Daher ja: in dem Sinne, dass wir Produkte anbieten, die das Thema lösen. Dennoch ist immer wichtig zu verstehen wie und warum.
Szenarien für den digitalen Kontrollverlust wurden schon in der digitalen Steinzeit entworfen – virulent sind sie immer. Wie begegnen Sie dem?
Ich persönlich bin jetzt seit einigen Jahren in der Digitalisierung der Bauindustrie auf verschiedenen Software-Anbieter-Seiten aktiv. Meine Erfahrung ist, dass den meisten GFs bewusst ist, dass Kontrollverlust seitens Ihrer Mitarbeiter immer da war, schon vor der Digitalisierung. Die digitale Kollaboration macht diesen Kontrollverlust halt peinlich sichtbar. Dies hat aber auch einen wundervollen Nebeneffekt. Da ich es jetzt sehen und messen kann, kann ich daran arbeiten. Die digitalen Werkzeuge und Methoden haben mit sich gebracht, dass wir unsere eigene Qualität zum ersten Mal richtig hochschrauben können. Die, die wollen, können und machen das. Die, die eher den Fokus auf die Nachteile setzen, vergeuden alle ihre Energie im Versuch zu verhindern, transparent zu werden. Es ist die alte Kultur des Versteckens der Schwächen. Dennoch sinnlos. “If you’re going to get naked, then you’d better be buff” (Don Tapscott).
Datengetrieben und intelligent
Geschäftsführer sind Menschen, die sich darüber informieren, auf was sie sich künftig gefasst machen müssen. Seit Langem schon bombardieren die Medien sie mit der Botschaft: Daten sind das neue Öl. Die Unternehmen müssen ihre Daten in Intelligenz verwandeln können. Nicht lernende Unternehmen werden in der Zukunft gnadenlos untergehen. Nur keiner sagt ihnen genau was das in ihrem Fall bedeutet. Viel heiße Luft und dahinter unzählige Unternehmen, die Ihre Consulting-Stunden auf den Markt hauen müssen.
Sind Daten das neue Öl oder is oil the old data?
Erdöl befindet sich auf dem ganzen Globus verstreut. Manchmal in wunderschönen Großen „Säcken“ und manchmal komplett „mikrogemischt“ mit allem möglichen Zeugs. Der Unterschied ist, dass man die erste Variante schnell extrahieren, raffinieren und in Energie verwandeln kann; die Zweite, je nach Grad, niemals auch nur aus dem Boden bekommen wird. Und mit den Daten passiert das gleiche. Dass wir sie haben, ist klar. Aber je nach Entscheidungen der Strategen der Unternehmen, werden diese so abgelegt, dass auch in hundert Jahren niemand etwas damit anfangen kann. Ist eventuell sogar gewollt? Weiß ich nicht. Was aber klar ist, ist das alles, was unter dem Titel „Data Driven“ passiert, erst einmal davon ausgeht, dass die rohen Daten extrahierbar sind. Es muss Datenträger geben mit Daten, dann muss die Ernte passieren, danach werden die Daten raffiniert (Geordnet und getaggt je nach Bedarf), und dann erst können die schönen Intelligenz-Tools anfangen, strategisch spannende Dashboards auszuspucken. Wie gesagt, liegt der Clou (wie beim Öl) im Ursprung. Packe ich jedes Projekt meines Unternehmens in eine geschlossene Dose, mit geschlossenen Formaten, dann habe ich meine Weisheit verschenkt. Arbeite ich hingegen mit offenen Plattformen und Formaten, dann kann ich auch in 30 Jahren meine Daten aufkochen und etwas Neues in Ihnen lesen. Solange der Software-Konsum seitens der Unternehmen vom letzten Benutzer definiert wird, da keine digitale Strategie vorhanden ist, solange werden leider tonnenweise geschlossene Werkzeuge ihren Weg auf den Markt finden.
Wer nicht lernt, geht immer unter – ist das nicht etwas binsenweise?
Sehe ich genauso. Da ist nix Neues dran. Wir sind leider in unserer Industrie (rein nach Statistiken) nicht gerade die Innovativsten, Lernendsten und intelligentesten. Wenn man sich die Grafiken anschaut, wird es einem mulmig.
Klagen
Die Bauindustrie ist rein von ihrer Genetik her stark Nachtrag-getrieben. Viele Beteiligte, viele Veränderungen, viele gegensätzliche Interessen. Angebote, die unter Kosten liegen. In einer enormen Anzahl von Projekten kommt es früher oder später zu Klagen. Geschäftsführer sind das gewohnt und lernen früh, dass ein wichtiger Teil Ihrer Rolle darin liegt, diese Klagen im Vorfeld zu bearbeiten und dann anzufechten.
Wollen Sie den Rechtsabteilungen in den Bauunternehmen etwa an den Kragen?
Nicht leicht. Theoretisch müsste eine starke Digitalisierung der Industrie kollateral eine höhere Transparenz mit sich bringen. 1 + 1 = 2. Eine höhere Transparenz ist aber ein Störfaktor in einer Industrie, in der bekanntlich sogar unter Preis angeboten wird, denn kulturell ist es als normal angesehen, dass Nachträge und Veränderungen dann die verlorenen x % wieder reinspielen. Daher eigentlich bei wachsender Transparenz, schrumpfendes = plus minus Risiko = schrumpfendes Nachtrags-Management. Obwohl ich diesseitsorientiert und rational gläubig bin, macht mich meine Weltansicht dennoch nicht blind für die Erkenntnis, dass sich unsere Industrie den Gesetzten der Logik entzieht. Wir mischen die Lego-Steine (Beteiligten) der Wertschöpfungskette durch Projekte (momentane Vorhaben mit Anfang und Ende) quer durch ein Ökosystem, gemischt aus privatem und öffentlichem Vorhaben. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns Richtung eines sauber ablaufenden Prozesses bewegen, scheint mir eher unwahrscheinlich. Die Interessen in unserer Industrie, die dazu führen, dass viel Nachtrag passiert, sind mit Technologie nicht zu lösen. Dennoch ist ein anständiges Informations-Management System wie Catenda ein fantastisches Verhütungsmittel für die eigenen Interessen.
Rechtsanwälte haben sich frühzeitig auf juristische Implikationen der Digitalisierung des Baus gestürzt. Findet hier nicht eventuell nur eine Problemverlagerung statt?
Also mal im Ernst: Rechtsanwälte befinden sich auch in einem gesättigten Milieu auf freiem Markt. Wenn da jemand kommt und sagt, dass die Industrie, die einer der großen Pizzateile der globalen Ökonomie ist, und zugleich eine der übernormtesten, jetzt starke Veränderungen im Flux der Information erwartet …, dann würde ich als Rechtsanwalt auch sofort auf diese neue Wiese springen wollen. Auf der anderen Seite haben wir die Vertreter des Establishments, denen bewusst ist, dass Kurven kommen (man kann sie auf Wunsch auch Lobbyisten nennen …). Die schicken natürlich auch alle Ihre Soldaten an die Front, nur um erstmal zu bremsen, während sie versuchen auszutüfteln, wo ihr Risiko hinfließt und wie oder ob sie Ihm folgen können.
Information ist eine Form von Energie. CDEs, Informations-Plattformen, Projekträume, oder wie man sie auch nennen mag, können die Batterien sein, die diese Energie aufbewahren und später wieder abgeben. Zurzeit breiten sich viele Varianten dieser Batterien auf dem Markt aus, mit sehr verschiedenen Ansätzen. GFs müssen jetzt schon den Instinkt und Durchblick haben, wenn sie keine digitale Niete ziehen, sondern gesund in die Zukunft wachsen wollen.