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Kolumne Falk Jaeger

Deutsche Ingenieure sind die besten

Ungläubiges Staunen überkommt den Betrachter, wenn er sich in Google Earth die Baustelle des neuen Istanbuler Flughafens ansieht (im Suchfeld eingeben: 41,27 28,74). Das Luftbild ist gerade mal drei Monate alt. 70 Hektar Terminal, noch weitgehend ohne Dach. Eine Startbahn mit zwei Taxiways ist zusehen, die Rollbahnen zum 2,7 km entfernten Terminal fehlen noch. 30 Quadratkilometer Erdarbeiten auf dem ehemaligen Tagebauareal mit bis zu 50 Meter tiefen Wassertrichtern – ein nicht eben komplikationsloser Baugrund („vermintes Gelände“ titelte die FAZ kürzlich zweideutig). Hier sollen in 15 Monaten Flugzeuge starten?

Flughafen

Flughafen (Symbolbild) (Foto: Guido Vrola)

Denn Eröffnungstermin wird das vierte Quartal 2018 genannt, gut vier Jahre nach Baubeginn. Voraussichtlich der 29. Oktober, der Nationalfeiertag. Dann sollen drei Landebahnen in Betrieb sein und 90 Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt werden können. 2028 mit dann sechs Landebahnen 200 Millionen Fluggäste auf dem größten Flughafen Europas. Gibt es Zweifel an diesem Terminplan? Bislang offenbar nicht.

Aus deutscher Sicht grenzt es an ein Wunder und wir fragen uns: Wie ist das möglich? Natürlich ist auf das politische System zu verweisen. Den Anstoß zur Planung gab die Bewerbung Istanbuls um die Olympischen Spiele 2020 (bei der allerdings Tokyo den Vorzug erhielt). Dann hieß es, man wolle das bedeutendste Luftdrehkreuz zwischen Europa und Asien entwickeln. Der Airport wurde zum Prestigeobjekte des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Und da werden eben alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Und Terroristen nicht geduldet. „Terroristen“? Ja, denn in der Türkei hat in knapp zwei Jahren offenbar eine Begriffsverschiebung stattgefunden. Den Begriff „Kritik“ (Eleştiri) hat man im öffentlichen Bereich umständehalber kurzerhand durch „Terörizm“ ersetzt. Sämtliche „Eleştirmenler“ sind heute „Teröristler“ und infolge dessen viel einfacher im Umgang. Man sperrt sie einfach weg, und die Bagger können weiter arbeiten.

Freilich hat man in Berlin das Gefühl, dass der Flughafen BER keinen Tag früher eröffnen würde, könnte man an der Spree gleichermaßen vorgehen. In Istanbul wäre niemand auf die Idee gekommen, ein solches Megaprojekt von laienhaften Politikern und Behörden managen zu lassen. Es ist ein höchst professionelles privates BOT-Modell (Built, Operate,Transfer), das erst nach 25 Jahren in Staatsbesitz übergeht. Und jeder Monat Verzögerung kostet zwar ebenfalls Millionen, aber eben privates Geld, das schmerzt. Gehen wir mal davon aus, dass die Geldgeber dem Präsidenten nicht eben fremd sind. Ebensowenig wie die ausführenden Baukonsortien.

Während also in Deutschland Politik/Bauherr und Bauwirtschaft sich in den Schützengräben gegenüberliegen und juristische Schriftsätze hin- und herfeuern, währenddessen Baufirmen an jedem Tag Verzögerung prächtig verdienen und deshalb keinerlei Interesse an der Fertigstellung haben, ziehen in Istanbul alle an einem Strang, denn sie verdienen erst so richtig an einem fertiggestellten, funktionierenden Flughafen.

An mangelnden Fähigkeiten der deutschen Ingenieure und Baufirmen kann das BER-Desaster übrigens nicht liegen. Die FAZ zitiert den Vorstandsvorsitzenden der Flughafengesellschaft IGA Yusuf Akçayoğlu, der die deutschen Ingenieure als die besten der Welt lobe und viele Aufträge nach Deutschland vergebe. 80 Prozent der Lastwagen stammen von Mercedes-Benz oder MAN, Kräne und Bagger von Liebherr. Die Passagierbrücken liefert Thyssen-Krupp. Und natürlich fressen sich Tunnelvortriebsmaschinen vom Weltmarktführer Herrenknecht auf der Trasse der neuen Metro von der Innenstadt in Richtung Flughafen. Sie werden voraussichtlich mit etwas Verspätung ankommen. Aber kein Vergleich mit Berlin, wo die Bahn es trotz zehn Jahren Verzögerung der Flughafeneröffnung nicht einmal schafft, eine direkte oberirdische S-Bahnverbindung rechtzeitig bereitzustellen.

Noch trägt der neue Airport den “Arbeitsnamen” İstanbul Yeni Havalimanı (neuer Flughafen). Doch die Einladung zur Eröffnung des Airports “Istandbul Recep Tayyip Erdoğan“, die Fähnchen, Banknoten und Briefmarken mit dem Konterfei des Demiurgen sind bestimmt schon gedruckt.

Leserkommentare

  1. Lutz | 6. August 2017

    Spässle!!

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Datum 1. August 2017
Autor Falk Jaeger
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