Kolumne Reinhard Hübsch
die neuen helden in film und literatur: architekten und bauingenieure II
die männer (und frauen) am reißbrett und an den cad-rechnern erobern nicht nur die literatur, auch aus den kino- und fernsehwelten sind sie kaum mehr wegzudenken, im gegenteil: nachdem in „fountainhead“ (1949) von king vidor 1949 der smarte architekt howard roarks (eine mischung aus frank lloyd wright und ludwig mies van der rohe, verkörpert von cary grant) die bauwelt wahrlich explodieren ließ, herrschte lang zeit ruhe auf den cineastischen baustellen. da kam 2009 „der architekt“ in die kinos, sein name: georg winter, mittelpunkt einer familie, deren statik brüchig ist und die alsbald auseinanderfällt wie ein morbider holzschuppen. josef bierbichler spielt den grantigen baumeister winkler, für den die architektur die einzige kunst ist, bei der „es möglich ist, durch seine eigenen gedanken zu gehen“ – allein für diese schöne wahrheit lohnt der ganze poetische film.
wer da einwendet, dass etwa in tatis „mon oncle“ (1958), in seinem bitterbösen „playtime“ (1967) doch ebenfalls die damen und herren vom bau zu wort kamen, dem wollen wir gar nicht widersprechen – und doch darauf hinweisen, dass die baukunst und ihre vertreter selten so oft auf zelluloid gebannt und in pixel gespeichert wurden wie derzeit. christopher nolans meisterwerk „inception“ (2010) lässt seine protagonisten durch einstürzende neubauten stolpern, imaginiert ein um- und aufklappbares paris – und nolan kann dieses gedankenexperiment nur realisieren, weil in seinem düsteren epos die junge architektin ariadne (gespielt von ellen page) dem mephistophelischen cobb (leonardo dicaprio) das nötige know how liefert.
wer als ingenieur oder architekt der frivolen lust am weltuntergang frönen möchte, hat auch dazu gelegenheit, und zwar seit roland emmerichs „2012“ (2009). der katastrophenspezialist lässt da gleich den ganzen planeten auseinanderbrechen. die politiker ahnen das desaster, und damit wenigstens einige menschen die chance zum überleben haben, lässt der us-präsident gigantische archen erbauen – der kinozuschauer darf mit auf die baustelle und den ingenieuren über die schulter schauen.
aber nicht nur das gigantomanische hollywood lässt die baukünstler und ihre arbeit vor unseren augen paradieren, auch das kleine deutsche kino. in tom tykwers „drei“ (2010) etwa sehen wir eine irritierende amour fou: sophie rois mimt eine kultur-tv-moderatorin, devid striesow den stammzellenforscher adam, und die beiden lieben und werden geliebt von dem baukünstler simon (dargestellt von sebastian schipper). dass uns diese dreiecksgeschichte folgerichtig ein best of der neu- und altbauten berlins präsentiert, vom winterbadeschiff in treptow über mies‘ neue nationalgalerie am kulturforum bis zum martin-gropius-bau in kreuzberg erscheint da nur folgerichtig.
auch „alle anderen“ (2009) von maren ade ist ein beziehungsdrama – so brillant gespielt und inszeniert, dass birgit minichmeyer als gitti gleich mit dem silbernen bären der berlinale ausgezeichnet, dass regisseurin maren ade gar den großen preis der jury entgegennehmen konnte. gitti verlebt ihren urlaub auf sardinien, gemeinsam mit ihrem chris, der als architekt mehr schlecht als recht über die runden kommt. als die beiden zufällig sana und hans begegnen, nimmt das elend seinen lauf, denn die beiden männer kennen sich vom architekturstudium, und nun lernen sie sich neu kennen – nicht nur für ehe-zyniker ist der film ein genuss!
da kann „weihnachten … ohne mich, mein schatz“ (2011) nicht mithalten – zwar spielt ein wunderbar aufgelegter henry hübchen als architekt ruprecht welser eine zentrale rolle in dem film, der von investorengelüsten und mieter-elend erzählt. was nach den auseinandersetzungen um das westend in frankfurt und die hafenstraße in hamburg zur bitterbösen kömodie hätte werden könnte, erweist sich dann doch nur als ein kleines, nettes komödchen, in der jutta speidel als architektengattin johanna in den ehe- und städtebaukrieg zieht – so lieb und nett, dass die dritten fernsehprogramme das bau-drämchen eben gern wiederholt haben.
und ebenso in leichtbauweise zusammengezimmert wurde „tür an tür“ (2012), eben von der ard ausgestrahlt: die geschichte der jungen architektin sophie mehnert (gespielt von tanja wedhorn), die sich nicht nur mit einem ruppigen chef herumschlagen muss, sondern auch mit einer nachbarin, die heimlich sophies e-mails mitliest, und mit einem chefarzt, dem sie in liebe verfallen ist, der aber seine ehe nicht aufgeben will. für architekten ist dieser von matthias steurer in szene gesetzte spielfilm allenfalls dann amüsant, wenn sophie im büro-alltag zu beobachten ist
dass fernseh-unterhaltung nicht so bescheiden sein muss, demonstrierte im august 2013 regisseur matthias tiefenbacher in „gestern waren wir fremde“. die junge münchner bauingenieurin sophie ferber (sensationell gespielt von lisa wagner) hat die nachfolge ihres vaters karl angetreten (souverän gemimt von thomas thieme), der eben zum witwer wurde. da lernt die spröde sophie den jungen max kennen, die beiden verlieben sich – und alsbald tut sich ein abgrund zwischen den welt der architektur und der der bauingenieure auf, ein familiendrama wird heraufbeschworen, das man so nicht einmal an cad-bildschirmen und reißtischen gesehen hat.
wer aber auf das kino ohne bilder schwört, der erinnert sich, dass auch die hörspiel-kunst der vergangenen jahre nicht ohne die baumeister ausgekommen ist, was wir nur an zwei beispielen illustrieren wollen: 1954 schrieb max frisch für den hessischen rundfunk „der laie und die architektur“ – ein thesenpapier als plädoyer für eine demokratische stadtplanung, von mehreren stimmen vorgetragen als eine eloge auf die modernen konzepte eines le corbusier und eines oscar niemeyer – urgesendet am 22. dezember 1954. Wesentlich ambitionierter ist da „rückschau. hörtanz“ von david zane mairowitz, dem altmeister der zunft, in der eine dramatische liebesgeschichte im berlin der 80er jahre memoriert wird, im mittelpunkt: der zwar unsicht- und unhörbare architekt j. k., der gleichwohl ein furioses eifersuchts-erdbeben auslöst – in diesem jahr von südwestrundfunk urgesendet.
bilanz: ohne architekten und bauingenieure geht in der kunst nichts mehr – nicht nur in der baukunst!