Einen Besuch wert
Die Stadthafenbrücke Sassnitz
Sassnitz ist ein Ostseebad im Nordosten der Insel Rügen. Die Kleinstadt ist bekannt für den Fährhafen und den nahegelegenen Nationalpark Jasmund mit der Kreideküste und den UNESCO-Weltnaturerbe-Buchenwäldern. Für die Stadtentwicklung war eine kurze Verbindung zwischen Bahnhof und Zentrum auf den geologisch sensiblen Klippen und dem 22 Meter tiefer liegenden Stadthafen von großer Bedeutung.
Eine Seilbrücke mit nur einem Mast löst diese Aufgabe mit scheinbar mühelosem Schwung und bewahrt den freien Blick auf Hafen und Meer. Prof. Mike Schlaich, zusammen mit Andreas Keil für Entwurf und Engineering verantwortlich, beschreibt es so: „Die Brücke ist ein schönes Beispiel für einen aus den gegebenen Randbedingungen entwickelten Entwurf. Ein Wahrzeichen sollte entstehen, große Höhenunterschiede barrierefrei überwunden werden und das ostdeutsche Sassnitz mit dem ehemaligen Transithafen verbunden werden. Entstanden ist eine verbindende und versöhnende Geste, eine leichte Hängebrücke mit Kreisringträger als Balkon zum Meer für alle.“
Etwas technischer: Eine 119 Meter weit gespannten Stahl-Seilbrücke mit einem Stahlhohlkasten als Kreisringträger und eine 124 Meter lange Rampenbrücke als zweistegiger Stahlverbund-Plattenbalken – in Summe 365 Tonnen Stahl S355 und S460 – ermöglichen ohne die Kreidefelsen zu belasten eine Verbindung mit einem konstanten Gefälle von sechs Prozent. Mit einer 12 Zentimeter starken Beton-Lauffläche sowie einem außen angeordneten Bleches ist das dynamische Verhalten gutmütig, so dass Schwingungstilger nicht erforderlich sind. Die einseitige Aufhängung des Kreisringträgers an Kragarmen seitlich der Lauffläche erfolgt im Schwerpunkt des Überbaues.
Die leichte Neigung des Mastes zur Brücke hin resultiert in einer dauerhaften Zugbeanspruchung der wartungsarmen, galfanbeschichteten Abspannseile. All das verleiht der durch und durch soliden Brücke einen Hauch von unerhörter Schwerelosigkeit – pretty o’nothing kann man bei Wilfried Dechau nachlesen.
Die Stadthafenbrücke Sassnitz ist einen Besuch wert, weil hier bewundert werden kann, dass intelligenter Leichtbau fast nicht zu sehen ist. Und nebenbei: vom Stadtbalkon mit Weitblick auf Hafen, Schiffe und Ostsee glaubt man nordöstlich Caspar David Friedrichs Kreidefelsen zu erahnen.
Stadthafenbrücke Sassnitz
Rügenplatz, 18546 Sassnitz
www.sassnitz.de
Entwurf & Tragwerksplaner: schlaich bergermann partner Stuttgart
Prüfingenieur: Frank Breinlinger Stuttgart
Windgutachten: Wacker Ingenieure Birkenfeld
Bauüberwachung: Architekturbüro Pieper Binz
Stahlbau: Donges Stahlbau Darmstadt
Seile: Carl Stahl Süssen
Betonbau: Mölders Baugesellschaft Hannover
Bauherr: BIG Städtebau Mecklenburg-Vorpommern
Deutscher Brückenbaupreis 2010 Kategorie Fuß- und Radwegbrücken
Leserkommentare
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Udo Morgenschweis | 19. September 2020
Die Brücke sieht gut aus. Im Oktober können wir sie in Natura Bewundern