Bauen digital
Digitalisierung und BIM zwischen „es war einmal“ und „es wird einmal“
Über das Märchen vom Allheilmittel der Baubranche
„Es war einmal …“ – der gute, alte Märchenbeginn. Dann gibt es zumeist viel Drama und fast immer ein happy ending mit zufriedenen, wo nicht glücklichen Menschen. Übersetzt auf die Baubranche und die Digitalisierung derselben, würde ich mir wünschen, dass es wie im Märchen ausgeht. Und wirklich: Die
Chancen stehen gut, dass Architekten, Ingenieure, Fachplaner, Bauunternehmen und Bauproduktehersteller die kommenden Jahre der digitalen Transformation gut überstehen, gestärkt aus ihr hervorgehen, und wenn sie nicht gestorben sind, noch heute leben … Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sie sich jetzt auf die Zukunft vorbereiten. Das ist einfacher gesagt als getan. Und vor allem die digitalen Planungsmethoden und das allgegenwärtige BIM verunsichern viele.
In dem verkürzten Anglizismus BIM steckt ein wichtiges Wort: Information. Sie ist die Grundlage, um überhaupt zu verstehen, was sich im Bauen verändert. Mit Plan.One liefern wir planungsund baurelevante Informationen. Unsere webbasierte Plattform bietet für die vielen Aufgaben im Zuge der Digitalisierung wertvolle Hilfestellung. Sie schaff t es, durch den Einsatz von Logik und Produkttransparenz eine zielgerechte Auswahl von Bauprodukten mit wichtigen Produktinformationen und BIMDaten zu verknüpfen. Denn ohne Information erwächst keine neue Erkenntnis. Doch weitaus gefährlicher als fehlende Informationen, sind falsche Informationen. Fake News oder Märchen eben.
Rund um die digitale Planung und BIM ist im vergangenen Jahrzehnt das ein oder andere Märchen entstanden, das fast zur Legende wurde. Es sind immer wieder die gleichen Vorurteile, die wir bei Plan.One im Dialog mit Architekten, Planern und Unternehmern hören. Wir haben die Märchen und Halbwahrheiten
gesammelt, diskutiert und auf den folgenden Seiten in 13 Abschnitten widerlegt. Denn BIM ist weder Hexenwerk noch Allheilmittel. Unserer Auff assung nach ist es eine Arbeitsmethode, die unter anderem die Planung effi zienter und produktiver für alle Beteiligten machen wird. Es wird einmal – statt es war einmal.
“BIM ist eine Software”
BIM ist eine Methode zur besseren Planung, Ausführung und für den Betrieb von Gebäuden. Und keine Software. Die BIMSoftware ist jedoch das Werkzeug, mit dem die Planer und Architekten digital modellieren. Wie bei allen Werkzeugen gilt: Übung macht den Meister im Umgang mit dem Planungstool. Eine Schulung, die das Projekt durch den Softwarepartner oder externe Unterstützung durch unabhängige Berater bei der Einführung von BIM begleitet ist daher sinnvoll und oft nötig. Denn die internen Büroprozesse müssen in der Methode ebenfalls angepasst werden: ChangeManagement und Prozessoptimierung sind hier die passenderen Stichworte.
“Ein bisschen BIM, das reicht doch aus”
Aktuelles Szenario aus der Baubranche: Der Bauherr fordert BIM – kennt aber den damit verbundenen Planungsprozess gar nicht. Und der Architekt verspricht BIM, ohne die Anforderungen und Wünsche des Bauherrn in Bezug auf BIM zu hinterfragen. Und kennt den Prozess ebenso wenig. Das ist nicht zielführend. Für das Bauvorhaben müssen beide die exakten Anforderungen kennen und festlegen. Die AuftraggeberInformationsAnforderungen (AIA) sind die Basis für das Pfl ichtenheft im Projekt, den BIMAbwicklungsplan (BAP). Beides sind wichtige Grundlagen für ein erfolgreiches BIMProjekt. Mal „so ein bisschen BIM“ ist das dann keineswegs mehr. Aber erfolgversprechend.
„BIM löst jedes Planungsproblem“
BIM bewirkt keine Wunder. Eine Planung nach der Methode ist immer nur so gut, wie die beteiligten Partner im Bauvorhaben. Das war schon vor BIM so und bleibt es auch in Zukunft. In der aktuellen Situation bietet sich das Bild einer Branche in „Goldgräberstimmung“: Da liegt scheinbar Geld auf der Straße, das mit BIM schnell geborgen werden kann. Das Argument, digitale Planungsmethoden wie BIM verringern das Risiko teurer Planungsfehler, ist durchaus
korrekt. Jedoch gehört hierzu ebenfalls, dass Fachplanungen transparent und off en ausgetauscht werden und die Kollaboration zwischen den lanungsbeteiligten
möglichst reibungslos funktioniert. Und selbst dann kann BIM viele Planungsprobleme lösen, aber keineswegs alle.
„BIM ist was für große Büros“
BIM nur in großen Büros? Das ist ein Irrtum! Es gibt inzwischen genügend (auch publizierte) positive Beispiele, die zeigen: BIM ist ebenso in kleinen Büros möglich. Man muss es nur wollen und sich die passenden Partner bei der Einführung der Methode im eigenen Büro dazu holen. Der Nutzen einer BIMPlanung
erschließt sich ebenso für große, wie auch für kleine Projekte. Sowohl Softwarehersteller als auch Institutionen wie Architekten und Ingenieurkammern
bieten erste Orientierung. Hinzu kommen berufsbegleitende Ausund Fortbildungen zum BIMSpezialisten. Und was tun, wenn man im Alltag so eingespannt
ist, dass eine Fortbildung oder ein ergänzendes Studium ausfällt? Es gibt inzwischen Spezialisten, meist selbst Architekten oder Ingenieure, die Kollegen bei der Einführung unterstützen. Und zwar am konkreten BIMProjekt, das sie durch alle Planungsphasen begleiten. Hinzu kommen die regionalen BIMGruppen,
in denen Anwender mit Anwendern sprechen. Weitere Infos dazu sind z. B. unter www.buildingSMART.de oder bei den Länderkammern der Architekten und Ingenieure zu finden.
„BIM ist teuer“
Das ist ein schwerwiegendes Argument, das die Diskussion um BIM immer wieder anheizt. Wahr ist: Die Einführung von BIM bedeutet Zusatzaufwände, die in verschiedenen Bereichen bei der Implementierung der Methode entstehen. Mit einem aktuellen, professionellen Planungsprogramm und einem funktionierenden Computer ist jedoch die Hürde beim Thema Software bereits genommen. Im besten Fall sogar ohne Mehrkosten, da das Programm bereits
gekauft ist oder sowieso gemietet wird. Die gängigen CADPlanungsprogramme sind inzwischen BIMtauglich. Hinzu kommen also vor allem ArbeitszeitAufwände
bei der Umstellung der Büroprozesse auf BIM. Im Gegenzug werden aber Aufgaben automatisiert (Türlistenerstellung, Massen und Mengenermittlung), die zuvor viel Zeit gekostet haben. Ein weiterer Aspekt ist die hohe Qualität in der Planung: Durch BIM lassen sich viele Fehler, die sonst erst auf der Baustelle aufgefallen wären, bereits während der Planung eliminieren.
„BIM nimmt Kreativität“
Dieses Vorurteil hält sich schon seit einem guten Jahrzehnt in den Köpfen vieler Skeptiker. Dabei ist es keineswegs so, dass BIM Kreativität raubt. Vielmehr führt es zu einer offenen und verbindlichen Kommunikation miteinander – auf Büroebene genauso, wie auf der Ebene der Planungspartner. Es verleiht der Projektplanung Struktur und automatisiert lästige Arbeitsprozesse, wenn ein Projekt konsequent als BIM-Projekt umgesetzt wird. Damit, so sagen BIM-Anwender unisono, wird wertvolle Arbeitszeit freigesetzt, die in andere und wichtige Dinge investiert werden kann. Also auch in den Kreativprozess des Entwurfes, in eine knifflige Detaillierung oder die eigene Fortbildung. Und BIM ermöglicht, in gleicher Zeit mehr zu leisten: Ein eingespieltes
BIM-Team kommt effizienter und schneller zum Ziel, verglichen mit einer konventionellen Planung. So hören wir es immer öfter von BIM-Anwendern, Architekten und Fachplanern.
„BIM ist nur eine Mode“
Das stimmt nicht. Anders als Moden, die im Normalfall zum Frühjahr und zum Herbst/Winter jeden Jahres neue Impulse geben, ist BIM als Teil des Megatrends Digitalisierung eine gesetzte Größe. Und es begleitet uns im Prinzip seit den 1970er Jahren, in denen die ersten 3Dorientierten Konzepte entstanden. Selbst wenn
in den 1970ern oder 1980ern keiner von BIM sprach, sondern von modellorientierten Konzepten und Systemen, ist BIM damit älter als viele vermuten. Dennoch: Der Begriff wird in den kommenden Jahren wieder verschwinden. BIM wird in dem Themenfeld „Digitalisierung des Bauwesens“ aufgehen, in dem es nur einen Teilbereich, nämlich den der Planung, abbilden kann.
„BIM heißt reibungsloser Datenaustausch“
Leider stimmt das so noch nicht. Dennoch: Ein offener Datenaustausch im BIM-Planungsprozess ist wesentlich für den Erfolg eines Projekts. Das betrifft nicht allein die direkte Kommunikation der Planungspartner miteinander. Ebenso wichtig ist die verlustfreie Übergabe der Planungsinformationen von einem zum anderen Planungsbeteiligten. Das funktioniert dank plattformoffener Datenaustauschformate wie den Industry Foundation Classes (IFC) oder dem BIM Collaboration Format (BCF) inzwischen recht gut. Jedoch nicht perfekt. Hier sind die Programmhersteller in den kommenden Jahren verstärkt gefragt, den Im- und Export stetig zu verbessern. IFC als herstellerübergreifendes Format wird von dem unabhängigen Verein buildingSMART, bestehend aus unterschiedlichen Vertretern der Industrie-Stakeholder, kontinuierlich weiterentwickelt und optimiert. Parallel dazu müssen die Schnittstellen und Funktionen der verschiedenen BIM-Programme harmonisiert werden.
„Zuviel BIM bezahlt mir keiner“
Nicht Masse, sondern Klasse zählt. Diese Binsenweisheit gilt auch für den BIM-Prozess. Wichtig ist im Vorfeld einer Planung gemeinsam festzulegen, welche BIM-Leistungen wann von wem erbracht werden sollen und in welchem Detaillierungsgrad. Hierzu muss der Architekt gemeinsam mit seinem Bauherrn
die AIA, das Lastenheft, erarbeiten und es in das Pflichtenheft oder den BAP überführen. Der BAP wird verbindlich für alle Planungspartner und Bestandteil
der Verträge. Wird das neue BIM-Projekt so angegangen, ist allen Beteiligten klar, für welche Leistungen der Bauherr bezahlt. Diese Herangehensweise erfordert
separate Verträge, die ergänzende und in der HOAI ggf. nicht aufgeführte Leistungen, detailliert beschreiben.
„BIM spart dem Bauherrn Geld – und Honorar beim Architekten“
Die Kausalkette scheint klar: BIM macht das Projekt effizienter, schneller und transparenter bei Preisen und Planungsaufwänden. Die Vorverlagerung des Planungsaufwands erlaubt früher, gesicherte Entscheidungen zu treffen. Der höhere Informationsgehalt ermöglicht eine genauere Kostenbetrachtung, somit können kostenintensive Änderungen und Anpassungen in späteren Projektphasen vermieden werden. Zeitgleich wird die Arbeit für den Architekten einfacher und seine Risiken bei einer guten Planungskoordination, die BIM verlangt, überschaubar. Die Vermutung, dass sich damit verringerte Aufwände ausschließlich
beim Bauherrn niederschlagen, liegt nahe. Das kann so sein, jedoch muss es nicht so sein. Souveränität im Umgang mit der BIM-Methode stellt sich erst
mit mehreren Projekten ein. Die hat bisher kaum jemand abgewickelt. Umso wichtiger ist es, die Koordinierungsaufwände, die der Architekt und Projektkoordinator, ggf. sogar in Personalunion als BIM Manager hat und die je nach Projektgröße und Projektkomplexität enorm variieren,
zu visualisieren, mit dem Bauherrn durchzusprechen und dann vertraglich festzuhalten. Die Einsicht, dass eine gute Planung später in der Bauphase viel Geld (durch weniger Fehler) spart, sollte erhöhte Planungsaufwände erlauben und eine entsprechende Honorierung rechtfertigen.
„BIM wird kleine Architekturbüros vom Markt drängen“
Die momentane Auftragslage in den Architektur- und Planungsbüros ist sehr gut. Wer nichts zu tun hat, hat vermutlich Grundlegendes über Jahre falsch gemacht. Die Baustellen laufen – egal ob mit oder ohne BIM. Doch liegt in der jetzigen Konjunkturlage eine Gefahr: Viele Büros stellen sich nicht auf die digitalen Planungsmethoden und BIM ein. Meist aus Zeitmangel, seltener aus Ignoranz. An dieser Stelle jedoch zu behaupten, BIM verdränge kleine Büros vom Markt, weil sie die Methode nie anwenden werden können, stimmt nicht (siehe Punkt 4). Es gibt zwei Optionen im Umgang mit dem Fortschritt durch die Digitalisierung und durch BIM: Entweder aussitzen oder anpacken. BIM auszusitzen bietet nur eine Option für diejenigen, die kurz vor der Rente stehen. Für alle
anderen heißt es jedoch, das Thema anzupacken. Neue Allianzen werden sich in den kommenden Jahren bilden, bei denen kleine Architekturbüros miteinander am Markt agieren. Ein Niedergang der Einzelkämpfer ist damit jedoch nicht verbunden. Denn kleine Büros mit großer Spezialisierung werden auch mit BIM weiterhin gebraucht und gewinnen als Dienstleister z. B. für große Planungsbüros immens an Bedeutung.
„BIM-Daten sind nicht durchgängig. Und jeder fängt wieder von vorne an“
Daten sind das Gold der Zukunft. Wer sie besitzt, verfügt über Wissen und Macht. Das haben Konzerne wie Amazon, Facebook oder Alphabet alias Google deutlich gezeigt. Beim Planen und Bauen mit BIM gilt grundsätzlich dasselbe Prinzip. Wer das Datenmodell verwaltet, die Fachplanungen im Modell koordiniert
und deren Qualität überwacht, hat wertvolles Projektwissen bei sich gesammelt. Vor allem ein durchdachtes Qualitätsmanagement hilft bei der Erfassung
durchgängiger Daten und entscheidet über den Informationswert des Modells: Im- und Exportqualität, Issue-Management (das Aufzeigen und gezielte
Beheben von Planungsfehlern in den Fachplanungen der Partner) sowie ergänzende Koordinierungssitzungen mit den beteiligten Fachplanern vor und während der Planungs- und Bauphase verbessern die Transparenz und damit das BIM-Planungsmodell. Ergo: Die Daten sind erst durchgängig, wenn wichtige Parameter für ihren Austausch definiert sind. Ein BIM-Abwicklungsplan (BAP) legt unter anderem die Planungsumgebung, die technischen Standards für den Datenaustausch und die Austauschformate fest, die eine grundlegende Durchgängigkeit im Informationsfluss schaffen.
„BIM wird erst wichtig, wenn es im Bauamt ankommt“
Darauf zu warten, dass die digitale Planung mit BIM von den Städten und Gemeinden gefordert wird, die Planungsqualität beurteilt werden kann und die Methode etabliert ist, wäre fatal. Erst langsam setzt sich die Methode in unseren Kommunen durch. Die Realität bisher: Ein digital erstellter Plan wird analog ausgedruckt, in einem Ordner abgeheftet und an das Bauamt geschickt. Dort wird alles geprüft, die Baugenehmigung erteilt und wichtige Daten werden anschließend eingescannt, um sie digital schnell griffbereit zu haben. Zeitgleich sind die Ämter mit BIM überfordert. Große Probleme sind zum einen die knappe
Personaldecke, zum zweiten die fehlenden Kenntnisse im Umgang mit der BIM-Methode und zum dritten eine ungenügende und veraltete Technik. Die Notwendigkeit BIM einzusetzen, wird jedoch auf Grund politischen Drucks größer: Der Einsatz von BIM für Bauten des Bundes ist bereits festgeschrieben (siehe
z. B. den Stufenplan für die Einführung von BIM beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)). Und auch auf kommunaler Ebene wird die digitale Planung Grundlage für den Zuschlag bei einem Projekt werden. Dass es anders möglich ist, zeigt ein Blick in Richtung Singapur oder nach China. Dort laufen Genehmigungsprozesse weitgehend automatisch ab. Sicher ist auch dies ein Grund dafür, warum der weltgrößte Flughafen in Peking im September 2019 nach nur 4 Jahren Bauzeit eingeweiht werden konnte. BIM ist längst Realität im Jahr 2019. Und die positiven Aspekte, die die digitale Planungsmethode mit sich bringt, überwiegen bei weitem den damit verbundenen Herausforderungen. BIM lohnt sich. Egal, ob im kleinen oder im großen Büro. Entscheidend ist, damit anzufangen.
Konklusion
Im Moment ist Planungskompetenz mit BIM-Einsatz noch ein klarer Marktvorteil. Skepsis vor dem Umgang mit BIM sollte also der offenen Neugier vor dem noch Unbekannten weichen. Die Chancen, die sich für jeden von uns mit der Digitalisierung im Allgemeinen und mit der Digitalisierung des Bauwesens
im Speziellen bieten, sind immens. Neue Berufsbilder wie der BIM-Manager entstehen und Architekten werden zu hoch spezialisierten Dienstleistern
für die Baubranche. Des Weiteren bilden sich starke, kompetente Allianzen wie die regionalen BIM-Cluster. Solch außergewöhnliche Chancen, die eigene
Arbeit grundlegend neu zu gestalten und eine individuelle Nische zu finden, sollten wir gemeinsam ergreifen. Denn BIM und die digitale Planung sind keine Hindernisse. BIM und der digitalen Planung gehört die Zukunft.