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Duales Studium schafft ideale Führungskräfte von morgen
Auch die Bauwirtschaft leidet unter dem demographischen Wandel unserer Gesellschaft. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, gut ausgebildete Nachwuchs-Führungskräfte zu finden. Besonders Führungskräfte mit sowohl theoretischem als auch praktischem Wissen sind gefragt. Absolventen eines dualen Studiengangs, der eine qualifizierte Ausbildung in einem Bauberuf mit einem Hochschulstudium zum Bauingenieur kombiniert, können hier Abhilfe schaffen.
Welchen Nutzen hat das duale Studium für Baufirmen?
Die Bauunternehmen erhalten Führungskräfte, die zwei staatlich anerkannte Ausbildungen absolviert haben, einerseits den IHK-Abschluss in einem anerkannten Bauberuf und den Hochschulabschluss (B. Eng.) an der Fachhochschule Köln. Beide Abschlüsse zusammen dauern insgesamt nur ein Jahr länger als ein Fachhochschulstudium, das heißt statt 3,5 Jahre (=7 Semester) 4,5 Jahre (= 9 Semester). Der gewerbliche Teil des 13. dualen Jahrgangs an der FH Köln beginnt am 1. Juni 2014, Studienbeginn ist Ende September 2014. Allerdings haben noch nicht alle Bewerber einen Ausbildungsplatz.
Herausragende akademische Kompetenzen und baupraktische Erfahrung sind eine Gewinn bringende Kombination. Absolventen des dualen Studiengangs bilden eine Scharnierfunktion in der Bauwirtschaft. Die dual Studierenden sind stets besondere Leistungsträger. Sie entwickeln von Anfang an eine hervorragende Gruppendynamik und erzielen durch diesen Zusammenhalt überdurchschnittlich positive Ergebnisse. Die dual Studierenden sind insgesamt schneller fertig, haben einen besseren Notendurchschnitt und obendrein noch eine mehrjährige Berufserfahrung im Betrieb mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung mit Prüfung von der IHK.
Synergieeffekte entstehen zusätzlich, indem die Studierenden nach Abschluss der Berufsausbildung z.B. in den vorlesungsfreien Zeiten weiterhin in den Baubetrieben arbeiten und Studienleistungen anhand konkreter betrieblicher Fragestellungen erbringen können. Dazu bietet das an der Praxis orientierte Studium, vom Grundstudium über das Hauptstudium bis hin zur Abschlussarbeit, zahlreiche Möglichkeiten in Form von Planungs- und Praxisprojekten.
Duales Studium sucht Ausbildungsplätze in Betrieben
Die FH Köln bietet seit 2002 in Kooperation mit dem Berufsförderungswerk der Bauindustrie NRW e.V. den dualen Studiengang Bauingenieurwesen an, der 2009 bereits durch das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium prämiert wurde, und kombiniert das 7-semestrige Hochschulstudium mit Abschluss zum Bachelor of Engineering (vormals: 7-Sem. Dipl.-Ing.(FH)-Abschluss) mit folgenden gewerblichen und technischen Bauberufen:
- Beton- und Stahlbetonbauer/-in,
- Maurer/-in
- Kanalbauer/-in,
- Rohrleitungsbauer/-in,
- Straßenbauer/-in,
- Zimmerer/-in und
- Bauzeichner/-in
Mittlerweile stehen an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik ein Kontingent von 40 Plätzen für dual Studierende in gewerblichen Berufen und zusätzlich 40 Plätze für dual studierende Bauzeichner zur Verfügung.
Jedes Jahr steigt die Anzahl der Bewerbungen. Bislang können aber leider nicht alle Studienplätze vergeben werden, da es an Ausbildungsplätzen mangelt. Dies ist eigentlich unverständlich, da 17 der 26 Ausbildungsmonate durch die SOKABau gefördert werden. Es besteht somit kein finanzieller Nachteil im Vergleich zu einer Berufsausbildung ohne duales Studium. Unternehmen sind nun aufgerufen, rechtzeitig Ausbildungsplätze für Führungskräftenachwuchs zur Verfügung stellen.
Schlanke Struktur sorgt für klare Verhältnisse
Für die dual Studierenden müssen drei Organisationseinheiten optimal aufeinander abgestimmt werden. Das sind das ingenieurwissenschaftliche Studium an der FH Köln, die überbetriebliche Ausbildung im Ausbildungszentrum Kerpen und das Bauunternehmen als Ausbildungsbetrieb. Das Konzept des dualen Studiengangs Bauingenieurwesen an der FH Köln ist bis heute beispielhaft in Deutschland und wurde mehrfach von Universitäten und Hochschulen übernommen.
Die Beziehungen der Beteiligten untereinander sind durch die extrem schlanke Vertragsstruktur völlig unkompliziert geregelt. Ein Vertragsverhältnis wird dabei nur zwischen dem dual Studierenden und dem Ausbildungsunternehmen abgeschlossen. Die speziell für den dualen Studiengang Bauingenieurwesen entwickelten Ausbildungsverträge berücksichtigen beispielsweise die für das Studium und die überbetriebliche Ausbildung erforderlichen Anwesenheitszeiten sowie die notwendigen Prüfungstermine. Alle notwendigen Vertragsunterlagen werden durch die FH Köln zur Verfügung gestellt, auf Wunsch gern nach individueller Beratung. Ein Vertragsverhältnis zwischen der Fachhochschule Köln und dem Ausbildungsbetrieb ist nicht notwendig.
Zum Studienverlauf stellt die FH Köln den sogenannten Blockzeitenplan zur Verfügung. Er ermöglicht die unkomplizierte Abstimmung der einzelnen Organisationseinheiten während des gesamten dualen Studiums. Er spiegelt, jeweils beginnend mit dem Ausbildungsbeginn am 1. Juni eines Jahres, auf den Tag genau die gesamte Ausbildungszeit von drei Jahren wieder. Weil die Studierenden in NRW von der Berufsschulpflicht befreit sind, ergeben sich mehrwöchige Präsenzzeiten im Unternehmen.
Dabei fallen besonders die langen Blockzeiten in den Ausbildungsbetrieben während der vorlesungsfreien Zeiten auf. Der Vorteil für Unternehmen liegt hier auf der Hand: Der Auszubildende kann bereits lange im Voraus auch für einen auswärtigen Baustelleneinsatz sinnvoll eingeplant werden.
Gleiche Lerninhalte wie bei nicht dual Studierenden
Die dual Studierenden verfügen über die identischen Lehrinhalte und die gleichen Prüfungsanforderungen wie die nicht dual Studierenden. Für das Studium hat die Fachhochschule Köln ein spezielles Stundenplanmodell entwickelt, das es den dual Studierenden ermöglicht, alle Module und Prüfungen ebenso wie im nicht dualen Studiengang Bauingenieurwesen durchzuführen. Somit ist gewährleistet, dass sich die Modulinhalte der beiden Studiengänge an keiner Stelle unterscheiden, weder in den Lehrinhalten noch in den Prüfungsanforderungen.
Eigenes Ausbildungszentrum für Vertiefung von Lerninhalten
Im Ausbildungszentrum Kerpen der Bauindustrie NRW e.V. absolvieren Auszubildende ihre überbetriebliche Ausbildung und werden sowohl in einem Grund- als auch in einem Vertiefungslehrgang umfangreich und praxisnah bestens auf den Baustelleneinsatz vorbereitet. Entsprechende praktische Baustellenerfahrung erarbeiten sich die dual Studierenden innerhalb der vorlesungsfreien Zeiten in baustellenkompatiblen Wochenblöcken ohne weitere Unterbrechungen.
Arbeiten in Kleingruppen und Vertiefungsrichtungen
Ein besonderer Nutzen für die Unternehmen liegt in der projektorientierten Studienform der Fachhochschule Köln. Bereits in den ersten Semestern beschäftigen sich die Studierenden in Kleingruppen mit Projekten, deren Aufgabenstellungen noch nicht Inhalt der Vorlesungen waren. So wird die selbstständige Organisationsfähigkeit und Teamfähigkeit der Studierenden von Beginn des dualen Studiums an gefordert.
Nach 26 Monaten Ausbildungszeit schließen die Studierenden ihre Ausbildung mit einer Prüfung vor der IHK zum gehobenen Baufacharbeiter ab und wechseln als Vollzeitstudenten in eine der fünf Vertiefungsrichtungen ihrer Wahl. In der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der Fachhochschule Köln stehen folgende Studienrichtungen zur Auswahl:
- Baubetrieb,
- Geotechnik,
- Konstruktiver Ingenieurbau,
- Verkehrswesen und
- Wasserwirtschaft
Nach weiteren drei Semestern schließen die Studierenden ihr duales Studium insgesamt mit dem Abschlussgrad Bachelor of Engineering (vormals Dipl.-Ing. (FH)) ab und erwerben mit 210 ECTS die Zulassungsvoraussetzungen für einen Masterstudiengang an einer Fachhochschule oder Universität.
Natürlich bietet auch die Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der FH Köln einen attraktiven Masterstudiengang mit zwei fachlichen Ausrichtungen an.
Gestaltungsmöglichkeiten für Bauunternehmen
Mit der erfolgreichen Prüfung vor der IHK, das heißt in der Regel nach Abschluss des 2. Fachsemesters, endet der Ausbildungsvertrag, nicht aber notwendigerweise die Beziehung zwischen den Unternehmen und den dual Studierenden. Erfahrungsgemäß nutzen viele duale Studenten die Angebote einer Weiterbeschäftigung in „ihrem Unternehmen“ während und nach erfolgreichem Abschluss ihres Studiums. Hier gibt es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für eine vertragliche Vereinbarung, die den Zeitraum von Beginn der Ausbildung bis hin zu einem Übernahmeangebot nach erfolgreichem Studium umfassen kann.
Im Vertiefungsstudium und mit der Abschlussarbeit stehen in allen Studienrichtungen mehrere Projektbearbeitungen an, bei denen die Studierenden die Aufgabenstellung selbst vorschlagen können. Die betreuenden Professoren achten dabei auf den entsprechenden wissenschaftlichen sowie praxisnahen Bezug und die fachlich korrekte Bearbeitung. Innerhalb dieser Praxisprojekte ist eine Zusammenarbeit zwischen den Studierenden und Unternehmen der Bauwirtschaft mit deren konkreten Fragestellungen sogar ausdrücklich erwünscht.
Welche Firmen kommen als Ausbildungsbetrieb in Frage?
Über 250 verschiedene Ausbildungsbetriebe aller Größenordnungen aus ganz Deutschland haben sich bis heute am dualen Modell der Fachhochschule Köln und des Berufsförderungswerkes des Bauindustrie NRW e.V. beteiligt. Natürlich liegt der Ballungsraum im Rhein-Sieg- und Rhein-Main Bereich, aber auch überregional hat sich der duale Studiengang Bauingenieurwesen einen guten Namen gemacht.
Bemerkenswerte Ergebnisse des Studiengangs
Besonders auffällig ist das überragende Engagement vieler dual Studierender außerhalb ihrer Ausbildung. Obwohl diese Studierenden einen straffen Zeitplan vorgegeben bekommen und sich ständig selber organisieren müssen, finden sie immer noch die Zeit, um sich in den Hochschulgremien einzubringen und dort auch erfolgreich mitzuarbeiten. Sowohl in den Gremien der Hochschule, in Tutorentätigkeiten, als auch in Lerngruppen – dual Studierende sind dabei meist in „Führungspositionen“ unterwegs und werden von den anderen Studierenden auch so wahr- und angenommen. Bei der alljährlichen Auszeichnung des mit 10.000,– € dotierten KICKARTZ-Preises spielen genau solche übergreifenden Qualifikationen eine wichtige Rolle. Die Auszeichnung richtet sich an junge Absolventen, die sowohl hochwertige Studienleistungen als auch überdurchschnittliches Engagement in ehrenamtlichen Tätigkeiten unter Beweis gestellt haben. Dieses Jahr befinden sich unter den ersten drei Preisträgern drei dual Studierende.
Fazit: Direkte Vorteile für beteiligte Unternehmen
Die Vorteile des Erfolgsmodells dualer Studiengang Bauingenieurwesen liegen in der perfekt aufeinander abgestimmten Aufbau- und Ablauforganisation und dem eingespielten Team der Kooperationspartner. Die FH Köln und das Ausbildungszentrum Kerpen bieten mit umfassender Beratung und etablierten Vertragsunterlagen die ideale Ausgangssituation für Firma und Student.
Die direkten Vorteile für Unternehmen liegen klar auf der Hand: Sie lernen potenzielle Führungskräfte bereits sehr früh kennen, steuern deren betriebliche Einsätze und Kenntnisse über ihre jeweiligen betrieblichen Abläufe, überzeugen sich während des gesamten Ausbildungsweges von deren Einsatzbereitschaft, Leistungsfähigkeit, Motivation und Qualifikation. Die Einsatzzeiten der dual Studierenden sind über den Blockzeitenplan langfristig und sicher planbar. Durch den Einsatz auf den Baustellen genießen die späteren Führungskräfte ein hohes Maß an Anerkennung und Akzeptanz. Auch der Zwischenschritt von erfolgreichem Abschluss der Ausbildung bis zum Abschluss des Studiums bietet den Unternehmen vielseitige Einsatzmöglichkeiten eines „Ingenieurassistenten”.
Nicht ohne Grund wurde unser Studiengang 2009 als innovatives Modell mit einem ersten Preis ausgezeichnet, und nicht ohne Grund werden unsere Absolventen regelmäßig für ausgezeichnete Leistungen in der Berufsausbildung und für ihre Studienleistungen ausgezeichnet und geehrt.
Weitere Informationen zum dualen Studiengang Bauingenieurwesen sowie Kontaktdaten unter: www.dualstudieren.de
Die Autoren:
Prof.-Dr.-Ing. Jürgen Danielzik, seit 1997 Professor für Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bauprojektmanagement an der FH Köln, geschäftsführender Direktor des Instituts für Baubetrieb, Vermessung und Bauinformatik; seit 2001 Beauftragter Dualer Studiengang der Fakultät Bauingenieurwesen und Umwelttechnik, seit mehr als 20 Jahren leitende Funktion beim Bau- und Projektmanagement von öffentlichen und privaten Auftraggebern und Bauunternehmen.
Dipl.-Ing. (FH) Stefan Stenger, studierte Bauingenieurwesen mit der Vertiefung Baubetrieb an der Fachhochschule Köln, anschließende Tätigkeit als Bauleiter in einem mittelständischen Bauunternehmen, seit Oktober 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bauprojektmanagement.