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Ein schwimmender, beweglicher Fluchtweg

Die Ravelijn-Brücke in Bergen op Zoom, Niederlande

Die Ravelijn-Brücke in Bergen op Zoom, Niederlande (Foto: RO&AD Architecten)

Die Ravelijn-Brücke in Bergen op Zoom, Niederlande

Eine schwimmende Brücke, die beweglich ist und, obwohl sie als Fluchtweg dient, kein Geländer hat – das ist etwas Außergewöhnliches. Nach 3 Monaten Bauzeit wurde die von RO&AD Architecten aus Bergen op Zoom entworfene Ravelijn Brücke im März 2014 fertiggestellt. Ein Jahr später stellt sich die Frage, ob das Bauwerk im wahrsten Sinne des Wortes hält, was es verspricht.

Die Brücke dient als Übergang für Fußgänger zwischen der Innenstadt und der Festung Ravelijn op den Zoom. Die Wehranlage, die Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut wurde, ist von einem Wassergraben umgeben. Insel und Festung waren also ursprünglich nur per Boot zu erreichen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts dient die Festung nicht mehr der Abwehr von Angreifern und wird heute für öffentliche und private Veranstaltungen genutzt. In den 30er Jahren baute man eine erste hölzerne Brücke als Verbindung zum Festland.

Die Brückenform ist im Querschnitt konvex und liegt dank luftgefüllter Polyethylen-Rohre auf der Wasseroberfläche auf.

Die Brücke liegt dank luftgefüllter Polyethylen-Rohre auf der Wasseroberfläche auf. (Foto: RO&AD Architecten )

Die größte Herausforderung bei der Gestaltung der Ravelijn Brücke war laut Ad Kil, dem verantwortlichen Architekten, den Übergang möglichst unsichtbar zu gestalten, denn die Burg und ihr Graben sollen im Mittelpunkt stehen. Resultat ist das sehr schmale Profil des Bauwerks, das nur als Wölbung auf dem Wasser erscheint, kein Geländer trägt und damit vor der historischen Kulisse in den Hintergrund tritt.

Die Treppe ist beweglich und passt sich veränderten Wasserständen an.

Die Treppe ist beweglich und passt sich veränderten Wasserständen an. (Foto: RO&AD Architecten)

Die Brückenform ist im Querschnitt konvex und liegt dank luftgefüllter Polyethylen-Rohre, die unter dem Holzbelag angebracht sind, auf der Wasseroberfläche auf. Ihr geschwungener Verlauf leitet sich vom einstigen Weg der Boote ab. Durch ihre Nähe zum Wasser entsteht kein Spiegelbild. Um Bedenken zur konvexen Form der Brücke zu zerstreuen, wurde zunächst ein Modell in voller Größe erstellt und vor Ort getestet. Die Treppe an der Anlegestelle in der Nähe der Festung ist beweglich und passt sich so veränderten Wasserständen an.

Ob sich die Brücke ein Jahr nach ihrer Fertigstellung bewährt hat, kann der Architekt guten Gewissens bejahen, denn bisher ist noch niemand ins Wasser gefallen. Da sie von Enten und Gänsen gern als Landeplatz genutzt wird, ist lediglich eine regelmäßige Reinigung nötig. Als Fluchtweg hätte die 80 Meter lange Brücke nur 1,20 Meter breit sein müssen, was für flüchtende Fußgänger knapp bemessener Raum ist. Der Übergang zur Burg misst in der Breite 4 Meter und verleiht den Besuchern dadurch, trotz fehlendem Geländer, das Gefühl von Sicherheit.

Im Winter kann die schwimmenden Brücke zur Seite gezogen und das Gewässer zum Eislaufen genutzt werden.

Im Winter kann die Brücke zur Seite gezogen und das Gewässer zum Eislaufen genutzt werden. (Foto: RO&AD Architecten)

Ein Vorteil der schwimmenden Brücke ist, dass sie im Winter zur Seite gezogen und das Gewässer zum Eislaufen genutzt werden kann. Was beim Einbau funktioniert hat, wurde seither nicht mehr erprobt, da sie nur bewegt würde, wenn die Temperaturen längere Zeit unter Null Grad lägen.

Der verwendete Holzbelag „Accoya“ war laut Architekt die richtige Wahl. Das aus nachhaltigem Anbau stammende Weichholz, das sich im Außeneinsatz durch seine besondere Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit auszeichnet, bewährt sich auch bei unterschiedlichen Witterungen. Dank Spezialbehandlung weist es zudem eine hohe Resistenz gegen Pilzbefall, Quellung und Schrumpfung auf.

Insgesamt folgt die Materialität der Brücke dem „Cradle-to-Cradle-Prinzip“. Dieses nimmt sich die Natur zum Vorbild und beruht auf geschlossenen Materialkreisläufen, die keinen Abfall entstehen lassen. In der Zukunft kann die Brücke also leicht zerlegt und recycelt werden. Bis es soweit ist, soll die Brücke aber noch mindestens 25 Jahre ihren Dienst tun.

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Datum 10. März 2015
Autor Bettina Krause
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