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BIM - Building Information Modeling, Gespräch

„Es geht um eine andere Form der Qualität“

Dipl.-Betriebswirt Michael Gilka

Dipl.-Betriebswirt Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (Foto: BVMB e.V.)

momentum sprach mit dem neuen Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V., Michael Gilka über den Mittelstand als Innovationskraft, das aktuell viel diskutierte Thema der Qualitätskriterien bei Auftragsvergaben, die Deutsche Bahn als Vorreiter bei diesem Thema, über fristgerechtes Bauen, die Bauherrenkompetenz, über BIM und über Erholung…

momentum

Herr Gilka, wie geht Erholung für Sie, wenn am Sonntagnachmittag beim gedeckten Apfelkuchen eines Ihrer Mitglieder anruft und dringend Beratung braucht?

Gilka

Am Sonntagnachmittag habe auch ich meine Ruhe, aber es ist schon so, dass Geschäftsführer von Firmen spätabends anrufen und eventuell einfach nur meine Meinung zu aktuellen Problemen erfahren möchten.

momentum

Die wollen eine Sache einfach mal durchsprechen …

Gilka

… und auch nicht sofort eine komplette Lösung von mir haben. Ich glaube, Hauptgeschäftsführer eines mittelständischen Verbandes zu sein, heißt auch zuhören zu können und Vertrauensperson zu sein…

momentum

Mittelstand bringt uns natürlich auch zum Thema Innovationen im Bau…

Gilka

Klar, die Firmen arbeiten und engagieren sich tagtäglich, um mittels ihrer Bauausführungskompetenz effizienter und schneller bauen zu können . Da haben Mittelständler eben durch ihre hohe Fertigungstiefe erhebliche Vorteile gegenüber Baukonzernen, die ja vor 15, 20 Jahren angefangen haben, ihr Heil im Bauleistungshandel zu suchen. Darüber haben m. E. die Konzerne nicht selten auch ihre Bauausführungskompetenz verloren. Nebenangebote oder Sondervorschläge kommen heute immer öfter von Mittelständlern aus der Bauausführungskompetenz heraus.

momentum

Mit den Nebenangeboten wären wir auch schon bei den zusätzlichen Wertungskriterien im Rahmen von Auftragsvergaben…

Gilka

… für die es mehrere Gründe gibt. Da sind einmal die Nebenangebote. Wir haben im Moment Rechtsprechungen in der Pipeline – das OLG Düsseldorf und auch der BGH – die in Beschlüssen deutlich aussagen: Wenn der Preis alleiniges Wertungskriterium ist, kann man keine Nebenangebote werten, dann muss ein weiteres Wertungskriterium herangezogen werden.

momentum

Also z.B. das der Qualität …

Gilka

momentum im Gespräch mit Michael Gilka (Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V.)

Michael Gilka im Gespräch (Foto: Francisco Velasco)

… und Qualität stellt sofort die Frage, wie sie feststellbar ist. Wir sind uns etwa im Bahnbau mit der DB AG grundsätzlich einig, dass zusätzliche Wertungskriterien sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftragnehmer den Anreiz bieten können, frühzeitig bestimmte Bauprozesse des individuellen Projekts intensiver anzuschauen und das Potenzial bieten, Nachträge zu verhindern.
Außerdem ist ein wichtiger Aspekt, der den Auftraggebern und Auftragnehmern in der Bauwirtschaft enorme Kritik eingebracht hat, sehr in den Hintergrund geraten: Früher haben wir gebaut und mitunter die Budgets nicht immer eingehalten, da wir es bei Bauprojekten mit Unikaten zu tun haben. Aber wir wurden pünktlich fertig, das ist heute – insbesondere bei Großprojekten – nur noch selten der Fall. Aus dieser Kritik aber kommen wir nur wieder heraus, wenn wir Projekte wieder pünktlich fertigstellen. Auch da wird sicherlich zunächst ein Aufschrei stattfinden, wenn die veranschlagten Kosten überschritten werden, aber wenn dann alles funktioniert, ist dieses Theater nach vier Wochen erledigt. Das beste Beispiel ist die Neubaustrecke Köln-Rhein/Main, die auch deutlich teurer geworden ist als ursprünglich geplant, aber die Züge sind pünktlich gefahren, und zwar an dem Tag, den die Bahn vertraglich vorgesehen hatte.

momentum

Das Einhalten von Fristen – das spiegeln die täglich eingehenden PRs deutlich wider – ist heute längst gesonderte Hinweise wert – ein Marketingtool fast schon…

Gilka

Ja und da müssten wir uns alle an die eigene Nase fassen und eine Kultur der Partner-, nicht Gegnerschaft entwickeln. Früher galt noch der Handschlag. Heute gehen LVs erstmal in Rechtsabteilungen und das liegt u.a. natürlich auch an diesem gnadenlosen, letztlich für Auftraggeber wie -nehmer nicht auskömmlichen Preiswettbewerb. Auch deshalb müssen wir Qualitätskriterien finden…

momentum

Dürften diese nicht auch mit einem sich öffnenden europäischen Baumarkt zu tun haben?

Gilka

Natürlich müssen wir uns als Bauwirtschaft auch auf einen Zuwachs von ausländischen Bauunternehmen, die auf unseren liberalisierten Baumarkt drängen, einstellen. Wir sind eine führende Industrienation, die die höchsten Investitionen, auch im Verkehrsbereich, tätigt. Das wird weitere Bieter anlocken, auch aus Ländern, die wir heute noch nicht „auf dem Schirm haben“ und die deutliche Lohnvorteile haben. Dagegen müssen wir uns als deutsche Bauwirtschaft wappnen, denn wenn die erst mal hier aufschlagen und es nur um den reinen Preis geht, dann können viele unsere Baufirmen zumachen. Also müssen wir uns auch deshalb über Qualitätskriterien unterhalten…

momentum

Da das Qualitative aber weniger einfach zu handhaben ist, als das Messbare…

Gilka

… möchte ich kurz erzählen, worüber wir uns derzeit bei der DB über Qualitätskriterien unterhalten: etwa darüber, dass der Auftragnehmer sich bereits im Rahmen der Ausschreibung intensiv mit der Bauzeit und der Terminplanung auseinandersetzt, z. B. wo der kritische Weg des Bauvorhabens liegt und er die Bauzeit trotz aller Unwägbarkeiten nachher noch einhält.
Das sind Themen, die besonders dann für den Unternehmer interessant werden, wenn er dafür auch einen geldwerten Vorteil hat, indem die Bahn – oder welcher Auftraggeber auch immer – anbietet, dass ihm das, sagen wir mal 10 % der Gesamtangebotssumme wert ist…

momentum

Wäre dann nicht einfach bloß Zeit das Geld? D. h., wenn es über die Zeit geht, dann wird es da auch eine Art Nachtragsmanagement geben …

Gilka

Nein, es gibt schließlich Vertragsfristen. Bei Bauzeitverkürzungen bin ich vorsichtig und gebe Ihnen Recht; da fängt natürlich die eine Firma an, die andere zu unterbieten, was letztlich zu Auseinandersetzungen führt, weil derjenige, der die günstigste Bauzeit angeboten hat, jede Möglichkeit nutzen wird, dem Auftraggeber in irgendeiner Form nachzuweisen, dass er durch ihn behindert ist, weil er irgendwelche Pläne nicht geliefert bekam usw. …
Nein, worum es hier geht, ist mehr ein Denken in Prozessen. Es geht hier nicht primär um Qualität, wie wir sie heute definieren, wo etwas besser aussieht oder insgesamt besser erscheint, sondern es geht um eine andere Form von Qualität in Gestalt von Terminplanung, Logistik, Umweltmanagement, all das ist wichtig … und dadurch hat man eben auch eine größere Projektsicherheit, bei der der Auftraggeber weiß, dass der Auftragnehmer sich damit befasst hat, und das in Fällen auch begründet.

momentum

Nähern wir uns da nicht dem Thema Transparenz von Bauabläufen?

Gilka

Das ist ganz genau das große Thema und Problem hier, da muss eine Transparenz hergestellt werden, insbesondere auch für den Bieter, weil mit qualitativen Wertungskriterien größere subjektive Wertungsspielräume beim Auftraggeber entstehen. Das weckt erst einmal die gesunde Skepsis bei den Bietern, ob alles fair bei der Wertung der Angebote zugeht.

momentum

Eben anders als beim bloßen Preis…

Gilka

Das Problem fängt an, wenn Sie preislich günstigster waren und sich durch die qualitativen Wertungskriterien plötzlich nur noch auf dem 2. Platz wiederfinden. Dann geht die Diskussion darüber los, was denn der Auftraggeber mit den qualitativen Wertungskriterien gemeint und er im Angebot vom Bieter verlangt hat – und das oftmals nicht ganz zu Unrecht. Das ist ein ganz schwieriger Aspekt, den wir auch als Verband intensiv mit den Auftraggebern und den Mitgliedsunternehmen diskutieren müssen, weil damit im Vergabeverfahren Transparenz verloren geht. In diesem Punkt weht der BVMB ein starker Wind der Mitgliedsunternehmen entgegen, den ich sehr, sehr ernst nehme.
Da muss man nun natürlich sehen, dass das nicht ein Prozess ist, in dem Sie heute Kriterien festlegen, die morgen funktionieren. Dieser Prozess wird einige Jahre dauern und ich bin eigentlich ganz froh, dass die Bahn das jetzt mal angefangen hat…

momentum

Die Bahn als Vorreiter bei der Gestaltung von Qualitätskriterien?

Gilka

Ja, also zumindest so intensiv und detailliert, wie sie es jetzt macht. Deshalb muss sie auch damit rechnen, vor Vergabekammern gezogen zu werden, wo dann geprüft wird, ob die vergaberechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Es reicht eben nicht, nur eine Wertungsmatrix zu entwickeln, sondern da muss schon gesagt werden, was von dem Bieter exakt erwartet wird. Dies verlangt vom Auftraggeber, Bauherrenkompetenz vorzuhalten.

momentum

Eigentlich kein neues Thema …

Gilka

… aber eines, das in den vergangenen Jahren sträflich vernachlässigt wurde. Das ist im Bahnbereich so – mit der Privatisierung hat man sich von der Bahnbaukompetenz getrennt – und im Straßenbau stellt man es jetzt auch fest. Die Verwaltungen sind immer mehr ausgedünnt worden und die Firmen bemängeln mit gutem Recht, dass die übrig gebliebenen Fachleute total überfordert sind.
Qualitativ hochwertig auf Auftraggeberseite zu bauen und pünktlich ein Bauprojekt fertig zu stellen gelingt nur, wenn ich auch einen Bauherrn auf Augenhöhe habe, der die Kompetenz sowie das Recht hat, Entscheidungen treffen zu können. Heute treffen Sie Auftraggebervertreter auf Baustellen, die beides nicht mehr haben. Dann sind die Probleme schon vorprogrammiert. Wenn z. B. innerhalb von Sperrpausen gearbeitet wird, dann müssen Sie bei unerwarteten Schwierigkeiten irgendwas unternehmen, weil spätestens nach 72 Stunden der Zug wieder fährt und Sie nicht sagen können: Jetzt muss ich erst mal drei Wochen warten, bis der Auftraggeber sich ein Bild gemacht und eine Anordnung erteilt hat. Da müssen Sie sofort handeln…

momentum

Mit der Folge weiterer Auseinandersetzungen…

Gilka

…die unglaublich viel Zeit und Geld kosten. Auch das sind Themen, um die es geht, wenn wir uns über Qualitätskriterien unterhalten – ein Gesamtprozess, der alle Beteiligten fordert: den Planer, den Bauherren und die Baufirmen. Zudem müssen wir aus dieser schon lange Jahre andauernden Misere raus, die man so beschreiben kann: „Es gibt immer einen, der es billiger und schlechter machen kann.“ Das muss auch in den Köpfen der Bauherren ankommen. Die Firmen müssen „gutes“ Geld verdienen, sonst können sie nicht in Ausbildung und Innovation investieren. Freilich ist zugleich klar, dass qualitative Kriterien mehr Aufwand bedeuten – in der Kalkulation, in der Angebotsbearbeitung, in der Angebotswertung… Wenn sie wissen, dass sie als Baufirma bei Ausschreibungen eine Erfolgsquote von 5 bis 10 % haben, jedoch überall so einen Aufwand betreiben müssen, dann wird das natürlich auch eine wirtschaftliche Frage.

momentum

Stemmen das Ihre Mittelständler denn alle?

Gilka

Ich kann den Unternehmen nur empfehlen, sich damit auseinanderzusetzen. Wenn sie wirklich Kompetenzen haben, die sie in den Wettbewerb einbringen, die bewertet werden und Geld bringen, dann kann das doch eigentlich nur gut sein. Meiner Ansicht nach liegt auch die Zukunft des Bauens wieder mehr in der Kooperation als in der Konfrontation. Konfrontation hilft keinem, insbesondere, wenn die Bauherren und -unternehmen mal ehrlich rechnen würden, was sie mit Konfrontationen an Geld verschwenden, z. B. durch die Bindung von hochbezahlten Personalkapazitäten oder Rechtsstreitigkeiten.

momentum

Wäre es nicht an dieser Stelle wirklich interessant, das Thema BIM zu besprechen, das ja auch das prozessuale Denken fordert und fördert? Wenn diese Arbeitsweise sich durchsetzt, und das zeichnet sich ja überdeutlich ab, werden alle Leute an ein und demselben Projekt arbeiten und dann wird Kooperation automatisch gefordert sein. Wobei es gewiss vermessen wäre, zu glauben, dass jetzt irgendeine Technologie die Mentalität der Menschen verändert…

Gilka

Also das glaube ich auch nicht. BIM erfordert aber nicht nur ein enormes Umdenken bei Baufirmen, es fordert auch Investitionen, die unsere Unternehmen gewiss früher oder später erbringen müssen, doch wird das für die Bauwirtschaft kein Prozess von Jetzt auf Gleich sein…Dennoch, BIM ist aus meiner Sicht eines der wichtigsten Zukunftsthemen. Hiermit wird sich auch die BVMB intensiver beschäftigen.

momentum

Herr Gilka, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.

 

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Datum 7. Mai 2014
Autor Burkhard Talebitari
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