Vermischtes
Gebäudefassaden bieten großes Potenzial für die Gewinnung von Solarenergie
Die Solaranlage auf dem Hausdach hat sich im deutschen Gebäudesektor längst etabliert. Vielerorts geben Solarkataster Auskunft über das Potenzial, auf Dächern Energie aus Sonnenstrahlen zu gewinnen. Kommunen setzen damit Anreize, sich für die Installation einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach zu entscheiden. Doch wie steht es um die Fassaden der Gebäude?
Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) hat im Projekt Standard-BIPV in enger Kooperation mit wissenschaftlichen Partnern wie dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), dem Institut für Angewandte Bauforschung Weimar (IAB), dem Lehrstuhl für Geoinformatik der TU München sowie mit Praxispartnern der Solarindustrie zusätzlich die Fassaden von Gebäuden in den Blick genommen. Gefördert wurde das Vorhaben durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auf der Basis amtlicher Geodaten wurde untersucht, welche Flächenpotenziale für bauwerksintegrierte Photovoltaik (BIPV) die Gebäudefassaden in Deutschland bieten.
Das theoretische Flächenpotenzial lässt sich auf rund 12.000 km2 Fassadenfläche und knapp 6.000 km2 Dachfläche beziffern. Die Ergebnisse haben Pioniercharakter, sie fußen auf Daten, die die Verhältnisse in der Realität zum Teil stark vereinfachen. Für ihre Untersuchung wurde ein 3D-Gebäudemodell des Bundesamtes für Kartographie Dresden, und Geodäsie (BKG) analysiert. Es enthält Informationen zum gesamten Gebäudebestand der Bundesrepublik, wobei jedes Haus als Klötzchen mit Flachdach verzeichnet ist. Detaillierte Dachformen und daraus resultierende Giebelwände, Fenster, Türen, Auskragungen wie Balkone und andere Installationen sind im Gebäudemodell nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie Aspekte des Denkmalschutzes oder der hochwertigen Fassadengestaltung. Gebäudefassaden, die sich berühren und damit für die Installation von Photovoltaik nicht in Frage kommen, wurden jedoch bereits herausgerechnet.
Hinzu kamen Detailanalysen in drei Fokusgebieten, den Städten München, Freiburg und Dresden, sowie aus einer bundesweiten Stichprobe von 100.000 Gebäuden.

Wo viele Menschen wohnen, stehen auch viele Gebäude. Damit ist auch das theoretische Flächenpotenzial der Häuserfassaden für die bauwerksintegrierte Nutzung von Photovoltaik besonders groß – die Karte zeigt Flächen-Hotspots in Deutschland. (Quelle: Behnisch et al./IÖR, Datenbasis: Geobasisdaten, Bayerische Vermessungsverwaltung 2019)
Für alle Dach- und Fassadenflächen wurde die solare Einstrahlung modelliert und visualisiert und so der mögliche solare Energieertrag kleinräumig lokalisiert. Dafür griffen die Forschenden auf detailliertere Gebäudemodelle mit ihren individuellen Dachformen zurück und bezogen auch die Umgebung der Gebäude, z. B. Bäume, und die Verschattung durch andere Gebäude sowie das Gelände in die Berechnungen mit ein (Bild 1).
Das Ergebnis sind verschiedene Visualisierungen zu Flächenpotenzialen und möglichen Solarenergieerträgen in Deutschland. So lässt sich z. B. die räumliche Verteilung der Flächenpotenziale in Deutschland aufzeigen (Bild 2). Deutlich wird: Wo viele Menschen auf relativ engem Raum leben, ist auch das Potenzial für bauwerksintegrierte Photovoltaik-Module besonders hoch, also in den Ballungsräumen und städtischen Ballungszentren.

Kleinräumige Solarpotenzialanalysen berücksichtigen nicht nur die Gebäude und ihre Flächen, sondern beziehen auch die unmittelbare Umgebung der Gebäude in die Modellierung mit ein. Hier wird deutlich, welchen Einfluss der Baumbestand und der damit verbundene Schattenwurf auf die solare Einstrahlung haben. Blau steht für wenig, rot für viel Einstrahlung. (Quelle: Behnisch et al./IÖR)
Die Modellierung der potenziellen Sonnenenergieerträge am Beispiel konkreter Gebäude macht deutlich, dass sich die Installation von Photovoltaikanlagen an Fassaden vor allem bei großen Gebäuden wie Produktionshallen, Bildungseinrichtungen oder öffentlichen Gebäuden lohnt. Aber auch große Wohnkomplexe bieten durchaus Potenzial für die Installation von Photovoltaik.
Mit den gewonnenen Daten ist ein erster Schritt zu einer besseren Planung der Energiegewinnung an Gebäuden getan. An konkreten Standorten müssen die Daten durch genauere Analysen spezifiziert werden.
Weitere Informationen:
Dr.-Ing. Martin Behnisch
Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)
E-Mail: M.Behnisch@ioer.de