Kolumne Falk Jaeger
Kontrolle ist gut, Vertrauen wäre besser
Eine Kreissparkasse, sagen wir in Wesselburen, wird eröffnet. Es werden Festreden gehalten, vom Sparkassendirektor, vom Bürgermeister, man ist stolz auf das Erreichte. Der Architekt steht in der zweiten Reihe, der Ingenieur und der Landschaftsplaner sind gar nicht erst eingeladen. Von ihnen wird im Dithmarscher Boten am Folgetag nicht die Rede sein. Doch wer steht hinter dem Erfolg? Wer trug die Verantwortung? Wer haftete z.B. gesamtschuldnerisch für alles, was auf dem Bau schief gelaufen ist?
Szenenwechsel. Ein Großprojekt, sagen wir die Hamburger Elbphilharmonie, ist aus dem Ruder gelaufen. Die Überschreitung von Zeit- und Kostenrahmen ist – nein, nicht beispiellos, sondern mittlerweile synonym für Großprojekte. Wer wird dafür verantwortlich gemacht? Natürlich der Architekt, und manchmal auch, wie in diesem Fall, zusätzlich der Ingenieur.
Längst gibt es in der Öffentlichkeit eine erstaunliche Wahrnehmungsverschiebung: Den Planern wird durch die Komplexität der Bauprozesse und die Verästelung der Beauftragungen immer mehr an Einfluss und Verantwortung entzogen. Aber die Planer sind nach wie vor an allem schuld. Das führt zu so grotesken Fällen wir beim Flughafen Berlin Brandenburg BER, wo nach dem geplatzten Eröffnungstermin die Planer entlassen wurden, weil der Aufsichtsrat nicht zwischen Planung, Projektsteuerung und Bauüberwachung unterscheiden konnte – und damit einen schwer zu beziffernden, aber hunderte von Millionen Euro betragenden Schaden verursachte. Den Architekten kennt man persönlich, und an den hält man sich eben.
Der Effekt wurzelt in einem Grundproblem des heutigen Bauens, die Anonymisierung, deren Gründe wiederum in den steigenden Größenordnungen der Bauvorhaben, in der Komplexität der Bautechnik, des Vorschriftenunwesens und der spekulativen Baufinanzierungen zu suchen sind. Es gibt kaum mehr persönliche Zusammenarbeit zwischen Bauherr, Architekt, Fachplaner und Ausführendem. Und damit kein Vertrauen. Man verkehrt nach dem Prinzip Misstrauen miteinander per Aktennotiz und Anwaltsschreiben.
Das ist im Falle des Architekten besonders fatal. Denn der Architekt ist jener Baubeteiligte, dem am meisten an der Qualität und der rechtzeitigen Fertigstellung des Bauwerks gelegen ist. Jede Firma verdient an (nicht selbst verschuldeten) Problemen und Verzögerungen, meist auf schamlose Weise. Der Architekt dagegen verliert, an Geld, Nerven, Renommee. Deshalb ist der Bauherr in der Regel gut beraten, dem Architekten nicht mit Misstrauen zu begegnen und ihn unter Druck zu setzen, sondern ihn zu unterstützen in seinem Bemühen, die Meute der zankenden Firmen, Fachplaner und Projektmanager zu moderieren, damit Konflikte nicht eskalieren und alle an einem Strang ziehen.
In Einzelfällen gelingt das noch immer. Die LVM Versicherung in Münster zum Beispiel hat ein neues Verwaltungsgebäude errichtet, nicht, wie leider üblich, von einem Investor samt GU errichten lassen, um es anschließend zu mieten. Der Vorstand identifiziert sich mit dem Projekt, tritt als engagierter Bauherr auf, hat eine kompetente Bauabteilung, arbeitet eng mit den Planern von HPP zusammen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, in jeder Hinsicht, ist maßgeschneidert, im Kostenrahmen, ohne jeden Prozess über die Bühne gegangen, ungewöhnlich qualitätvoll ausgeführt und entspricht den hohen Nachhaltigkeitsanforderungen des Bauherrn.
Kontrolle ist gut, Vertrauen wäre besser. Doch das Bauwesen entwickelt sich in die falsche Richtung. Weg vom universellen Planer hin zu spezialisierten Teilplanern, Prüferkaskaden und Beratern, weg von der Vertrauenskultur hin zum Misstrauensprinzip, weg von der persönlichen Absprache hin zu ausuferndem Berichtswesen. Das Bauen wurde zum Schlachtfeld für die Kohorten der Rechtanwälte, Anwaltskosten zu einem signifikanten Faktor der Baubudgets.
Wie könnte man es schaffen, alle am Bau Beteiligten zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und gemeinsamen Anstrengung zum Wohl des Bauwerks zu motivieren? Wie könnte man zum Beispiel den Missbrauch des Nachtragswesens eindämmen? Viele Ansatzpunkte und viel Arbeit für die gut gemeinten Initiativen der Architektenverbände und des Bauministeriums zur Untersuchung und Reform der Fehlentwicklungen des gegenwärtigen Bauwesens.
Leserkommentare
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Uwe Leibelt | 17. April 2015
Der Kolummne kann man grundsätzlich nur voll umfänglich zustimmen.
Hinzu kommt, dass durch die entstandenen Situtionen auch Mißtrauen unter den Planungsbeteiligten selbst ensteht. Die Achtung der Arbeit und der Kompetenz des jeweils anderen Planungsbeteiligten (Architekten, Fachplaner) wird teilweise nicht sehr groß geschrieben.
Die mißliche Situation von erhöhten Kosten ensteht häufig durch frühzeitig in die Welt gesetzte Zahlen, die in manchen Fällen weit an der Realität vorbei gehen. Diese “unrichtigen” Kosten verfolgen den Auftraggeber, das Planungsteam und die ausführenden Firmen dann oft über die gesamte Planungs- und Bauphase.
Es sollte bezüglich der Kosten also bereits zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt mit den erforderlichen Fachleuten zusammen gearbeitet werden, dann würde ein großer Teil der enormen “Kostensteigerungen” gar nicht erst entstehen.