Im Ernst
Let’s push
In Ulm, um Ulm und um Ulm herum hieß ein einst gängiger – und leichter als Fischers Fritz zu realisierender – Zungenbrecher. Noch-immer-Bundesverkehrsminister Scheuer hat nun eine raffinierte Paraphrase gewagt: „Das digitale Vorzeigeprojekt für den hocheffizienten Bahnverkehr der Zukunft startet! Die großen Baumaßnahmen in, um und nach Stuttgart pushen die Digitalisierung.“
Während eine hocheffizienter Bahnverkehr noch angehen mag, gebricht es einem bei einem solchen der Zukunft einfach an Vorstellungskraft und schon im Folgesatz kommt man in leichtes Grübeln. „Pushende“ Baumaßnahmen möchten ja im äußersten verbalen Notfall noch angehen, aber pushen die Baumaßnahme die Digitalisierung oder doch eher vice versa, vulgo: die Digitalisierung die Baumaßnahmen? Wer wollte das entscheiden? Bundesverkehrsandy eventuell nicht. Der hat’s mehr mit den Knoten, nein, nicht vergl. siehe ebd. in der Zunge, sondern im Netz, auf dem nämlich die Züge fahren können, was, wenn sie’s „im Netz“ täten, schon bedenklich genug dünken dürfte. „Im Knoten Stuttgart installieren wir die neuste Digitaltechnik, so dass mehr Züge besser auf dem Netz fahren können.“ Ganz zu schweigen von der bangen Frage, ob die Züge derzeit etwa nicht so gut auf dem Netz fahren können und ob man sich also recht eigentlich reinsetzen soll – gerade auch in viralen Zeiten.
In dem Vorzeigeprojekt für die „digitale Schiene“, das Bundesverkehrtminister Andreas Scheuer und DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla am 25.8. starteten, geht es unterdessen um mehr, auch wenn man das angesichts einer „digitalen Schiene“ kaum glauben mag und zumindest der Verfasser dieses Einwurfs eine analoge, so irgendwie aus Stahl oldschoolmäßig vorzöge. O-Ton Scheuer weiter: „Die Metropolregion Stuttgart wird der erste digitalisierte Bahnknoten in Deutschland. Insgesamt werden bis 2025 Investitionen in Höhe von 462,5 Mio. Euro veranschlagt.“ Bestürzend fast, dass die Knoten im Netz, statt sich zu lösen, nun auch noch alle digitalisiert werden müssen, und das für 462,5 Mios, die 2025 bestimmt … lassen wir das …, denn es kommt immer noch besser, auch wenn wir grade denken, es geht nicht mehr: „Die Reisenden werden zuverlässiger, pünktlicher, leistungsstärker unterwegs sein.“ Gut gegeben, dass die Reisenden, wenn der Knoten erstmal digitalisiert ist, zuverlässiger werden, ist prinzipiell natürlich nur zu begrüßen. Zuverlässigere Reisende halten bestimmt auch den heuer so dringend desiderablen Abstand. Und pünktlicheren Reisenden müssen wir dann wenigstens beim Ende der Zugverspätung nicht noch wieder so lange auf den zugigen Bahnsteigen (Waren Sie schon mal in Kassel Wilhelmshöhe?) entgegenharren. Dass sie zu allem Überflusse auch noch leistungsstärker sind, die Reisenden der Deutschen Bahn, wenn Stuttgarts Verknotigung erstmal laut Bundesverkehrsknotenminister Scheuer digital ist, lässt auf gar manches bis Unabsehbares schließen – in jedem Falle aber auf ein Projekt in voller Fahrt. Scheuer (Auch Adjektiv-Wortspiele verbieten sich mit Namen) weiß: „Mit dem Projekt nehmen wir volle Fahrt auf: Von einer Eisenbahn im analogen Format zur Digitale (sic!) Schiene Deutschland.” Dieses merken.
Leserkommentare
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Wilhelm Veenhuis | 26. August 2020
Danke für das tolle Bild zu den nachdenklichen Bahn – Worten. Ist Kassel – Wilhelmshöhe wirklich zugiger als Siegburg – Bonn?
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Martin Peukert | 26. August 2020
Ganz einfach scheint wohl auch der sprachliche Umgang durch zusätzliche Digitalsportarten für den Minister Scheurer nicht zu sein- schade, denn bei den genannten Etats für die Inhalte wäre mehr zu erwarten als eine weitere Menge erwärmten Blubbers auf die Bundesbürger zu pusten. Zusätzlich zu den wie eh und je zugigen Bahnhofskanten, ob die wohl auch einen Digitalen Push bewirken? Vielleicht bei manchem Planer, sich zu überlegen wie man die Zugigkeiten mal verändern könnte.