Leben
Nachhaltig in die Zukunft
Für unsere Ohren mag die Nachhaltigkeit neuer klingen, als sie ist. Im Deutschen erstmals 1713 nachgewiesen war dies Nomen vor 1860 lexikalisch noch nicht erfasst. Das änderte dann die 1915er DUDEN-Auflage. Bis dahin dachte man bei dem Wort an die deutsche Übersetzung für lateinisch perpetuitas und das ist das Beständige und Unablässige wie auch das ununterbrochen Fortlaufende. Heute assoziieren wir – nicht nur – im Bauwesen mit dem Begriff der Nachhaltigkeit zunächst einmal ökologische Themen, denn seit Jahrzehnten hat die Lobby der Umweltschützer diesen Begriff für sich gepachtet. Wer bei der Diskussion über diesen Begriff aber in Sachen Gebäuden nur an Energie-Effizienz denkt, greift zu kurz, denn erst in der Kombination mit den Vorteilen des Smart Buildings und mit modern gestalteten Arbeitswelten wird ein Objekt tatsächlich nachhaltig.
Die Bau- und Immobilienwelt denkt bei Nachhaltigkeit schnell an die Energieeinsparverordnung (EnEV), die seit fast 20 Jahren den Bauherren von Wohn- und Bürogebäuden sowie einigen Betriebsgebäuden bautechnische Anforderungen zur Gesamtenergieeffizienz vorgibt. 2002 in Kraft getreten und mehrfach überarbeitet, soll die EnEV „dazu beitragen, dass die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, insbesondere ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050, erreicht werden“, so das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im April 2014.
Im Sinne einer solchen Nachhaltigkeit wurden die Gebäudehüllen mit immer dickeren Dämmungen, dichteren, schießschartenartigen Fenstern und besseren Türen ausgestattet, die Haustechnik wurde effizienter und Anlagen zur Energiegewinnung können aus dem vormals nur energieverbrauchendem Haus einen Energielieferanten machen.
Auch in Zukunft werden die Verschärfungen der Vorschriften und Gesetze auf dem Weg zum Nullenergiehaus oder besser noch zum energieproduzierenden Gebäude stetig weitergehen. Die Fortschreibungen der Gesetze und Vorschriften finden dabei wie immer Begleitung durch regelmäßige Proteste der Bauherren und Vermieter und eindringliche Hinweise auf steigende Baukosten und Mieten. Die nächsten Neuigkeiten stehen mit dem Gebäude-Emissions-Gesetz 2050 (GEG 2050) bereits vor der Tür. Das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), die Energieeinsparungsverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmG) werden hierin aufgehen.
Werbewirksame Label
Als ob dies nicht ausreichen möchte, hat die Immobilienwirtschaft vor Jahren zusätzliche Zertifizierungssysteme kreiert, mit denen Verwaltungsgebäuden das Label der Nachhaltigkeit werbewirksam verliehen werden kann. Viele Mieter und Bauherren achten inzwischen auf die Einhaltung dieser Standards und legen Wert auf eine entsprechende Zertifizierung. In den sieben größten Städten Deutschlands sind bisher ca. 7 Mio. m2 Büroflächen zertifiziert – Tendenz steigend. In Deutschland sind drei Zertifizierungssysteme etabliert, die sich DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V.), BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology) und LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) nennen.
Die Bewertung eines Gebäudes nach DGNB-Zertifikat bezieht allerdings nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und soziokulturelle Aspekte mit ein und überprüft die technische Qualität, die Prozessqualität und die Standortqualität. Sechs Themenfelder und 37 Kriterien werden dabei bewertet.
Optimierter Gebäudebetrieb durch Digitalisierung
Hier kommt der Link zum Smart Building ins Spiel, lässt sich mit einem schlauen Energiemanagement die Energieeffizienz eines Gebäudes doch weiter verbessern. Die langsam Fahrt aufnehmende Digitalisierung des Bauens eröffnet vielerlei Möglichkeiten, durch das Einsammeln und Vernetzen von Daten differenzierte Erkenntnisse zu erhalten, die sich für einen optimierten Gebäudebetrieb nutzen lassen.
So kann beispielsweise die Wartung und Instandhaltung nicht mehr nach starren Intervallen erfolgen, die bisher Hersteller oder Verbände in Wartungsnormen und Handbüchern vorgeschrieben haben, sondern nach der tatsächlichen Abnutzung, die mit Hilfe von zahlreichen Sensoren an den Geräten gemessen wird, und deren Daten in die entsprechenden Programme des FM einfließen. Damit wird eine vorausschauende, individuelle Gebäudebewirtschaftung möglich, die zu einer Reduzierung des Wartungs- und Instandhaltungsaufwandes führt. Einfacher, d. h. kostengünstiger wird auch der außerplanmäßige Reparatureinsatz, weil das FM anhand der digitalisierten Gebäudedaten gezielter tätig werden kann.
Voraussetzung für eine wirklich intelligente Gebäudesteuerung ist, dass bereits in der Planung die Grundlage für alles Smarte gelegt wird und man die digitalen Gebäudedaten der Planung mit den Prozessdaten des Betriebs verknüpft. Mit BIM steht Architekten und Ingenieuren ein entsprechendes Tool zur Verfügung, dessen Anwendung in der Praxis mehr und mehr Fuß fasst.
Nicht unumstrittener Nebeneffekt
Doch zu einer energieoptimierten Gebäudebewirtschaftung gehört nicht nur eine optimierte Wartung und Instandhaltung der technischen Anlagen. Vielmehr muss auch die Nutzung des Gebäudes in einem möglichst feinen Raster erfasst und ausgewertet werden. D. h., dass Lichtstärke, Raumfeuchte, Temperatur etc. zu jeder Tages- und Nachtzeit erfasst und raumweise gesteuert werden – und zwar in Abhängigkeit zu der Anwesenheit von Personen und deren Raumnutzungen. Mit einer solchen differenzierten Analyse der Nutzung lässt sich das Energiemanagement eines Gebäudes auf ein neues technologisches Niveau heben, das in anderen Wirtschaftszweigen längst Standard ist.
Ein nicht unumstrittener Nebeneffekt der detaillierten Datenerhebung der Gebäudenutzung mit Hilfe einer großen Anzahl von Sensoren ist, dass sehr viel Information über die Nutzer und deren Verhalten ausgewertet und gespeichert wird. Oder anders gesagt: Im gläsernen Gebäude lebt der gläserne Nutzer.
Proptech
Auch die Hausverwaltung bleibt von den Effekten der Digitalisierung eines Smart Bulidings nicht verschont. Indem die permanent erhobenen Daten des technischen Gebäudebetriebs und der Nutzung gezielt ausgewertet werden, können auch Bearbeitungsprozesse bei Kauf, Verkauf und Verwaltung von Immobilien automatisiert und rationalisiert werden. Proptech ist das Zauberwort. Klassische, zum Teil Jahrhunderte alte Immobiliendienstleistungen werden durch technische Lösungen ergänzt, verändert und im Sinne von Effizienzsteigerungen zumindest teilweise ersetzt.
Um nachhaltig und zukunftsfähig zu sein, muss ein Gebäude nicht nur energieeffizient sein, es muss auch optimal gewartet, Instand gehalten und verwaltet werden können.
Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt der Nachhaltigkeit, und zwar die inhaltliche Befriedigung von Bedarf und Anforderungen der Gebäudenutzer. Anders gesagt: Was nützt ein Gebäude, das zwar energetisch das Nonplusultra ist, in dem aber niemand wohnen oder arbeiten möchte?
Auf Verwaltungsgebäude bezogen bedeutet dies, dass man auf die Veränderungen der Arbeitswelt reagieren muss, was zunächst einmal dem Wesen der Immobilie nicht entspricht. Sich ändernde Arbeitsformen, die Weiterentwicklung der technischen Ausstattung und kurze Laufzeiten von Mietverträgen mit schneller wechselnde Mietern müssen sich in der modernen Immobilie schnell und flexibel realisieren lassen.
So ist z.B. die kontinuierliche Zunahme der Projektarbeit ein aktueller Trend bei der Büroarbeit. Selbst in klassischen Linienorganisationen bearbeiten zunehmend „Teams auf Zeit“ abgegrenzte Aufgabenstellungen und setzen sich nach Notwendigkeit zusammen. Hierfür müssen auch die Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, d.h. klassische Einzelräume werden gegen größere, zusammenhängende Flächen, die permanente Veränderungen ermöglichen, ersetzt. „Flexibler“ wird auch die Art der Beschäftigungsverhältnisse. Projektverträge und freie Mitarbeit wächst zu Lasten klassischer Angestelltenverträge und die Anwesenheit der einzelnen Mitarbeiter im Büro sinkt. Die Formel 1 Mitarbeiter = 1 voll ausgestatteter Arbeitsplatz gilt nicht mehr. Verschiedenartige Büroformen und bis hin zu nonterritorialen Arbeitsplätzen sind die Konsequenz.
Sharing Economy
Größere Gebäudekomplexe werden darüber hinaus mit einer zeitgemäßen Infrastruktur wie Gastronomie, Kita, Fitness-Studios, Einzelhandel etc. auszustatten sein. Und die Anforderungen der „Sharing Economy“ machen nicht im Gebäude bzw. am Arbeitsplatz halt, sondern beginnen schon beim Weg zur Arbeit. Idealerweise ist das Verwaltungsgebäude der Zukunft an den gut funktionierenden ÖPNV angebunden, bietet genügend Abstellplätze für Carsharing und Leihfahrräder und verfügt über Ladestationen für die Elektromobilität. Auf all das gilt es bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb eines modernen, zukunftsorientierten Gebäudes zu reagieren, um die Nachhaltig der Immobilie zu gewährleisten.
Wie muss also zusammen gefasst ein nachhaltiges Gebäude aussehen? 3 Aspekte sind zu erfüllen: 1. Natürlich energieeffizient, 2. Einfach smart und 3. Richtig zum Arbeiten und zum Wohnen. Das wäre dann womöglich beinah wieder „perpetuitas“ – sozusagen das Beständige im Bestand.
Siehe auch unter „Dialog“/Gespräch mit Heribert Leutner: Sozialer Wohnungsbau auf dem Mars könnte hoch spannend sein.