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Nicht auf dem Treppchen, aber doch etwas gewonnen

An der TU Dresden haben sich gut zwei Dutzend Bauingenieurstudenten zusammengefunden, welche ein besonders seltsames Hobby vereint: Sie bauen Kanus. Doch es sind nicht irgendwelche Kanus: Es sind Kanus aus Beton! – Hier berichten die Studenten von einer Regatta in den Niederlanden, die zwar nicht gewonnen wurde, aber dennoch einen Preis eingebracht hat.

Alle zwei Jahre findet in Deutschland eine Betonkanuregatta statt, bei der sich viele Unis sportlich und konstruktiv messen. Zwischen den deutschen Regatten suchen wir die Herausforderung im Ausland. Dieses Jahr fuhren wir mit zwei Betonkanus im Gepäck in die Niederlande, nach Arnheim. Dort richtete die Technische Hochschule Presikhaaf vom 27.05. bis 29.05. eine Betonkanuregatta aus.

Seit Oktober 2015 liefen die Vorbereitungen: Konstruktion und Planung, Betonieren, Sponsorensuche sowie später die Organisation der Fahrt und die Benennung der Kanus: „Hopfen & Malz“ und „Fettes Boot“.

Das Betonbootteam der TU Dresden

Das Betonbootteam der TU Dresden (Foto: TU Dresden)

Ziel war es eigentlich, mit einer ganz neuen Bootsform anzutreten. Leider haben wir es aufgrund des recht frühen Regattatermins nicht geschafft, die neue Schalung fertigzustellen. Daher mussten wir auf eine unserer vorjährigen Konstruktionen ausweichen. Die Wahl fiel auf die kürzere Kanuvariante, um den Transportaufwand etwas geringer zu halten.

Die Kanus haben eine Länge von 4650mm, eine maximale Breite von 705mm sowie eine Gesamthöhe von 305mm und eine Wandstärke von nur ca. 4mm. Die Form ist zweiachsig symmetrisch und bietet ausreichend Platz für zwei Kanuten – sogar für vier, wie in Holland nach den Wettkämpfen getestet, allerdings mit einem bedrohlich großen Tiefgang.

Die Kanus bestehen aus textilbewehrtem Beton. Wir verwenden eine auf unsere Anforderungen angepasste (Fein-) Betonmischung. Wichtig sind eine hohe Festigkeit, ein guter Verbund mit der Bewehrung sowie eine gute Verarbeitbarkeit der Masse.

Als Basis verwenden wir CEM I-42,5R, zu dem wir als Gesteinskörnung Blähglas von Liaver mit den Körnungen von 0,25-0,5mm hinzufügen. Dies ist leichter als alle anderen Zuschläge, was sich in Arnheim als entscheidender Vorteil herausstellen sollte. Weitere Zusatzmittel sind natürlich Wasser sowie Mikrosilikapulver, Fließmittel TM30 und gegebenenfalls Pigmente für die Farbgebung. Als Bewehrung nutzen wir eine triaxiale alkaliresistente Glasfaserbewehrung

Die Herstellung erfolgt durch Aufbringen einer dünnen Schicht Beton, die per Hand eingestrichen wird. Darauf legen wir die mit Polymersuspension bestrichene Bewehrung auf und arbeiten sie ein. Hierauf folgt wieder Beton, die zweite Lage Bewehrung und abschließend noch einmal Beton. Nach nur ca. 4–7 Tagen ist der Beton vollständig ausgehärtet und erreicht eine Festigkeit von ca. 50N/mm².

Fettes Boot beim freien Training

"Fettes Boot" beim freien Training (Foto: TU Dresden)

Insgesamt betonierten wir in den Wochen vor der Regatta genau drei Kanus – bei einem gab es jedoch wegen zu geringer Betondeckung einige undichte Stellen. Beide Kanus wurden wie beschrieben zweilagig bewehrt, nur in der Betondeckung und somit der Wandstärke unterschieden sie sich ein wenig, sodass „Fettes Boot“ leichter (und etwas fragiler) war als „Hopfen & Malz“.

Für die Fahrt nach Holland mieteten wir alsdann zwei Kleinbusse, einen PKW und einen Transporter an. Am Donnerstag vor der Regatta war es dann soweit: zuerst wurden die Autos gepackt (insbesondere die Kanus sicher verstaut) und gegen 23 Uhr starteten wir gen Holland.

Um 7 Uhr morgens kamen wir in Presikhaaf an der Hochschule an. Bis zum offiziellen Beginn blieb noch genug Zeit zum Ausruhen von der Fahrt… und für ein (erstes) kleines Bier.

Um 13 Uhr war dann der offizielle Start des Regattawochenendes. Nach und nach reisten auch die anderen Teams an, zumeist aus Holland, aber auch einige aus Deutschland und Polen. Insgesamt fanden sich ca. 220 Teilnehmer und 33 Kanus auf dem Gelände ein.

Ab 12 Uhr durften die morgens aufgestellten Gemeinschaftszelte bezogen werden. Bis zum offiziellen Briefing durfte nach Belieben auf dem See gepaddelt werden. Außerdem wurden ein Wasser-Laufrad sowie eine Hüpfburg für Kinder aufgebaut. Das Mittagessen mussten wir noch selbst organisieren, ein Glück dass der Park nebenan so eine gute Grillgelegenheit bot.

Um 16 Uhr wurden die Teamkapitäne zum Briefing geladen. Es gab einige Infos zum Ablauf des Wochenendes und erste Essensmarken. Daraufhin wurden unsere Boote präsentiert, geprüft und gewogen: „Fettes Boot“ brachte 20 kg und „Hopfen & Malz“ 30 kg auf die Waage. Damit ein Kanu im Wettbewerb um das schwerste bzw. leichteste Boot auch in die Wertung eingehen kann, muss es jedoch beim Rennen auch das Ziel erreichen.

Über Nacht blieben die Kanus im eingezäunten Wettkampfgelände am Wasser stehen.

Am Abend fand dann die Eröffnungsparty in der Aula der Hochschule statt. Bei den Zelten nebenan formierte sich zum späteren Abend eine Spontanparty der Studenten, welche noch bis in die tiefe Nacht hinein andauerte.

Am nächsten Morgen um 9 Uhr begann der Wettkampf. Es gab Wettbewerbe in den Kategorien „Männer“, „Frauen“ und „Mixed“ jeweils für Teams à zwei Personen, welche an den Disziplinen von 50m, 100m und 200m Sprint teilnehmen konnten.

Für jede Universität durften zwei Kanus starten. Daher gab es acht Rennen in der Vorrunde mit je vier Kanus, aus denen jeweils die Ersten im Halbfinale gegeneinander antraten. Bei den Frauen gab es drei Rennen weniger, sodass hier noch das beste Zweitplatzierte Kanu nach der Zeit ins Halbfinale einzog. Im 100m- und 200m-Lauf der Frauen mangelte es an Teilnehmern, sodass die Halbfinale hierbei entfielen.

Hopfen und Malz

"Hopfen und Malz" - das schwerere, aber stabilere Boot der Dresdner (Foto: TU Dresden)

Bei unserem leichten Kanu waren wir jedoch heilfroh, dass es solange durchgehalten hat: Die Wettkampfstrecke ist recht schmal und die Fähigkeit zum Kurshalten war bei einigen Mannschaften ausbaufähig. Es gab mehrere Kollisionen, von denen einige recht heftig ausfielen. Gegen Ende erfüllte der aussteifende Rand nicht mehr seinen Zweck, wodurch das ganze Kanu sehr wackelig wurde. Aber: Der Textilbeton hielt allen Beanspruchungen stand und auch das Wasser ausreichend lange fern. Sicherheitshalber verstärkten wir die Schäden in den Pausen zwischen unseren Läufen mit dem guten alten Panzertape.

Die Konkurrenz war dieses Jahr sehr stark, vor allem aus Leipzig, weshalb sich unsere Erfolge auf eine Teilnahme am Halbfinale und eine im Finale beschränkten, wo unsere Frauen mit dem „Fetten Boot“ den vierten Platz im 200m-Lauf belegten.

Nach dem Rennen gab es ein kleines spontanes, traditionelles, „Stock-Boot-Rennen“, also das Ausreizen (und Überschreiten) der Belastungsgrenzen der Boote… Bei unserem leichteren Kanu demonstrierten wir dabei noch Kurzerhand die Einmalfaltbarkeit.

Gegen 20 Uhr gab es dann die Siegerehrung. Gekürt wurden selbstverständlich die 1. bis 3. Plätze aller Kategorien. Hier hat Leipzig viel abräumen können. Außerdem gab es Preise für Innovation, Nachhaltigkeit, Kreativität und den Pechvogel des Tages. Des Weiteren wurden das schwerste und das leichteste Kanu prämiert, wobei wir letzteren Titel für uns behaupten konnten.

Abends, nach dem Abendbrot, ab ca. 21:30 Uhr, gab es einen eigens organisierten Busshuttle, welcher die Teilnehmer in die Innenstadt von Arnheim und zurück beförderte, wo man entweder in eine Diskothek geführt wurde oder die Stadt selbst erkunden konnte. Der letzte Bus fuhr dann übrigens um 2 Uhr morgens. Diesen sollte man tunlichst erwischen, da einem andernfalls ein sehr langer Nachtspaziergang bevorstand.

Am Sonntag um 9 Uhr ging die große Packerei wieder los: alles auf die Autos verteilen, das verbliebene Kanu verstauen. Gegen 10 Uhr war alles eingepackt und wir waren abfahrbereit. Gegen 17 Uhr waren wir zurück in Dresden und der ganze Spaß leider schon vorüber. Aber wir planen schon unsere Boote für die nächste Regatta 2017 in Köln.

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Datum 13. Juli 2016
Autor Grzegorz Lepich
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