Brandschutz
Rauch zuverlässig ableiten: Leitfaden für den Sachschutz bei Industrie- und Gewerbebauten
Rauch zuverlässig ableiten: Leitfaden für den Sachschutz
bei Industrie- und Gewerbebauten
Der Rauchschutz von Industriegebäuden unterliegt strengen rechtlichen Bestimmungen. Die Sicherheit der Mitarbeiter steht dabei an erster Stelle. Um materiellen Schaden durch einen Brand zu vermeiden, müssen jedoch besondere Vorkehrungen getroffen werden. Rauch und Flammen können Kosten verursachen, die die Existenz eines Unternehmens gefährden. Um die Schäden möglichst gering zu halten, ist eine zuverlässige Rauchableitung unabdingbar. Im Flachdach integrierte natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (NRWG) halten die Verrauchung des Gebäudes und der Fluchtwege gering.
Großbrände und damit einhergehende schwere Folgen sind nicht alltäglich, aber weder der Zeitpunkt noch die Größe eines Brandes lassen sich voraussehen. Zahlreiche Gesetze und Vorschriften sorgen dafür, dass Brandschutzmaßnahmen eingehalten werden. Allerdings sind diese Maßnahmen auf allgemein öffentliche Schutzziele ausgerichtet, wozu die Vorbeugung der Brandentstehung und Ausbreitung von Feuer und Rauch, die Rettung von Menschen und Tieren sowie das Ermöglichen wirksamer Löscharbeiten zählen [1]. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen eines Brandes gehört nicht dazu. „Wirksame Löscharbeiten“ bedeuten, dass die Feuerwehr im Brandfall in einem Industriegebäude zunächst auf drei Aspekte achtet: Das Feuer eindämmen, ein Übergreifen auf benachbarte Gebäude verhindern und Auswirkungen auf die Umwelt möglichst gering halten. In kritischen Situationen wird hierfür auch der Verlust ganzer Brandabschnitte oder der Totalverlust des Gebäudes in Kauf genommen.
Individuelle Schutzziele beachten
Jährlich entstehen Schäden durch Feuer in Industriegebäuden von ca. 2 Milliarden €. Brandrauch ist für die Hälfte der Schadenssumme verantwortlich. Verunreinigungen und Beschädigungen von Lagergütern, Maschinen sowie Gebäudeteilen können zu langfristigen Produktionsausfällen führen. Schnellstmöglich muss im Brandfall das Feuer eingedämmt und gelöscht werden. Auch die Folgen der Brandgase sollten berücksichtigt werden, denn sie können ebenfalls Maschinen und Gebäudeteile beschädigen.
Deswegen sollten Fachplaner für das Brandschutzkonzept eines Gebäudes nicht nur die vorgeschriebenen Schutzziele beachten. Je nach Gebäudeart und -nutzung sind aus Unternehmensinteressen weitere Schutzziele zu berücksichtigen, beispielsweise
- Schutz von Sachwerten
- Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs
- Erhalt der Bausubstanz (Denkmalschutz).
Neben den besonderen Schutzzielen ist eine Analyse der nutzungsspezifischen Brandrisiken wichtig. Hierzu zählen Brandgefahren, die sich aus Brandlasten oder der Anordnung der Räume ergeben. Zusätzlich beeinflussen Arbeitsabläufe, Personenströme und Materialflüsse die Brandgefahren.
Rauchabzug verhindert Verrauchung der Rettungswege
Entsprechend der Bauordnungen der Länder (LBO) gehören Industriebauten zu den baulichen Anlagen und Räumen besonderer Art und Nutzung. Sie müssen im Allgemeinen so geplant und errichtet werden, dass Personen sich im Gefahrenfall, z. B. bei einem Brand, selbst in Sicherheit bringen können. Der Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e. V. (FVLR) empfiehlt Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA), die die Selbst- und Fremdrettung unterstützen, denn die Anlagen leiten brandbegleitende Rauchgase und Wärme aus dem Gebäude ab. Eine Verrauchung der baulichen Rettungswege wird so vermieden und damit weitestgehend freie Sicht ermöglicht. Die Regelungen zur Rauchableitung in Anlehnung an § 14 Musterbauordnung (MBO) [1] richten sich in der Muster-Industriebaurichtlinie (MIndBauRL) [2] ausschließlich auf die Unterstützung der Brandbekämpfung bzw. den Innenangriff der Feuerwehr.
Sind die Produktions- und Lagerräume über 1.600 m2 groß und haben keine weiteren Ebenen, müssen Rauchabzugsanlagen im Dach oder im oberen Drittel der Wand installiert werden. Die Anlagen müssen so dimensioniert sein, dass mindestens 1,5 m2 aerodynamisch wirksame Fläche für maximal je 400 m2 Raumfläche zur Verfügung stehen. Für eine sichere Zuluft müssen Tore, Türen, Fenster und Zuluftgeräte im unteren Drittel des Raumes installiert sein und einen freien Querschnitt von mindestens 12 m2 aufweisen. Zur Rauchableitung in Räumen unter 1.600 m2 sind Wand- oder Dachöffnungen zulässig. Diese müssen im oberen Raumdrittel angeordnet sein und ihre Größe muss mindestens 1 % der Grundfläche bei Dachöffnungen und 2 % bei Öffnungen in der Fassade des Raumes betragen. Die Zuluftöffnung im unteren Wanddrittel wird auch hier benötigt. Da diese Vorgaben als Regel-Beispiel-Katalog gestaltet sind, lassen sie auch weitere Lösungen zum Erreichen des Schutzziels zu. Der Fachplaner erhält dadurch mehr Sicherheit bei der Ausgestaltung der Brand- und Rauchschutzmaßnahmen. So lassen sich beispielsweise die allgemein anerkannten Regeln der Technik nach DIN 18232 anwenden, die neben den öffentlichen Schutzzielen auch die Anforderungen an den Sachschutz erfüllen.
Vorschriften für natürliche Rauchabzugsanlagen
Weitere Maßnahmen zum Rauchabzug sind u. U. nicht nur durch eigene Vorkehrungen zum Risiko-Management notwendig. Abweichungen von den materiellen Anforderungen der Bauordnung oder die Vorgaben der Versicherer erfordern i. d. R. ergänzende Maßnahmen. In diesen Fällen ist die Anlage nach den anerkannten Regeln der Technik zu planen und zu errichten, z. B. nach DIN 18232-2 „Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 2: Natürliche Rauchabzugsanlagen (NRA) – Bemessung, Anforderungen und Einbau“ [3]. NRWG dürfen nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie nach DIN EN 12101-2 [4] geprüft sind und ihre Eignung nachgewiesen ist. Mindestanforderungen an die Geräte sind in der MVV TB (Muster Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung) aufgeführt. Die MVV TB, die derzeit von den Bundesländern als rechtlich verbindliche Baubestimmung eingeführt wird, ersetzt seit 2017 die bisherigen Bauregellisten.
Ein wesentliches Kriterium bei der Projektierung von NRA gemäß DIN 18232-2 ist der Nachweis einer raucharmen Schicht. Diese muss im Brandfall mindestens 2,50 m hoch sein. Pro 200 m2 Grundfläche sollte ein Rauchabzug eingebaut sein. Die 200-m2-Regel ist ein Richtwert für die Dimensionierung der jeweiligen Rauchabzugsgeräte, der sich in der Praxis bewährt hat. Damit die NRA reibungslos funktionieren, ist eine ausreichende Zuluftnachströmung wichtig. Ab dem Zeitpunkt der Öffnung der NRWG sollte die Zuluft so bodennah wie möglich in den Raum einströmen können, um im Raum das abgeleitete Rauchgasvolumen zu ersetzen. Die wirksame Fläche der Zuluftöffnungen muss nach DIN 18232-2 mindestens das 1,5-Fache der aerodynamisch wirksamen Rauchabzugsfläche des größten Rauchabschnitts im Raum betragen. Als Zuluftöffnungen gelten Tore, Türen oder Fenster, wenn sie von außen zerstörungsfrei zu öffnen sind, und eigenständige Vorrichtungen wie Klappen oder Jalousien.
Sicherheit durch Instandhaltung
Das Brandschutzkonzept kann noch so passend auf die Gebäudebedingungen zugeschnitten sein – wenn die installierten Systeme nicht regelmäßig gewartet und instandgehalten werden, kann ein Brand dennoch eine große Gefahr für Personal, Material und den Betrieb darstellen. Der FVLR weist darauf hin, dass bei einer Reparatur oder beim Austausch von Verschleiß- oder Verbrauchsteilen ausschließlich Originalersatzteile verwendet werden sollten. Nur geprüfte Komponenten gewährleisten die Funktionssicherheit des Rauch- und Wärmeabzugsgeräts. Die Anlagen müssen zu jeder Zeit funktionstüchtig sein, denn weder der Ausbruch noch der Umfang eines Brandes lassen sich vorhersehen. Gesetzlich ist die Notwendigkeit einer regelmäßigen Wartung als besondere Sorgfaltspflicht des Bauherrn oder Betreibers verankert. Zu beachten ist außerdem, dass die funktionssichere Brandschutzkette und der Rauch- und Wärmeschutz immer auf die jeweilige Nutzung des Industriebaus abgestimmt sind. Das bedeutet, dass bei Änderungen der Gebäudenutzung die Gewichtung der Bestandteile des Brandschutzes überprüft und Rauchschutzmaßnahmen gegebenenfalls angepasst werden müssen. Fachplaner und Betreiber finden anhand passender Lösungsbeispiele Möglichkeiten der Vorbeugung von Rauchschäden in der Veröffentlichung der Versicherungswirtschaft „Vermeidung von Schäden durch Rauch und Brandfolgeprodukte – Gefahren, Risiken, Schutzmaßnahmen (VdS 3400)“ [5].
Fazit
Fachplaner sollten das Brandschutzkonzept nicht ausschließlich nach den baurechtlichen Regelungen erstellen, sondern auf das individuelle Schutzbedürfnis des Gebäudes und des Betreibers eingehen. Bereits ein räumlich begrenztes Brandereignis kann aufgrund der Rauchentwicklung für großen Schaden sorgen. Deswegen sollten neben den baurechtlichen Regelungen auch Maßnahmen getroffen werden, die die wirtschaftlichen Folgen eines Brandes berücksichtigen. Ein Brandschutzkonzept, das nutzungsspezifische Brandgefahren und -auswirkungen sowie allgemeine und besondere Schutzziele berücksichtigt, ist nur dann effektiv, wenn es über die gesetzlichen Regelungen hinaus für die tatsächlichen Bedürfnisse geplant wird und nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik dimensioniert und ausgeführt ist.
Literatur
[1] Musterbauordnung – MBO, September 2012.
[2] Muster-Industriebaurichtlinie – MIndBauRL, Juli 2014.
[3] DIN 18232-2:2007-11 „Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 2: Natürliche Rauchabzugsanlagen (NRA); Bemessung, Anforderungen und Einbau“.
[4] DIN 12101-2:2014-09 „Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 2: Natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte“.
[5] Vermeidung von Schäden durch Rauch und Brandfolgeprodukte – Gefahren, Risiken, Schutzmaßnahmen (VdS 3400) (Download: www.fvlr.de/pub_down_presse.htm).
Weitere Informationen:
Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e. V. (FVLR)
Dipl.-Ing. Thomas Hegger, Geschäftsführer
Ernst-Hilker-Straße 2, 32758 Detmold
Tel. (05231) 309 59-0, Fax (05231) 309 59-29
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