Vermischtes
Recht haben um jeden Preis?
Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
vor kurzem ist eine Geschichte aus Wolfratshausen durch die Presse gegangen. Wolfratshausen liegt im südlichen Oberbayern im durchaus attraktiven Bereich zwischen München und den Alpen. Auf einem Foto waren zwei Eltern mit zwei von vier Kindern zu sehen. Hinter ihnen ein nagelneues, schneeweißes, modernes Haus. Dennoch blicken die Protagonisten auf dem Foto nicht wirklich glücklich drein. Was ist der Grund? Das nagelneue Haus, in dem sie wohnen, soll abgerissen werden. Und nicht nur dieses Haus, sondern auch noch zwei weitere, nahezu baugleiche nagelneue Häuser.
Warum reißt man neue Häuser ab, wo doch jeder von dringend nötigem Wohnraum spricht und von unser aller Pflicht, die CO2-Bilanz hochzuhalten unter anderem durch möglichst wenig Verbrauch von Ressourcen? Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen hat eine sogenannte Beseitigungsanordnung erlassen. Das Kreisbauamt hatte vor rund vier Jahren die drei Neubauten als Schwarzbauten entlarvt. Bürgermeister und Landrat sind sich einig: Diese Missachtung des Rechts muss Konsequenzen haben. Die Häuser müssen wieder weg. Zwar hatte das Landratsamt damals gegen den Willen der Gemeinde eine Baugenehmigung erteilt – trotz Außenbereichs – aber der Bauwerber habe die Baugenehmigung überschritten.
Das Problem ist: Nicht nur der Bauherr, der so dramatisch dreist im Außenbereich drei Häuser gebaut hat, hat nun ein Problem, sondern drei Familien, die im Falle des Abbruchs mit ihren Kindern auf der Straße sitzen. Da stellt sich nun doch die Gretchenfrage: Wie weit darf das Recht gehen? Die Beseitigungsanordnung wird im vorliegenden Fall rechtlich haltbar sein. Aber muss eine Behörde zu einem solchen Mittel greifen und damit nagelneue, wertvolle Bausubstanz und Wohnraum vernichten? Die Angst vor einem Präzedenzfall nimmt dem Landkreis wohl den Mut für eine sinnvolle Lösung. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit blieb da auf der Strecke. Sicher könnte auch ein sehr empfindliches Bußgeld potenzielle künftige garstige Rechtsbrecher einschüchtern.
Zeichen zu setzen, ist sicherlich auch für die Verwaltung wichtig. Aber es sollten die richtigen Zeichen sein. Menschen vertrauen dem Recht dann und nur dann, wenn sie merken, dass deren behördlichen Anwender verantwortungsvoll damit umgehen. Manchmal ist Augenmaß eben überzeugender als ein Beharren auf Recht und vermeintlicher behördlicher „Macht“.
Ihnen mächtig viel Freude mit unserem aktuellen UBB!
Ihr
Prof. Dr. jur. Günther Schalk,
Chefredakteur UBB und Rechtsanwalt