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Rückschau auf das 24. Dresdner Baustatik-Seminar online
Am 16. Oktober 2020 musste das 24. Dresdner Baustatik-Seminar aufgrund des aktuell stark zunehmenden Corona-Infektionsgeschehens leider erstmals in das Internet verlagert werden. Sehr gerne hätten wir – die Veranstalter – eine Plattform für persönliche Treffen geboten. Aus Verantwortung gegenüber der Gesundheit aller Teilnehmer und Organisatoren haben wir uns aber kurzfristig zu diesem modifizierten Format durchgerungen. Wir hoffen, dass dies das einzige Baustatik-Seminar dieser Art bleibt. Die Vorträge waren für über 200 angemeldete Teilnehmer online gut verfügbar und die Zuschaltung der Referenten erfolgte problemfrei.
Die Veranstaltung wurde wie immer vom Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der Technischen Universität Dresden in Kooperation mit der Landesvereinigung der Prüfingenieure in Sachsen und der Ingenieurkammer Sachsen ausgerichtet. Beide Partner haben die Modifikation des Formats mitgetragen.
Die Veranstaltung war wie immer in drei Blöcke mit vier, drei und zwei Beiträgen gegliedert. Das im Ankündigungsflyer ausgewiesene Timing der Veranstaltung wurde beibehalten und damit blieben auch die Pausen zum Vertreten der Beine.
Das Dresdner Baustatik-Seminar steht traditionell unter dem Thema „Realität – Modellierung – Tragwerksplanung“. Unter diesem Leitthema werden zukunfts- und richtungsweisende Ansätze mit spannenden, praxisrelevanten Beiträgen konkretisiert. Dies wurde schon mit der Einführung und einer kurzen Übersicht zu den einzelnen Beiträgen von Prof. Dr.-Ing. M. Kaliske deutlich.
Der erste Vortrag von Dipl.-Ing (FH) R. Becker (Ed. Züblin AG, Stuttgart) veranschaulichte die Historie und den aktuellen Stand des politisch brisanten Projekts Stuttgart 21, das zu vielen Auseinandersetzungen und Debatten geführt hat. Der Fokus des Beitrags lag auf den technisch und architektonisch herausragenden Aspekten des Projekts sowie den zahlreichen High Tech Details. Innovativ wurden notwendige Produktionsprozesse neu entwickelt, um den äußerst komplexen Anforderungen zu genügen.
Ganz andere Herausforderungen zeigen sich beim Bauen im Bestand. Über die Jahre verändern sich die Eigenschaften der eingesetzten Werkstoffe und gegebenenfalls auch die Beanspruchungen. Die Nachweiskonzepte aus der Zeit des Entwurfs entsprechen meist nicht den aktuellen und häufig liegen auch keine verlässlichen Unterlagen zum Bauwerk mehr vor. Bauen im Bestand stellt eine ganz besondere Herausforderung für die Tragwerksplanung dar, wie Prof. Dr.-Ing. J. Menkenhagen (Universität Duisburg-Essen) anschaulich erläuterte.
Für die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken ist die Interaktion von Bauwerk und Boden essenziell. Prof. Dr.-Ing. R. Katzenbach (Ingenieursozietät Prof. Katzenbach, Darmstadt) ging in seinem Beitrag sowohl auf Fragen der Modellierung Kombinierter Pfahl-Plattengründung (KPP) als auch das geotechnische Sicherheitskonzept ein. Präsentiert wurden spannende Beispiele aus der Ingenieurpraxis wie dem Tunnelbau neben der Sagrada Familia in Barcelona oder der Fundamentierung des höchsten Hochhauses der Welt in Jeddah.
Der Beitrag des Instituts für Statik und Dynamik der Technischen Universität Dresden stellte in diesem Jahr eine Besonderheit dar. Prof. Dr.-Ing. W. Graf hat das hoch aktuelle Thema Risiko und Risikobewertung subjektiv beleuchtet, eine Fragestellung, mit der und deren Modellierung er sich über viele Jahre beschäftigt hat. Der Fokus wurde auf die Unschärfe im Bauingenieurwesen gerichtet. Beim Umgang mit Daten, Auswertungen und Prognosen gibt es durchaus Parallelen zu allen anderen Lebens- und Arbeitsbereichen. Mit dem Beitrag wird ein Rahmen im beruflichen Werdegang des Referenten gesetzt, der den Aufbruch in eine neue Phase setzt. Prof. W. Graf wird sich auch weiterhin für die Themen engagieren, die ihm ein Herzensanliegen sind.
Die fortschreitende Digitalisierung im Bauwesen eröffnet Ansätze für Innovationsschübe. Prof. Dr.-Ing. M. Arch. L. Blandini (ILEC Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren, Universität Stuttgart und Werner Sobek AG, Stuttgart) präsentierte innovative Bauvorhaben unter den Aspekten Ressourceneffizienz, BIM Modellierung und Reduzierung der Fragmentierung bei den Planungs- und Bauprozessen. Die Projekte Stuttgart 21, Qatar National Museum und Kuwait International Airport sind dafür besonders prominente Beispiele.
Prof. Dr.-Ing. A. Zilian (Fakultät Naturwissenschaften, Technologie und Medizin, Universität Luxemburg) berichtete aus einem Forschungsprojekt zu nachhaltigem Planen, Bauen und Bewirtschaften im Sinne einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Die Tatsache, dass Bauwerke in der Regel Unikate sind, erfordert immer neue individuelle Lösungsansätze. Die Methodik des digitalen Zwillings eröffnet dabei neue Wege in der Kreislaufwirtschaft.
Im Beitrag von Dr.-Ing. J. Braun (Braun, Schöps & Partner, Dresden) war der Blick sowohl vom Material als auch der Geografie anders ausgerichtet. Er stellte Arbeiten an historischen Lehmbauten im Süden Irans in Bam vor. Dieser weltweit größte Lehmbauten-Komplex wurde 2003 durch ein Erdbeben fast völlig zerstört. Bauwerke werden jetzt erdbebenresistent rekonstruiert, unter Erhaltung der ökologischen Lehmbauweise und nach den Richtlinien der UNESCO.
Ein schöner Kontrast zu den historischen Lehmbauten war der Beitrag von Prof. Dipl.-Ing. M. Pfeifer (PfeiferINTERPLAN, Darmstadt). Der 190 m hohe Omniturm in Frankfurt wurde als ein Hochhaus mit Hüftschwung eingeführt. Die außergewöhnliche Gestaltung mit den verschobenen Ebenen verleiht dem Gebäude einen ganz individuellen Charakter und stellt eine anspruchsvolle Aufgabenstellung für die Tragwerksplanung dar.
Prof. Dr.-Ing. J. Otto (Fakultät Bauingenieurwesen, Technische Universität Dresden) thematisierte eine zukunftsweisende Technologie. 3-D-Druck gewinnt in vielen technischen Bereichen an Bedeutung. Auch im Bauwesen können damit unter Beachtung der spezifischen Anforderungen innovative Prozesse und Produkte entwickelt werden. Die verschiedenen technischen Lösungen und Chancen wurden insbesondere aus betriebswirtschaftlicher Sicht aufgezeigt.
Im Schlusswort von Dipl.-Ing. A. Forner (Landesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik in Sachsen) wurde auch schon auf das 25. Dresdner Baustatik-Seminar hingewiesen, das für den 15. Oktober 2021 geplant ist.
Der Tagungsband zum Seminar kann über das Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der Technischen Universität Dresden bezogen werden.