momentum magazin für Bauingenieure präsentiert von Ernst & Sohn
Gespräch

„Sozialer Wohnungsbau auf dem Mars könnte hochspannend sein …“

Dipl.-Ing. Architekt Heribert Leutner (Foto: HL)

momentum sprach mit Dipl.-Ing. Architekt Heribert Leutner über den Bau der Elbphiharmonie, über Risikomanagement bei Stuttgart 21, über Verantwortung, Vor- und Nachteile des Kompromisses und über Taschenrechner mit zu wenigen Stellen vor dem Komma …


momentum
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„Lass dich in keinen Kompromiss, du verlierst die Sach’, das ist gewiss“, sagt ein deutsches Sprichwort. Ein chinesisches lautet: „Ein Kompromiss ist immer ein vorläufiger Erfolg.“ Wären Sie eher Deutscher oder Chinese in dieser Hinsicht?

Heribert Leutner:

Bei Nietzsche fand ich mal den Satz: „Das Tragische an jeder Erfahrung ist, dass man sie erst macht, nachdem man sie gebraucht hätte“. So nah zu erleben, dass Politik wirklich ein Geschäft von Kompromissen ist, das hatte ich vorher so nicht erkannt. Da war ich also wohl mehr Deutscher. Aber die Menschen, die politisch in der Verantwortung stehen wissen, dass am Ende immer wieder Kompromisse notwendig sind, weil sie sonst nicht weiterkommen. Also werden die zu Chinesen. Und diejenigen, die schon lange dabei sind, denen geht das vielleicht so in Fleisch und Blut über, dass die Kompromisssuche dann auch zum Zwang werden kann …

 

Bausstelle Elbphilharmonie (Foto: HL)

Wie fühlt man sich eigentlich als Herr über eine Milliarde Budget im Falle der Elbphilharmonie, wenn es denn tatsächlich so viel war …

Die Milliarde kam zusammen, weil ich in Hamburg auch noch für andere Projekte zuständig war. Aber lassen Sie mich persönlich antworten: Als Student suchte ich ein Praktikum in Dortmund und habe mir da den Fernsehturm angeguckt und überlegt, wer da wohl der Architekt war. Ich habe mich dann in dem Büro beworben und bin genommen worden. Als ich dann ein Projekt sah, das 50 Mio. (DM damals) kostete, da habe ich mich wirklich erschrocken und erst mal die Nullen gezählt. Mein damaliger Taschenrechner konnte das schon gar nicht mehr, der hatte nicht genug Stellen für die Addition dieser Zahlen, vor denen ich einfach Ehrfurcht hatte. Aber über die vielen Jahre der Berufserfahrung ist das irgendwann natürlich auch völlig normal … Ob das jetzt in Hamburg eine Milliarde war oder, als ich anschließend beratend bei Stuttgart 21 unterwegs war, ein Gesamtvolumen von mehreren Milliarden da passiert bei mir emotional nichts. Es geht ja immer wieder nur darum, die Aufgaben, die man hat, ordentlich zu erbringen, ob das jetzt ein 100 Millionen-Projekt ist oder eines nur für eine Million …


Trotzdem die Frage: Wie gehen Sie mit Verantwortung konkret um, die ja doch auch mit so einer Summe zusammenhängt?

Zum einen muss man natürlich verantwortlich mit dem Geld der anderen umgehen und das ist ja im Falle der öffentlichen Hand schon etwas nebulös: Wem gehört denn eigentlich dieses Geld? Und ich glaube, dass viele Menschen, die in diesem Umfeld tätig sind, gar nicht mehr den Bezug so dazu haben, als wenn es eigenes Geld wäre. Man ist also angewiesen auf vernünftige Tugenden, die man in sich trägt. Hat man die nicht, kann man da auch rumwildern. Selbst bei Privatprojekten oder solchen von privaten Institutionen fehlt manchmal dieser Bezug, was ja z.B. zu leistungsbezogenen Verträgen führt. Also wenn ich diese ganz großen Zahlen auf dem Tisch habe und weiß, ich muss jetzt einen Auftrag vergeben an einen GU, da stehen mehrere 100 Mio. € und den unterschreibe ich dann … Also der Moment des Unterschreibens ist schon noch mal ein besonderer.

Andererseits haben diese Riesenzahlen auch den Vorteil der Grauzone, und wenn die, sagen wir mal, zwischen 1 % und 5 % liegt, dann kann es schon mal angenehm sein, dass man den einen oder anderen Fehler oder die nicht so tolle Entwicklung eben in dieser Grauzone verarbeiten kann. Also haben die großen Zahlen eher Vorteile …

 

Elbphilharmonie (Foto: HL)

Zur Elbphilharmonie: Ein englischer Kritiker hat eine Besprechung des Urban Parasol in Sevilla mal mit den Worten begonnen: „Oh, it’s a symbol“. Kann man sowas heute noch bauen? Oder anders gefragt: Brauchen wir noch Wahrzeichen im Stadtbild?

Nein, wenn man das auf das Thema „Symbol“ reduziert, glaube ich, dass man es heute nicht braucht, zumal das Symbolhafte sehr zweischneidig ist. Dass das auch sehr schnell missbraucht werden kann, haben wir ja gerade in der deutschen Geschichte gesehen. Symbolbauten emotionalisieren ja oftmals auch, um eine positive Stimmung zu schaffen und und das sehe ich sehr kritisch. Das wird in unserer Gesellschaft zwar nicht missbraucht, aber auf der anderen Seite muss man auch fragen, wozu dann? Da sieht man mal, welche Wirkung und Kraft Architektur haben kann. Was übrigens kein noch so tolles Projektmanagement, Leanmanagement, BIM etc. pp. beeinflussen kann.


Wird es wirklich nicht missbraucht? Könnte man für das Heidengeld, das dieser Symbolbau Elbphilharmonie kostet, nicht auch anderes bauen?

Ich weiß nicht, ob ein Symbolbau, wenn man versucht, ihn ins Finanzielle zu übertragen, teurer ist als der gleiche Inhalt in einem völlig unsymbolischen, hässlichen Gewand. Also BER hat architektonisch glaube ich keinen Symbolcharakter …


Gut gegeben …

Und es ist immer wieder interessant zu hören, was die Touristen so über dieses Projekt sagen. Da spürt man den, kalkulierten Effekt, wir bauen ein Wahrzeichen und holen positive Stimmung nach Hamburg. Im Moment wird das noch ergänzt durch „ach, das ist dieses teure Ding da“. Also auch ein Symbol für „zu teuer geworden“. Hat man sich so nicht gewünscht, klar … Aber das Visuelle und das, was da im Stadtbild auch unübersehbar ist, das hat positive Effekte und das wollte die Stadt Hamburg damit auch erzielen.

 

 Sophienterrasse

Sophienterrasse (Foto: HL)

Es gab ja in den 70er Jahren noch den Begriff der Herrschaftsarchitektur. Das ist ja etwas, was es heute auch noch gibt, es wird nur nicht mehr so genannt … Ist das nicht auch Herrschaftsarchitektur?

Ja, in Teilen schon, muss ich schon sagen. Auch andere Projekte wie z.B. das Berliner Schloss. Na gut, wir haben ja jetzt nicht mehr wirklich eine herrschende Klasse, aber wenn wir noch einen Klassenkampf hätten, dann wären das natürlich genau diese Symbole, die herhalten müssen für all das Negative, was man damit assoziiert.


Würden Sie dann nicht lieber sozialen Wohnungsbau realisieren als die Elbphilharmonie?

Nein, da bin ich wohl doch zu egoistisch. Den Architekten und Ingenieur in mir kitzelt schon die interessante Aufgabe, wobei ich keinen Symbolcharakter brauche, um eine Aufgabe interessant zu finden, sondern eher die technische Komplexität und die gestalterische Herausforderung drum herum auch. Aber sozialer Wohnungsbau auf dem Mars könnte natürlich auch wieder hochspannend sein …

 

Projektmanagement für die Privatwirtschaft beim Westhafentower in Frankfurt …

Projektmanagement für die Privatwirtschaft beim Westhafentower in Frankfurt … (Foto: HL)

Sie haben einmal gesagt, dass Sie bei der Elbphilharmonie ursprünglich die Vorstellung hatten, sich und Ihre Arbeit viel mehr einbringen zu können …

Ja, ich kam ja als Projektsteuerungsspezialist aus der Privatwirtschaft zur Elbphilharmonie und hatte natürlich diese Vorstellung. Es kommt bei Großprojekten eben immer auf die richtigen Methoden und Abläufe an. Und bei dem Projekt Elbphilharmonie, und wohl auch bei anderen öffentlichen Projekten, ist es nicht so leicht, die klassischen Projektmanagementtools und -erfahrungen anzuwenden, weil die öffentliche Hand z.B. in ihrer Entscheidungsfindung furchtbar kompliziert ist, und teilweise auch, da sind wir dann beim Thema „wer ist denn der Tonangebende?“, nicht sachbezogen entscheidet. Und aus guten Gründen vielleicht, weil ich als politisch Verantwortlicher noch ganz andere Dinge beachten muss. Am Ende vielleicht sogar meine Wiederwahl, aber auf jeden Fall die Interessen meiner Partei usw.


Aber sind wir da nicht an einem Punkt, der ganz entscheidend ist für die Frage, warum hier in Deutschland so viele Großprojekte im Moment scheitern.

Es scheinen mir die Rahmenbedingungen und Zwänge zu sein, in denen die öffentliche Hand nun mal steckt, die gar nichts anderes zulassen. Diese Antwort habe ich teilweise auch in Diskussionen mit Politikern bekommen: Erkenntnis Sachstand ja, lässt sich politisch aber nicht verkaufen und deshalb nein. Und ein gewolltes Projekt politisch zu vermitteln führt ja häufig dazu, dass man in so einer Vorentscheidungsphase bereits Kosten nennt, die noch gar nicht valide sind, weil die Planung noch gar nicht so weit ist. Leider hängt der Politiker dann am Fliegenfänger der erstgenannten Zahl.

Die andere Crux ist das Vergabeverfahren. Das ist auch ein Thema, an das wir hier in Deutschland ran müssen und an dem in der Reformkommission in Richtung anderer Vertragsformen auch gearbeitet wird. Die aktuelle Praxis, auch bei kleineren öffentlichen Projekten stets den billigsten Auftraggeber, Auftragnehmer zu beauftragen …

 

… und beim Neubau der damaligen Eurohypo in Eschborn

… und beim Neubau der damaligen Eurohypo in Eschborn (Foto: HL)

… führt natürlich auch wieder zur Kostensteigerung …

Ja, das öffentliche Vergaberecht ist gruselig. Das ist z. B. so eine Rahmenbedingung, die die öffentliche Hand leitet, nach der in den Ämtern auch verfahren werden muss, weil ansonsten riskiert wird, dass das Projekt sich durch Verfahrensrügen oder Klagen weiter verzögert; bis hin auch zu ganz persönlichen Gründen, wo ein Mitarbeiter in der Hochbauverwaltung sagt, was soll ich mich denn jetzt hier stark machen für einen Zweit-oder Drittplatzierten, von dem ich eigentlich weiß, dass er es besser kann. Aber das, was ich mir selber an Vermerken, Schreiben und Rechtfertigungen usw. antue …

Nun gibt es natürlich gute Gründe für das öffentliche Vergaberecht, z.B. weil der Bausektor ja nun manchmal empfänglich ist für unlautere Dinge … Aber da sind wir wieder bei dem Thema fremdes Geld und der Absicherung gegen etwaige Vetternwirtschaft und Intransparenz durch das Vergaberecht. Doch ist das inzwischen so überdreht, dass die Vergabeverfahren zu einer echten Behinderung im Projekt werden können.


Haben Sie denn dieses Billigrechnen auch konkret in der Planung erlebt?

Ich habe es nie so erlebt, dass irgendjemand etwa gesagt hat, lieber Projektleiter, nun schreib mal lieber die untere Zahl hin, dann flutscht das politisch durch. Trotzdem ist man oft sehr optimistisch rangegangen. Bei der Elbphilharmonie habe ich das als schon fast euphorisches Arbeiten am Anfang erlebt, wo man ja auch gesagt hat, wir brauchen keinen Architektenwettbewerb, sondern wir wollen dieses herrliche Projekt haben, das angekündigt worden ist über zwei Visualisierungen von Herzog / de Meuron. Mit Bildern hat man da eine unglaubliche Wirkung erzielt, eine unheimliche Emotionalisierung und das führte dann, glaube ich, auch so ein bisschen zur Blindheit. Man hat halt die rosa Brille aufgehabt, auch bei der Kostenermittlung.

 

Dipl.-Ing. Architekt Heribert Leutner im Gespräch mit momentum

Dipl.-Ing. Architekt Heribert Leutner im Gespräch mit momentum (Foto: momentum)

Da werden Risiken vielleicht auch nicht so richtig bewertet. Versucht man denn, die in einer frühen Phase zumindest ansatzweise zu identifizieren?

Doch, bei der Elbphilharmonie gab es ja z.B. die Themen Statik und Gründung. Also die Idee, wir setzen auf einen alten Speicher ein neues Haus, verursacht natürlich sofort die Frage: Kann der Speicher das eigentlich tragen? Und insofern wurden im Rahmen der Voruntersuchung die Fundamente genau überprüft, was dann dazu führte, dass man erkannt hat, dass es nicht reicht. Der erste Ansatz war tatsächlich ein bisschen sehr blauäugig, als man dachte, das werde schon gut gehen … Und in so alten Häusern, die über mehrere Etagen gehen, ist es nun mal so, dass die obersten Stützen weniger tragen können als die untersten. Und dann muss man eigentlich auch verstehen, dass selbst, wenn vielleicht sogar das Fundament unten die Gesamtlast tragen kann, das aber zumindest für diese Stütze im 6. Obergeschoss nicht so richtig funktioniert.


Das war also noch gar nicht mal zu Ende gedacht an der Stelle?

Zunächst ja, aber es stellte sich dann bei der Untersuchung der Fundamente heraus, dass der alte Speicher auf 1.100 Betonpfählen steht, die einen Durchmesser von rund 1 m haben und ca. 20 m in den Schlick, den schlechten Baugrund gerammt sind …

 

Erhöhtes Risikopotenzial: Abbruch und Umbauarbeiten.

Erhöhtes Risikopotenzial: Abbruch und Umbauarbeiten. (Foto: HL)

Ist das nicht schon eine ganz schöne Menge für damals?

Bei 5.000 m² Grundfläche ist das schon ein enges Raster, ja. Da musste man sich dann reingraben, den Pfahl freigelegt und dann durchgeschnitten, ein Stück rausgenommen und eine Hydraulikpresse reingesetzt und geguckt, wann es denn Knacks macht gewissermaßen …

Es hat sich rausgestellt, dass die Dinger tatsächlich fester im Erdreich sitzen als ursprünglich angenommen. Aber dennoch mussten noch über 600 Stück nachgebohrt werden, die dann zwischen die bestehenden gesetzt wurden.

Also ein Beispiel dafür, dass man sich schon Gedanken gemacht hat. An anderer Stelle hat man es zu wenig getan, da hatte man aufgrund der guten Pläne über das vorhandene Speichergebäude natürlich auch Dokumente über den Wandaufbau. Und auf die hatte man sich bei der Planung des neuen Wandaufbaus zu sehr verlassen. Im Nachhinein zeigte sich, dass man noch mehr Probebohrungen hätte machen müssen, um zu schauen, ob der Wandaufbau so wie damals geplant auch wirklich ist, oder doch vielleicht anders gebaut wurde. Im Ergebnis war es dann sehr aufwendig, die Außenwand zu sanieren, weil die eben nicht die physikalischen Eigenschaften hatte wie ursprünglich im Plan.


Wollen wir an dieser Stelle gleich mal auf Ihr Engagement in Stuttgart eingehen und die berühmte UV-Kalkulation?

Das passt insofern, als dass ich dort beim Aufbau des Risikomanagements beraten habe, das es in der Form bisher in dem Projekt nicht gab. Es ging konkret um das Implementieren einer Methode, die man dort für dieses sehr spezielle Risikomanagement brauchte. Üblicherweise gibt es ja bei Bauprojekten keine eigene Risikomanagementabteilung, weil man die bei normalen Größenordnungen nicht braucht. Dort werden die Projektrisiken im sogenannten UV (Unvorhergesehenes), eingerechnet. Bei öffentlichen Projekten übrigens per Vorgabe in den entsprechenden Verwaltungsvorschriften, 5 % in aller Regel.

Bei Stuttgart 21 ging es nun darum, eine Methode zu entwickeln, den einzelnen Risiken auf den Grund zu gehen, die einzelnen Positionen zu identifizieren und dann ist ja der Witz beim Risikomanagement, zu sagen, was müssen wir heute tun oder was muss ich wann tun, damit das Risiko minimiert wird oder aber sogar ganz verhindert werden kann.

 

momentum im Gespräch mit Dipl.-Ing. Architekt Heribert Leutner

momentum im Gespräch mit Dipl.-Ing. Architekt Heribert Leutner (Foto: momentum)

Klar, es ist ja häufig so, dass sich während der Bauausführung der Kenntnisstand über die Randbedingungen erweitert und gerade im Tunnelbaubereich und Tiefbaubereich ist das ja so. Also ich kann da die örtlichen Risiken identifizieren, d. h. das kann ich näher untersuchen durch Aufschlussraster, aber ich kriege nach wie vor nur Punktaufschluss. Und richtig bewerten kann ich es eigentlich nur mit zunehmendem Baufortschritt.

Im Ruhrgebiet sagt der Bergmann: Vor der Hacke ist’s dunkel … Und in dem Moment, wo man Bauinnovationen hat, da ist dann auch in Teilen Dunkel vor der Hacke. Wenn man neue Bautechniken erprobt oder neue Materialien einsetzt, dann muss man auch erst mal Testreihen haben und erfährt dabei vielleicht zusätzliche Risiken, die zu bepreisen sind und dann möglicherweise aus den bisherigen Reserven rausschlagen. Bei der Elbphilharmonie ist es z.B. das Thema akustischen Verkleidung des großen Saales, wo die Architekten zusammen mit dem Akustiker am Computer und mit aufwendigen Versuchen ein Material aus Gips entworfen haben, was in der Form noch nicht für solche Funktionen genommen worden ist

Da könnte man natürlich auch sagen, das ist aber jetzt mal ein bisschen übertrieben, weil die große Masse der Menschen, die da drinsitzt und Musik hört, wahrscheinlich den Unterschied nicht hören wird, ob die Akustik jetzt superhervorragend ist oder nur hervorragend. Und interessanter Weise haben ja große Säle aus der Vergangenheit, also die vor 100 Jahren und mehr gebaut wurden, diese modernen Planungsmethoden und Materialien auch nicht und haben trotzdem eine sehr gute Akustik.

Da hat sich dann aber auch wiederum Hamburg durch das Label „einer der 10 besten Säle der Welt“ selbst sehr unter Zugzwang gesetzt. Das ist für mich auch so ein Punkt. Am Anfang werden die Projektziele definiert, und wenn da die Messlatte für ein Ziel, wie in diesem Fall „Qualität“, extrem hoch gelegt wird, dann muss jedem klar sein, dass zur Erfüllung der Ziele möglicherweise sehr viele Mittel aufzuwenden sind und die anderen Projektziele wie „Kosten“ und „Termine“ hintanstehen. Da hieß es dann: „Wir bauen ein Wahrzeichen, wiewohl keiner so richtig weiß, wie Wahrzeichen-Bauen eigentlich geht. Kann man das von vornherein so beschreiben, oder werden Wahrzeichen nicht vielmehr erst durch ihre Existenz zu einem solchen?

Und dann das alles mit diesem wahnsinnigen Aufwand und für einen Bereich, der ohnehin immer subventioniert werden muss … Also Kulturprojekte und philharmonische Säle, die profitabel sind, sollen ja sehr selten sein.


Und ich würde mich anstehen zu sagen „for the happy few“, der Rest kann Fernsehen gucken.

Ja, das ist so. Und das darf man auch kritisch sehen. Natürlich sind wir aufgerufen, auch unsere Kultur zu bewahren, aber mit einem solchen Aufwand?


Herr Leutner, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch


Das Gespräch führten Dr. Helmut Richter und Dr. Burkhard Talebitari

 

Zur Person: Dipl.-Ing. Architekt Heribert Leutner berät Bauherren in allen wirtschaftlichen, technischen und verfahrensrelevanten Fragestellungen bei Bau- und Infrastrukturprojekten. In über dreißig Jahren Tätigkeit in der Baubranche verantwortete er zahlreiche Projekte für privatwirtschaftliche und öffentliche Bauherren. Nach Stationen bei Architektur- und Ingenieurbüros wie HPP und Professor Diederichs gründete Leutner die Projektmanagementgesellschaft STRUKTUR, die deutschlandweit eine Vielzahl von Großprojekten betreute. 2005-2013 leitete er den Bau der Elbphilharmonie und hatte als Geschäftsführer der ReGe Hamburg Projekt-Realisierungsgesellschaft mbH eine Budgetverantwortung von 1 Mrd. Euro. Bis heute stehen für den Bauexperten komplexe Fragestellungen im Fokus – so wirkte er z.B. an der Implementierung des Risikomanagements bei Stuttgart 21 mit. Das Fernsehmagazin Kulturzeit auf 3sat widmete Leutner im Jahr 2013 ein zweiteiliges Feature.
Heribert Leutner ist Mitglied im BIM-Arbeitskreis der Architektenkammer Hamburg sowie im Ausschuss für Stadt- und Regionalentwicklung der Handelskammer Hamburg. Er hält bundesweit Vorträge und Seminare zu Themen des Projektmanagements und zu diversen Spezialhemen rund um das Bauen. An der HafenCity Universität Hamburg leitet er eine Lehrveranstaltung im Fach Bauökonomie.

 

 

 

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Datum 15. Oktober 2015
Autor Burkhard Talebitari
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