Kolumne Reinhard Hübsch
„Um die Wertschätzung der Baukultur ist es schlecht bestellt“
reiner nagel folgt prof. michael braum als vorstandsvorsitzender der bundesstiftung baukultur
als nach einer unendlichen vorgeschichte 2008 die von der bundesregierung eingerichtete bundesstiftung baukultur endlich unter ihrem ersten vorstandsvorsitzenden prof. michael braum in potsdam daran ging, die öffentlichkeit in fragen von architektur und städtebau zu sensibilisieren, blickten die akteure mit ziemlicher skepsis in die zukunft, war die stiftung doch in ihrem aufsichtsgremien eng an die politischen parteien geknüpft. jetzt, nach fünf jahren, bekommt die stiftung einen neuen vorsitzenden.

Ab Mai Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur: Reiner Nagel (Foto: ELBE&FLUT / Thomas Hampel)
am dienstag war die personalie noch vom bundeskabinett unter kanzlerin merkel abgenickt worden, heute gab das zuständige bundesbauministerium in berlin bekannt, wer die stiftung ab 1. März führen wird: reiner nagel – was in der baukulturellen öffentlichkeit zu einem irritierten augenreiben führte: rainer who? reiner nagel ist einer von 14 abteilungsleitern in der berliner senatsbauverwaltung, die der senatsbaudirektorin regula lüscher unterstehen, lüscher selbst ist dem zuständigen senator, will heißen: berliner landesbauminister michael müller (spd) zugeordnet. reiner nagel, abteilungsleiter der stadt- und freiraumplanung, stammt also nicht aus der ersten oder zweiten, sondern bestenfalls aus der dritten reihe. damit hat das bundesbauministerium unter peter ramsauer (csu) wieder einmal deutlich gemacht, welchen stellenwert sie der stiftung beimißt – geringschätzung ist noch eine noble untertreibung. kenner der politischen landschaft sprechen davon, daß es ramsauer am liebsten wäre, man könnte die stiftung schließen. und was er von der stiftung hält, das hat ramsauer, das hat sein staatssekretär rainer bomba (cdu) immer wieder deutlich gemacht, etwa, als im vergangenen jahr der konvent der baukultur in hamburg tagte, sozusagen das parlament der stiftung. alle zwei jahre werden architekten, ingenieure, publizisten und unternehmer zusammengerufen, um wichtige fragen von architektur und städtebau zu diskutieren, die ergebnisse sollen als leitplanken die arbeit der stiftung inspirieren. nachdem zum konvent 2012 hamburgs bürgermeister olaf scholz die delegierten begrüßt hatte, ergriff nicht etwa der bundesbauminister oder sein staatssekretär das wort, sondern eine ministerialdirigentin – wieder einmal dritte reihe.
damals, im sommer 2012, kündigte der gründungs-vorstandsvorsitzende michael braum an, daß er für eine weitere amtszeit nicht zur verfügung steht. wer wußte, welche querelen es in der vergangenheit um die personelle, um die finanzielle ausstattung der stiftung gab, die mit einem enggeschnürten etat von 1,8 millionen euro im jahr auskommen muß, wer das wußte, der war über braums entscheidung nicht verwundert. dazu kommt, daß die arbeit der stiftung immer auch unter politischer kuratel stand, denn im 13köpfigen aufsichtsrat dominieren die parteipolitiker: fünf vertreter stammen aus den bundestagsparteien, drei aus den bundesministerien, nur fünf wie der international renommierte bauningenieur prof. werber sobek aus stuttgart oder sigurd trommer, präsident der bundesarchitektenkammer, können als sogenannte unabhängige experten bezeichnet werden. in der vergangenheit haben denn auch wieder und wieder fachkundige beobachter der szenerie darauf gedrängt, die öffentlich-rechtliche bundesstiftung politikferner zu organisieren – bis heute blieb dieser ruf unerhört.
nachdem bekannt geworden war, daß braum die leitung der stiftung aufgibt, regten profilierte stimmen an, die spitze der einrichtung mit einer renommierten, weithin anerkannten persönlichkeit zu besetzen. in diesen debatten wurden die namen des darmstädter architekturhistorikers prof. werner durth und des hamburger publizisten prof. gert kähler genannt, prof. volkwin marg vom weltweit geachteten planerbüro gerkan, marg und partner (gmp), von karl ganser und auch von uli hellweg, die beide erfolgreich internationale bauausstellungen (IBA) gemanagt haben und die alle ein anspruchsniveau markieren, von dem aus die bundesstiftung in den nächsten jahren hätte agieren können und müssen. denn die einrichtung mit sitz in potsdam benötigt, wenn sie denn die baukultur national und international voranbringen soll, einen prominenten, kenntnisreichen, hervorragend vernetzten, allgemein anerkannten und beharrlichen fürsprecher, der gewillt und in der lage ist, sich politischen pressionen zu widersetzen. dieses anforderungsprofil war, wie die gewöhnlich gut informierten kreise in berlin überzeugend versichern, nicht gewünscht; ratschläge, diesen oder jenen zur bewerbung aufzufordern, wurden vom bundesbauministerium mit beredtem schweigen kommentiert. Ein starker, in der nationalen wie internationalen szene geachteter vorstandsvorsitzender hätte der politik paroli bieten können – mit der entscheidung für reiner nagel hat man das vermieden.
um die bundesstiftung, um die baukultur muß man sich zukünftig mehr sorgen machen als je zuvor. morgen, am 22. februar, wird der vorstandsvorsitzende in der potsdamer schiffbauergasse verabschiedet. in einer hauseigenen kolumne, in der bislang u.a. mike schlaich und jörn walter, hilde léon und barbara sichtermann zu wort kamen, meldet sich aus diesem anlaß michael braum selbst zu wort und formuliert dort unter anderem: „Um die Wertschätzung der Baukultur ist es, unbeschadet aller Absichtserklärungen, schlecht bestellt in Deutschland. Statt im Planen und Bauen ausgebildete Persönlichkeiten in verantwortliche Entscheidungspositionen zu bringen, werden diese Ämter politisch besetzt.“