Geotechnik/Tunnelbau, Vermischtes
Verbindungen wider die größten Stau-Hotspots Kaliforniens
Mit der Unterstützung von Herrenknecht Tunnelling Equipment sind Los Angeles und die beteiligten Bauunternehmen fleißig am Werk. Das Nahverkehrsnetz wird massiv ausgebaut, damit die Stadt für die Olympischen Spiele 2028 fit ist. L. A. County ist ein gewaltiger Ballungsraum. Mehr als 10 Mio. Menschen befinden sich hier in ständiger Bewegung — solange sie nicht im Stau stecken. Das passiert trotz der gut 804 km an mehrspurigen Freeways mit schöner Regelmäßigkeit, denn Südkalifornien zählt zu den größten Stau-Hotspots der Welt. Seine Bewohner sitzen Jahr für Jahr im Schnitt 103 Stunden im Verkehr fest oder verlassen sich auf Apps, die sie auf Zickzack-Routen über Seitenstraßen schicken.
Die Schattenseiten seiner Autokultur haben LA zu einem ehrgeizigen Plan zum Ausbau seines Nahverkehrsnetzes veranlasst. Ziel ist es, das Serviceangebot von LA Metro und vielen kleineren Betreibern in den fast 90 Kommunen des Landkreises, zu verbessern. Seit die Wähler:innen in einem Volksentscheid 2016 grünes Licht gaben, hat die Verkehrsbehörde mehr als 20 Mrd. US$ budgetiert, um einen Netzausbau von Metro Rail, Schnellbuslinien, Metrolink und normalen Linienbussen durchzuführen. Die ÖPNV-Initiative ist Teil eines umfassenden Plans der Stadt, den Individualverkehr zurückzufahren, öffentliche Verkehrsmittel bequemer und zugänglicher zu machen und ihre gesamte Infrastruktur zu elektrifizieren – zwecks Emissionssenkung. Das alles soll bis 2028 passieren, wenn LA die Olympischen Spiele beherbergt und Gäste aus aller Welt erwartet. Herrenknecht unterstützt die Anstrengungen von LA Metro seit 2005 mit insgesamt zehn maßgeschneiderten EPB-Schilden, mit denen bislang ca. 35 km neue U-Bahn-Trassen gebaut wurden.
„Das ist das größte Infrastrukturprogramm des Landes, und der Großteil der Gelder fließt in den öffentlichen Nahverkehr”, erklärt Richard Clarke, der bei LA Metro als Chief Program Management Officer für die Umsetzung des Vorhabens zuständig ist. Das Kronjuwel im Portfolio ist der Ausbau der Purple Line, der eine ca. 14,5 km lange U-Bahn-Verbindung zwischen Downtown LA und drei beliebten Adressen im Westen der Stadt herstellen wird: die Miracle Mile, Beverly Hills und Westwood. Die Erweiterung soll ca. 9 Mrd. US$ kosten und erfolgt in drei Abschnitten, die zwischen 2023 und 2027 schrittweise in Betrieb gehen sollen.

Bild 1: Die beiden Tunnelbohrmaschinen „Elsie“ und „Soyeon“ von Herrenknecht kommen beim derzeit größten Infrastrukturprogramm der USA zum Einsatz. (Herrenknecht AG)
Sieben neue Bahnhöfe
Clarke setzt große Hoffnungen in die neue U-Bahn samt sieben neuen Bahnhöfen unter dem Wilshire Boulevard. “Die Passagierschätzungen sind sehr hoch, da Wilshire Boulevard eine der meistbefahrenen Hauptverkehrsadern in ganz Amerika ist. Historisch betrachtet ist Los Angeles entlang des Wilshire-Korridors gewachsen, und so sind mit der Zeit viele wichtige Orte entstanden: Beverly Hills, Rodeo Drive, der UCLA-Campus und der VA-Campus mit medizinischer Versorgung von Veteranen”, so Clarke.
„Wer hier wohnt und arbeitet, hat künftig ein exzellentes neues Fortbewegungsmittel zur Auswahl, um in 25 Minuten vom Stadtzentrum zur Westside zu kommen. Mit dem Auto ist das unmöglich.” Während das LA-Metro-System im Juli 2019 – also im Normalbetrieb vor den pandemiebedingten Beschränkungen – 981.000 Passagiere am Tag zählte, erwarten Verkehrsplaner, dass die Purple-Line-Erweiterung täglich mehr als 78.000 zusätzliche Fahrten generieren wird.
Unter schwierigen geologischen Bedingungen
Bevor Berufspendler und Touristen ihr Ziel in dem chronisch verstopften Ballungszentrum unterirdisch und deshalb schneller erreichen, sind allerdings die Experten mehrerer Baufirmen gefragt. Sie müssen u. a. Ausschachtungsarbeiten vornehmen, Bahnhöfe anlegen und U-Bahn-Tunnel unter schwierigen geologischen Bedingungen vorantreiben. „Tunnelbau unter einer Stadt ist schon im Normalfall kompliziert, da man auf bestehende Infrastruktur, Strom-, Gas und Kommunikationsleitungen Rücksicht nehmen muss“, erklärt Richard McLane, Tunnelbau-Manager bei Traylor Bros., Inc., einem der Joint-Venture-Partner für den ersten Bauabschnitt der Purple Line.
„Das ist der schwierigste Auftrag, den wir je hatten”, beschreibt er das Projekt, für das im Oktober 2018 der Startschuss fiel. Die Doppelröhren, die den Stadtteil Koreatown mit der Miracle Mile 6 km weiter westlich verbinden, haben einen Durchmesser von jeweils 5,74 m und erfordern den Bau von 23 Querschlägen. „Wir mussten uns auf zahlreiche geologische Herausforderungen gefasst machen und diese bewältigen, insbesondere Teersande in der Nähe der La Brea Tar Pits und unterirdische Vorkommen von Methan und Schwefelwasserstoff.”

Bild 2: Die Erweiterung soll ca. 9 Mrd. US$ kosten und erfolgt in drei Abschnitten, die zwischen 2023 und 2027 schrittweise in Betrieb gehen sollen. (Herrenknecht AG)
Enge Zusammenarbeit mit Experten von Herrenknecht
Da Aushub- und Tunnelbaugeräte meist nicht auf derart gefährliche Bedingungen ausgelegt sind, arbeitete McLanes Team eng mit Experten von Herrenknecht zusammen, um die TBM den strengen Vorgaben der Stadt LA und Kaliforniens für den Betrieb unter gasreichen Bedingungen anzupassen. „Ich habe mit Herrenknecht in den vergangenen 15 Jahren immer wieder zusammengearbeitet, um Maschinen für solch anspruchsvollen Untergrund zu entwickeln. Am Ende waren die Spezifikationen der zwei maßgeschneiderten Schilde für dieses Projekt rund 500 Seiten dick — da ist nichts von der Stange. Aber wir haben bislang noch auf jede Frage eine gute Antwort gefunden”, freut sich McLane.
Selbst in diesem Untergrund, mit natürlich vorkommenden Methan- und Schwefelwasserstoffgasen, bewährte sich die Herrenknecht-Technologie im Tunnelbau. Hohe Werte von Schwefelwasserstoffgasen machten es erforderlich, ein besonders großes Ventilationssystem zu entwickeln, mit dem die Qualität der Luft durch Zufuhr sauberer Luft von außen verbessert wird. Aufgrund des Methangasvorkommens sind alle TBM-Komponenten zudem explosionsgeschützt. „Dazu gehören auch die hydraulischen Ventile und die Elektrik”, erklärt Projektmanager Schlenker. „Wir haben entlang der gesamten TBM Gassensoren verteilt, die bei kritischen Werten Alarm auslösen und die gesamte Maschine ausschalten.” Nach einem solchen Shutdown müssen die Arbeiter die Baustelle verlassen, und nur die Lüftung sowie Beleuchtung und Gas-Sensoren laufen weiter. Methanblasen, die an einigen Stellen entlang der Trasse in den Teersanden eingeschlossen waren, führten immer wieder zu mehrstündigen Notabschaltungen, wie sich Schlenker erinnert. Unterm Strich schaffen direkt auf den Maschinen installierte Sensoren ein präzises Frühwarnsystem, das mehr Sicherheit für die Belegschaft bietet, weil so eventuelle Evakuierungen früher erfolgen können. Da unerwartet viel Grundwasser einsickerte, musste zudem eine leistungsstarke Entwässerungsanlage installiert werden.
Optimierung der anspruchsvollen Vortriebstechnologie
Schlenker sieht den Ausbau der Purple Line als eine weitere Möglichkeit, Herrenknechts anspruchsvolle Vortriebstechnologie zu optimieren. „Wir haben über die Jahre eine ganze Reihe an Projekten in Los Angeles realisiert, insofern sind explosionsgeschützte Maschinen nichts Neues. In der Vergangenheit hätte man einfach gesagt, dass man in derart gasreichen Umgebungen keinen Tunnel vortreiben kann, doch heute ist das dank moderner Technik möglich.” Den Anfang machten zwei Herrenknecht-EPB-Schilde mit einem Durchmesser von 6,51 m, die 2005 für den Bau des Eastside-LRT Projekts zum Einsatz kamen und hierzu explosionsgeschützt konzipiert wurden.
Neben Gasblasen ziehen sich gleich mehrere tektonische Bruchlinien durch LA County, die beim Tunnelbau besondere Vorkehrungen wie die Verwendung von Stahlringen oder Stahlbeton für den Ausbau der Tunnel verlangen. Die Landschaft rund um Beverly Hills ist obendrein mit ehemaligen Ölförderanlagen aus der Zeit um die vorige Jahrhundertwende gespickt, die auf modernen Karten oft nicht eingetragen sind und behutsames Vorgehen erfordern. Zudem gingen Fachleute vor Ort davon aus, an den Baustellen für drei neue U-Bahnhöfe auf Fossilien aus der Eiszeit zu stoßen. Aus diesem Grund durchsiebten ein Archäologe und Paläontologe vor Ort frisch entferntes Erdreich.

Bild 3: Die engen innerstädtischen Verhältnisse stellten das Baustellenteam vor große Herausforderungen (Herrenknecht AG)
Oft mehr als 30 m Vortrieb am Tag
Nichtsdestotrotz kamen die zwei TBM mit den Namen „Elsie” und „Soyeon” im ersten Bauabschnitt oft mehr als 30 m am Tag voran, sodass sie bis August 2020 schon 90 % ihrer Arbeit vollendet hatten. Weitere Herrenknecht-Maschinen sind bei den zwei restlichen Bauabschnitten im Einsatz, die 3,2 bzw. 4,2 km lang sind. Zu Abschnitt 2 gehören zwei neue Bahnhöfe am Rodeo Drive und in Century City. Abschnitt 3 wird Metro-Rail-Züge mit zwei weiteren Bahnhöfen bis nach Westwood und zum Campus der Veterans Affairs Administration führen, zu dem ein stark besuchtes Krankenhaus gehört.
„Elsie” und „Soyeon” sind nicht die ersten Herrenknecht-TBM, die im Rahmen der Modernisierung und des Ausbaus des Verkehrsnetzes von LA eingesetzt werden. „Wir arbeiten schon lange konstruktiv mit LA Metro zusammen”, berichtet Steffen Dubé, Vice President Traffic Tunnelling bei Herrenknecht Tunnelling Systems USA, Inc., mit Sitz im Bundesstaat Washington. In den vergangenen 15 Jahren habe man insgesamt zehn Erddruckschilde an LA geliefert. Sechs seien für die Erweiterung der Purple Line vorgesehen gewesen, die restlichen vier für den Bau anderer wichtiger Nahverkehrsprojekte. Eines davon war die dringend nötige Erschließung des Stadtteils Crenshaw bis zum Flughafen LAX, wozu TBM „Harriet” zwei parallele, je 1,6 km lange Tunnel in der Rekordzeit von Mai 2016 bis April 2017 fertigstellte. Die gesamte Strecke mit einer Länge von 13,67 km soll 2021 fertig sein.
Der Regional Connector Transit Corridor ist das zweite wichtige Projekt in LA, da es die bestehende Gold Line bis zum Verkehrsdrehkreuz Metro Center in der Innenstadt führt und damit zum ersten Mal alle Metro-Linien für nahtlose Reisen in alle vier Himmelsrichtungen miteinander verbindet. Im Februar 2017 nahm die TBM „Angeli” die Arbeit an einem der zwei 3,3 km langen Tunnel auf und schaffte im Januar 2018 den Durchbruch. Auch diese Anbindung soll bis 2021 fertig sein. Das allererste Herrenknecht-Projekt in LA war die östliche Erweiterung der Gold Line.
„Noch vor ein paar Jahrzehnten hätten wir U-Bahn Linien wie die neue Purple Line nicht verwirklichen können. Moderne Technik hat uns um Lichtjahre vorangebracht”, sagt Clarke, der für Bauvorhaben zuständige Programmdirektor bei LA Metro. „Wir schätzen die Technologie und die Qualität der Herrenknecht-Maschinen sehr, denn sie haben uns gute Dienste geleistet.”