Bauen digital, Betonbau
Wertschätzende Interaktion zwischen Erfahrung und Digitalisierung
Sowohl privat als auch in der Ingenieurpraxis hat sich durch die Maßnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie vieles geändert. Plötzlich wurde alles relativ;
konstant blieben die Änderungen! Homeoffice, flexible Arbeitsformen, Besprechungen nur mehr online. Auch mussten wir lernen, dass wir doch alle gemeinsam
flexibler sind als wir uns dachten. Dieses Aufbrechen von alten Strukturen, das sich-Einlassen auf Neues wird uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten als Ingenieure noch viel mehr fordern.
Die Digitalisierung hat weltweit durch Covid-19 einen enormen Aufschwung erfahren. Wir Bauingenieure nutzen seit Jahrzehnten digitale Methoden in der
Planung, aber wo bleibt die Digitalisierung in der Ausführung? Während junge Kolleg*innen als digital-natives die neuen Werkzeuge spielend erlernen, ist so
mancher erfahrene Ingenieur schnell überfordert. Die wertschätzende Interaktion des „älteren erfahrenen Ingenieurs“ mit dem „jungen digitalen BIM-affinen Studienabgänger“ ist die neue Chance!
Junge Ingenieur*innen sehen in numerischen Methoden, in 3D-Modellen und BIM-Lösungen die Faszination. Aber sie müssen das „Handwerk“ des Konstruierens und Entwerfens, des Abschätzens und heuristischen Bewertens erst erlernen. So wie Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) es formulierte: „In der Jugend die Vorzüge des Alters gewahr zu werden, im Alter die Vorzüge der Jugend zu erhalten, beides ist Glück.“, stellt diese radikale Gesundheitskrise eine Chance auf ein gemeinsames Wachsen dar. Wenn wir es schaffen, beides auch künftig zu vereinen, ist das eine Chance und eine Weiterentwicklung für unsere Baukultur.
Auch die Künstliche Intelligenz wird vermehrt Einzug ins Bauwesen finden. In der Planung können mit Algorithmen viele verschiedenen Variationen eines Modells untersucht und mit einem „generativen Design“ die beste Variante gefunden werden. Vieles in der Bauausführung wird sinnvollerweise von Maschinen übernommen und sogar effektiver abgearbeitet werden können (z. B. mit Drohnen Massen ermitteln oder Monitoringdaten erfassen und auswerten). Dem Ingenieur werden damit wieder neue Chancen gegeben! Es ist unsere Aufgabe als Ingenieur, den Output der Künstlichen Intelligenz zu verstehen, mit einem guten Ingenieursverständnis zu verifizieren und auch wieder vermehrt mittels Handrechnungen zu kontrollieren.
Diese Herausforderung gilt es vor allem an den Universitäten in der Ausbildung anzugehen. Aber auch in der Praxis müssen wir uns ständig weiterbilden. Das Life Long Learning und der Umgang mit der Digitalisierung entscheiden darüber, wer mit der Zeit abgehängt wird und wer vorne mitspielt. Dies gilt auch für neue Materialien oder Bauweisen, wie Textilbetone, UHPC, Infraleichtbetone. Neben der Fortbildung
brauchen wir auch die mutigen Ingenieure in der Praxis, die sich trauen, diese neuen Wege zu gehen.
Nutzen wir diese Zeit, es ist eine einmalige Chance! Ein proaktives lebenslanges Lernen und der Mut, neue Wege zu gehen, wird sich letztlich auszahlen.