momentum magazin für Bauingenieure präsentiert von Ernst & Sohn
Gespräch

„Wir werden in den nächsten fünf Jahren eine völlig neue Generation von Produkten sehen“

momentum sprach mit Torsten Schoch, Geschäftsführer der Xella Technologie und Forschungsgesellschaft mbH, über Forschung im Mauerwerksbau und dessen Zukunft, über Null-Energie-Häuser, das EnEG, Eurocodes und die Bedeutung von Grundlagenforschung.

momentum: Herr Schoch, wie sähe eine gesamteuropäische Definition energieeffizienten Bauens für das Mauerwerk aus?

Torsten Schoch und Burkhard Talebitari

Torsten Schoch und Burkhard Talebitari im Gespräch (Foto: momentum)

Schoch: Die Frage ist: Brauchen wir eine? Für Mauerwerk ein nicht ganz ungefährliches Thema – alle großen europäischen Lobby-Verbände, wie z. B. der Holzbau, vor allem aber die Dämmstoffindustrie sind recht aktiv. Es gibt leider den europäischen Mauerwerksbau noch nicht so, wie man ihn sich vorstellen könnte und wie man ihn auch bräuchte. Wir sind mittlerweile im Wettbewerb der Technolgien, wenn es um ihre Defintion „energieeffizientes Bauen“ geht. Neben Definitionen brauchen wir in der Tat auch eine Instanz, die sich der Wohnkultur und der Gebäudekultur widmet, mit den vielen Elemeneten, die wir aus der Vergangenheit kennen. Warum bauen wir in Europa massiv? Weil uns unsere Erfahrungen mit Klima, mit Brandschutz etc. dort hingebracht haben. Jetzt vorschnell und nur noch unter einem Aspekt zu handeln, hielte ich für falsch. Um auf Ihre Frage zu zurückzukommen: Wir konzentrieren uns viel zu viel auf das Auffüllen von Worthülsen und leider zu wenig auf das Umsetzen.

Aber das Mauerwerk hat doch auch einiges zu bieten …

Mit Sicherheit haben wir einige Vorteile. Die Frage ist jedoch, ob die Vorteile derzeit so richtig ankommen. Denn es gibt schon Diskussionen, die sich in der Frage der Energieeffizienz nur noch auf „U-Werte runter“ konzentrieren …bei der dann nicht gesehen wird, dass es bei „U-Werte runter“ irgendwo eine physikalische Grenze gibt, die den Massivbau zunehmend verdrängen könnte. Eine Situation, die es beispielsweise in den 60-er Jahren schon einmal in Schweden gab, wo der Ytong, den wir als Xella Baustoffe in Europa produzieren und vertreiben, entwickelt wurde. – Hintergrund war in Schweden eine Ausschreibung: Entwickelt bitte einen Baustoff, der gleichwertig zu Holz ist, nur nicht brennt. Daraus ist dann der Ytong entstanden und dort ist er auch groß geworden. Und nicht mal 40 Jahre später ist der dort verschwunden. Weil man genau diese Diskussionen geführt hat, die wir heute kennen. Nur U-Werte und sonst nichts. Um Ähnliches künftig zu vermeiden, muss man definitiv mehr Flagge zeigen.

Kurzvita Torsten Schoch:

  • Dipl.-Ing., Fachrichtung Bauingenieurwesen
  • seit 1992 in der Baustoffindustrie tätig
  • seit 2001 Bau- und Anwendungstechnik YTONG
  • seit 2006 Geschäftsführer der Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft mbH
  • Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen zum Thema Bauphysik und Baukonstruktion
  • Mitglied in mehreren nationalen und internationalen Normungsausschüssen
  • Vorstandsmitglied des Verbandes Bauen in Weiß e.V.

Das dürfte ja auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit sein …

Uns fehlt noch die klare europäische Idee, wie sich der Massivbau bei unterschiedlichen Bautraditionen in Europa künftig aufstellen soll. Einige Steine sind ja auch heute schon nicht mehr ohne eine zusätzliche Dämmung auf der Außenwand verwendbar. Andere beherrschen sowohl das Tragen als auch das Dämmen.

Wenn Sie aber heute sagen, U-Werte müssen nicht bei 0,15 liegen oder 0,10, es reicht auch 0,20 oder 0,25,dann gelten Sie sofort als antiquiert. – Also eine komplizierte Sache. Ich kenne das aus fast allen europäischen Ländern, weil wir im europäischen Verband der Porenbetonindustrie (EAACA) darüber diskutieren und versuchen, eine ordentliche Lösung für alle zu entwickeln. Die ist, um es noch einmal klarzustellen, noch nicht fertig. – Es ist eine spannende, aber auch sehr gefährliche Zeit, in der wir dieses zentrale Thema „Energieeffizienz“ hinbekommen müssen. Die bezahlt aber in aller Regel nicht der Staat, sondern der künftige Bewohner, Nutzer eines Gebäudes. Und da den schmalen Grad hinzubekommen, wo es wirtschaftlich wird …

Fehlt es da nicht doch ein bisschen an Aufklärung, oder ist das so einfach nicht in das Bewusstsein der Leute zu bringen?

Ja, nehmen Sie nur die Definition dieses sogenannten Null-Energiehauses. Da fangen jetzt alle Länder an für sich zu definieren, was ein Nahezu-Null-Energiehaus ist. Zentrale Frage ist, wie sich künftig der Anteil der erneuerbaren Energien in dieser Definition auswirken wird. Gehen wir den Weg über einen sogenannten ganzheitlichen Ansatz oder den über partielle Anforderung. Geht man den zweiten, dann heißt es der errechnete Energiebedarf müsse gleich Null sein – also de facto ein Passivhaus. Das wiederum führt zu einem U-Wert zwischen 0,15 und 0,10 für die Außenbauteile, teilweise noch drunter. Das ist nur noch mit 30 – 40 cm Dämmstoffen auf massiven Baustoffen oder mit 50 cm einschaligen Konstruktionen zu machen – wenn ich weiterhin massiv bauen will. Sonst geht es in den Leichtbau, der einige Nachteile hat: So sind Fragen nach Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit zu stellen. Wie lange steht denn so ein Leichtbau? Wir haben hier in Europa keinen amerikansichen Häusermarkt mit vergleichsweise geringen Nutzerzeiten. Wenn wir bauen wollen, dann bitte für 50 bis 150 Jahre. Neben Energieeffizienz sind also doch auch andere Fragen zu stellen. Dann fragen die, die sich für Energieeffizienz nicht interessieren, beispielsweise: „Brennt es auch nicht? Ist es tragfähig? Wie sieht es mit stärkerer Windlast aus?“– Sehr komplex …

Und Deutschland will das bis 2017 definiert haben?

Torsten Schoch. Xella (Foto: Xella)

So steht es sogar im neuen Energieeinsparungsgesetz – wobei die Wohngebäude erst bis 2019 berücksichtigt werden, weil sie auch erst später auf europäischer Ebene diese Anforderungen erfüllen müssen. Davon hängt m. E. im Wesentlichen die Entwicklung der europäischen Baukonstruktion in den nächsten Jahren ab. Wir haben sehr breit gefächerte Reaktionen in Europa auf den Entwicklungsansatz: Von den Deutschen, den Franzosen, zum Teil den Österreichern. Die sehen das so komplex, wie es in der Verordnung (EPBD) formuliert ist, also als Gebäude mit geringem Energiebedarf und mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien – bei der Deckung dieses Bedarfes. Das ist der ursprüngliche Ansatz. Und dann gibt es aber eben auch jene, die sagen: Erneuerbare Energien sind viel zu teuer. Ein Vertreter aus Polen, der auch den dortigen Bauminister berät, sagte mir kürzlich: „Mag sein, dass das Nullenergiehaus so in der europäischen Richtlinie steht. Wir definieren dieses Haus aber ohne erneuerbare Energien, weil die in Polen viel zu teuer sind.“ Wenn ich dann diesen Weg verlasse, von dem die in Brüssel immer sagen: „Wunderbar, wir haben alles definiert“, dann geraten wir in eine für die gesamte europäische Mauerwerkindustrie gefährliche Situation. Wir haben z. B. auch in Polen einen sehr hohen Anteil an monolithischem Mauerwerk. Das zeigt, dass die Anforderungen schlichtweg falsch interpretiert werden. Solange es auf technischer Ebene erfolgt, macht das nichts. Wir sind aber in der Bauindustrie an der Schwelle zur Praxis – wie soll die sich aber nachhaltig auf dieses Kuddelmuddel in Europa einstellen?

Herr Schoch, Themenwechsel: Eurocodes – Sind nicht die grundlegenden Fragen wofür wir Normen machen und brauchen, nach wie vor angebracht?

Absolut. Nur leider hat sich das mittlerweile verselbständigt. Man ist in der ersten Normengeneration des EC den Weg gegangen, aus allem was irgendwie an Erfahrung da ist, eine Norm zu machen. Wenn Sie heute einen EC6 (Eurocode Mauerwerk) im Vergleich mit der deutschen DIN 1053 betrachten, da kippt man ja um … Früher ist man mit ein paar Seiten ausgekommen. Heute: Wie viele Teile hat der? Und dann das nationale Anwendungsdokument dazu … Also für einen Ingenieur ist das brutal. Der muss heute tausende an Seiten mehr beherrschen – mit welchem Sinn genau? Redet man mit den Ingenieuren draußen, merkt man, wie weit die weg sind. Wir von der Industrie entwickeln die Norm natürlich mit und versuchen das Maximale für uns und die Anwender herauszuholen. Der Ingenieur kommt und fragt: „Wann kommt das? Nächstes Jahr? Heute also nicht – lasst mich damit in Ruhe.“ Das ist verständlich, weil der seine Auftragslage hat.

Die angestrebte Harmonisierung der europäischen Normen erweist sich also als so vorteilhaft nicht?

Das Ziel hieß ja mal: Wenn ihr in Deutschland produziert, dann hebt ihr das auf euren LKW, fahrt nach Frankreich und alles ist gleich. Was ist heute? Nichts ist gleich. Wir haben zwar eine europäische Norm, aber genau so viele Spezifika wie Mitgliedsstaaten der EU. Sie können die Produkte mit den EC-Kennzeichen zwar irgendwo hinfahren, aber Sie können das Produkt dort nicht anwenden, weil man da wirklich Situationen hat, die indirekt mit dem Zoll vergleichbar sind. Die Franzosen, aber sehr wohl auch die Deutschen sagen dann: Ist mir egal, ob du europäische Norm produzierst. Ich überwache das, ich mache die nationalen Regeln. So entstehen dann die Regeln zu den Regeln – egal, ob man das als Restnorm oder Anwendungsnorm bezeichnet. Argumentiert wird mit dem nationalen Sicherheitsanspruch. Hier sind wir noch sehr weit von einer Harmonisierung entfernt. Leider.

Es ist also nicht oder sogar nichts einfacher geworden?

Ich will hier nicht lamentieren, aber die Lage ist schon durch die erste Normengeneration komplexer geworden. Auch die europäische Bauproduktenverordnung als die „Harmonisierung“ der Anforderungen an Bauprodukte, die in Gebäude eingebaut werden sollen, ist nur wenig in der Praxis erprobt und hinterfragt worden. Da werden mit Leistungserklärungen, die man beispielsweise mit dem Bauprodukt bekommt oder im Netz abrufen kann, Berge an Daten oder Papier produziert. Nur in der realen Welt interessiert sich keiner dafür – Leistungserklärungen für die Produkte werden de facto nicht abgerufen. Aber man schafft dort ein künstliches Gebilde aus Anforderungen, mit denen man meint, etwas für den Markt zu schaffen, tut das aber faktisch nicht. Den Markt interessiert das nicht. Der Bauingenieur fragt heute noch: „Wo ist der Lieferschein? Das habe ich bestellt, das kommt.“ Der geht nicht ins Netz und sagt: „Jetzt muss ich mir erst mal die Leistungserklärung angucken. Das Gebot der Stunde heißt „Vereinfachung“ und „Entrümpelung“. Die gute Idee der europäischen Harmonie kann nur über diesen Weg gelingen. Das soll nicht als Vorwurf verstanden werden. Wenn ein solch gigantisches Werk angegangen wird wie das der europäischen Harmonisierung – nun ja, da passiert so etwas. Aber der Lernprozess schützt uns derzeit noch nicht ausreichend, Fehler in gleicher Form zu wiederholen.

Also sehr viel Aufgeblähtes …

…, das die Industrie eine ganze Menge Geld kostet. Und jetzt müssen wir daran gehen, die ganzen Normen normal anzupacken und daraus wieder verwertbare, „bekömmliche“ Normen zu machen. Jetzt wird die genormte Banane, um das typische Beispiel zu bemühen, wieder „entnormt“ und jetzt darf sie wieder eine Banane werden.

Doch muss man auch die positive Seite sehen. Die gesamte Harmonisierung der Normen – auch wenn sie nicht funktioniert, weil sie nicht harmonisiert sind – hat eines gebracht: Man ist im ständigen Austausch mit seinen europäischen Nachbarn. Das Positive ist der Erfahrungsaustausch, dass man also sehen kann, welcher Ansatz woanders genutzt wird und mit welchem Erfolg? Also eine Europäisierung findet schon statt.

Nun sind Sie an erster Stelle auch Mann der Forschung. Und da passiert ja auch im Mauerwerk mehr, als man sich so gemeinhin vorstellt …

Ich bin jetzt mittlerweile seit 14 Jahren in der Forschung der Mauerwerksindustrie, die als solche nicht immer so wahrgenommen wird. Klar, Innovationen sind für den Normalverbraucher heute Apple oder etwas aus der Chemieindustrie. Zunächst spielt die Mauerwerksindustrie in der allgemeinen Wahrnehmung weniger mit. Selbst bei Energieeffizienz ist man gemeinhin geneigt, an Dämmstoffe oder Fenster – wenn nicht ohnehin nur an Solar und Wärmepumpe – zu denken. Wenn ich aber so sehe, was sich in den letzten 20 Jahren in der Forschung in unserer Branche alles ergeben hat, dann ist es schon so, dass wirklich alle zwei, drei Jahre ein neues Produkt auf den Markt kommt, das aber nicht immer gleich von Kunden als innovativ empfunden wird. Wir sind heute in der Situation, dass wir bis hin zur Nutzung von neuen Ausgangsstoffen für Produkte in hohem Maße und mit einem kontinuierlichen Einsatz von Finanzmitteln forschen müssen, um den Markt zu inspirieren. Das gelingt sehr unterschiedlich. Der eine versucht es mit Dämmstoffen In Steinlöchern, der andere bleibt isothrop und setzt mehr auf neue Zuschläge.

Was tut sich da denn aktuell?

Im Bereich der Foschung, den ich zu verantworten habe, reden wir heute über völlig andere alternative Ausgangsstoffe für unsere Produkte als noch vor fünf Jahren. Ob und wie diese „durchstarten“, steht noch in den berühmten Forschersternen. Aber allein das Faktum, dass diese Stoffe nicht mal vor fünf Jahren eine Rolle gespielt haben, stimmt optimistisch für die Zukunft. So reden wir heute über pyrogene Kieselsäure, über Aerogele, über neue Sande als Möglichkeit des Einsatzes innerhalb der Baustoffindustrie. Wir reden auch wieder über neue Compound-Lösungen – aber nicht einfach als Sandwich, sondern möglichst ohne „Chemie“ zusammengefügte mineralische Stoffe, die dann aber wirklich sehr, sehr geringe U-Werte und hohen Widerstand gegen thermische Verluste aufweisen. Wir denken auch immer mehr über Gesamtkonzepte nach. So sind „Fieldprojects“ mit Bauunternehmern und Hausbauunternehmen heute die praxnisnaheste Forschung, die ich jemals erlebt habe. Nicht zuletzt ist auch die Xella-Antwort zum Nullenergiehaus, das M1-Haus, aus einem solchen „Fieldproject“ entstanden. Wir werden in der Mauerwerksindustrie definitiv forschungsseitig in den nächsten fünf, sechs Jahren eine völlig neue Generation von Produkten sehen. Wobei, das sei nochmals klar betont, nicht allein die Energieeffizienz eine Rolle spielen wird. Verbesserungsmöglichkeiten der Produkte in Bezug auf Mechanik und Erdbebenwiderstand werden ebenfalls erforscht. Es geht auch nicht nur um das Produkt selbst, sondern auch um seine gesamte Anwendung. Hier spielen Mörtel und Putz eine ganz entscheidende Rolle.

Aber: Wir haben uns dabei das Ziel gesetzt, den „Versuchungen“ des Künstlichen, sprich: Chemischen, möglichst zu widerstehen.

Sondern?

Wir wollen mineralisch bleiben. Dabei kann es auch durchaus zu Lösungen kommen, die heute vor allem aus dem Polymerbereich bekannt sind. Warum kann beispielsweise nicht auch ein mineralischer Mörtel aus der Dose kommen? Muss ein mineralischer Mörtel beispielsweise stauben, wenn er angerührt wird?

Wird es denn in zehn Jahren den Beruf des Maurers überhaupt noch geben?

Ich meine ja. Ob dann das gleiche Berufsbild noch da ist, weiß ich nicht; aber wenn wir davon ausgehen, dass der Massivbau sich weiterhin am Markt behaupten wird –worauf ich auch meine Arbeit ausrichte, dann wird es den Maurer noch geben. Ob der dann der klassische Maurer ist, der er heute teilweise schon nicht mehr ist, ist eine andere Frage. Er macht heute teils schon mehr, als er machen soll. Was er nicht mehr sein wird, ist so ein Grobschlächter, der einfach Mörtel zusammenknallt. Der muss jetzt, wenn diese neuen Produkte kommen, eine ganz andere Präzision an den Tag legen und das ist natürlich aus meiner Sicht ein völlig neues Berufsbild.

Sind Ihnen, indem Sie schon versuchen, auf die klassischen Rohstoffe zu rekurrieren, nicht in der Forschung doch gewisse Fesseln angelegt?

Da haben Sie nicht Unrecht. Lange Jahre haben wir gesagt, es gibt nur das und die Forschung findet im Rahmen dieser Grenzen statt. Aber inzwischen sind wir in einer Phase, in der es andere und überdies auch befriedigende Ansätze gibt, bei denen bestimmte chemische Reaktionen ausgelöst werden, die wir benötigen, um das bekannten „altvordere Material“ und neue Stoffe zu verbinden. So haben wir beispielsweise pyrogene Kieselsäure in der alten Feststoffmatrix, um die Wärmeleitfähigkeit zu senken. Generell sind wir auch in der Baustoffforschung nicht begrenzter als in anderen Zweigen. Wir haben Mineralogen, Physiker, Chemiker, die zusammen arbeiten und nach dem Optimum suchen. Man muss sich halt nur von der Vorstellung entfernen, dass das schnell geht. Lange Zeit wird es die Baustoffe, die wir haben, mit kleinen Veränderungen geben. Ein paar Compound-Lösungen … und dann wird es irgendwann, ich hoffe in den nächsten 10 – 15 Jahren, eine Bewegung geben, weg von den herkömmlichen Rohstoffen hin zu Alternativen. Die sind noch nicht gefunden.

Müssen Sie als Forschungsmann nicht schon auch mal innerhalb des Unternehmens Klinkenputzen? – „Leute, hier und da hapert es noch und da brauche ich was …“ Oder ist das Bewusstsein für diese Dinge voll da?

Also das Bewusstsein, die Forschung als sinnvolle Investition zu sehen, ist zunehmend da. Xella ist ja eines der wenigen Unternehmen, die sich überhaupt eine eigene Forschungsgesellschaft leisten. Wir geben dafür pro Jahr mehrere Mio. € aus. Das erscheint vielleicht als nicht viel, wenn wir beispielsweise die Chemieindustrie als Benchmark nehmen. Die Chemieindustrie hat aber eine andere Umwälzzeit für ihre Produkte. Da ist ein Produkt nach ein bis zwei Jahren sehr schnell alt.

Als GmbH verfügen wir über einen gewissen finanziellen Sockel, der uns auch die Möglichkeit gibt, eine kontinuierliche Grundlagenforschung zu machen. Wir müssen innerhalb des Unternehmens ganz wenig Klinken putzen.

Sie tun also im Prinzip Dinge, die als Grundlagenforschung sonst längst nicht mehr stattfinden?

Ja, das ist so.

Und umgekehrt beauftragen Sie auch wieder Unis?

Wir beauftragen Unis und sagen denen klar, was wir wollen. Wir versuchen, mit diesen Kooperationen unsere Kapazitäten aufgabenbezogen zu erweitern. Wir in der betrieblichen Forschung betreuen dabei vor allem die spezifischen Grundlagenthemen, die Unis die Themen, die einen allgemeineren und zugleich fachübergreifenden Ansatz erfordern. Wir machen derzeit z.B. ein sehr großes Projekt zur sogenannten Morgenstadt – zusammenmit dem Institut für Bauphysik und vielen Universitäten, nebst dem Morgenstadt-Konsortium. Da denken wir plötzlich über Dinge nach, bei denen jeder sagt: „Da habt ihr mit euren Produkten nichts mit zu tun.“ Aber da geht es um Städte und wie wir künftig in ihnen leben. Hochinteressante Sachen, die nach einer Kooperation nahezu schreien.

Herr Schoch, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.

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Datum 13. August 2014
Autor Burkhard Talebitari
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