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Zum 10. Todestag von Augustín Mrázik

Mrázik, Augustín, *16.12.1928 Dolná Súča, slowakischer Teil der Tschechoslowakei, †23.8.2011 Bratislava, Slowakische Republik (Quelle: Prof. Ing. Ivan Baláž, PhD., Bratislava)

Mrázik, Augustín, *16.12.1928 Dolná Súča, slowakischer Teil der Tschechoslowakei, †23.8.2011 Bratislava, Slowakische Republik (Quelle: Prof. Ing. Ivan Baláž, PhD., Bratislava)

Der Vater Ján war Zimmermann und starb, als Augustín sechs Jahre alt war. Die Mutter Mária war Bäuerin und kümmerte sich unter schwierigen Umständen um die drei Kinder. Der drei Jahre ältere Bruder starb im Alter von 18 Jahren. Nach dem Besuch der I. staatlichen weiterführenden Schule in Trenčín studierte Augustín Mrázik von 1949 bis 1954 Bauingenieurwesen an der Bratislava SVŠT (heute: STU = Slowakische Technische Universität Bratislava). In beiden Fällen erreichte er exzellente Abschlüsse. Ab 1954 arbeitete er fast 50 Jahre am Institut für Bauwesen und Architektur der 1953 gegründeten Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava. Am 15.5.1958 erlangte er den tschechoslowakischen akademischen Grad eines CSc (candidatus scientiarum) für seine Arbeit Statische Lösung für Verbund-Vollwandträger. Der Doktorgrad DrSc. (Doktor der Wissenschaften) wurde Mrázik am 18.6.1979 für seine Arbeit Grenzzustände und Plastizität von Stahlkonstruktionen verliehen. Sein weiterführendes Studium schloss er ebenfalls in Bratislava, am Forschungsinstitut für Schweißtechnik, ab. Mrázik hat als Autor und Mitautor an über 100 wissenschaftlichen Beiträgen, mehr als 50 Forschungsberichten, zwei Lehrbüchern, zwei Kommentaren zu tschechoslowakischen Normen und fünf Fachbüchern mitgewirkt.

1958 wies Mrázik weltweit als Erster nach, dass es zweckmäßig ist, das kritische Biegedrillknickmoment mittels der Formel mit drei Koeffizienten in Abhängigkeit von Lasten und Randbedingungen auszudrücken. Sehr bedeutend ist sein Beitrag zur Verankerung der Methode der Grenzzustände in den tschechoslowakischen Normen. Mit dem Regierungsbeschluß Nr. 31 vom 15.1.1960 wurde Mrázik mit der Erstellung der wissenschaftlichen Grundlagen für die neue Norm beauftragt. Gemeinsam mit Fachbereichsleiter Jozef Djubek, der sein Doktoratsstudium in Leningrad (heute: Sankt Petersburg) absolvierte und aus der Sowjetunion die neuesten Erkenntnisse über den Ursprung und die Entwicklung der Bemessung nach Grenzzuständen mitbrachte, erarbeitete er den Forschungsbericht Nachweis der möglichen Stahleinsparung durch Anwendung der Bemessung von Stahlkonstruktionen mithilfe von Methoden der Grenzzustände. Am 30.6.1960 veröffentlichten sie gemeinsam die Empfehlungen für die Bemessung von Stahlkonstruktionen nach der Methode der Grenzzustände. Mrázik rettete die Realisierung der Stahlkonstruktion des Hangars in Prag, dessen Auslegung nicht der zu der Zeit gültigen Norm ČSN 05-0110 entsprach, die auf der Bemessung mit zulässigen Spannungen basierte. Er wies nach, dass die Hangarkonstruktion bei Anwendung der Bemessung nach Grenzzuständen sicher sein würde. Der Hangar war die erste Stahlkonstruktion in der Tschechoslowakei, die nach der Bemessung nach Grenzzuständen ausgelegt wurde. Später wertete Mrázik unter Verwendung der asymmetrischen γ-Verteilung anstelle der symmetrischen Verteilung 1035394 Streckgrenzenwerte und 984391 Bruchspannungswerte von tschechoslowakischen Stahlwerken statistisch aus. Er wies nach, dass die Qualität ausländischer Stähle derjenigen von tschechoslowakischen Stählen nicht überlegen war.

Mrázik war ein Pionier des Computereinsatzes. Seine Forschungsergebnisse zur Methode der Grenzzustände wurden 1964 in einem Tagungsband veröffentlicht. Die erste tschechoslowakische Norm ČSN 73 1401 zur Bemessung von Stahlkonstruktionen nach der Methode der Grenzzustände wurde am 15.6.1966 verabschiedet und galt ab dem 1.1.1968. Gemeinsam mit den zwei tschechischen Kollegen Prof. František Faltus und Ing. Adolf Chalupa war Mrázik Mitglied der tschechoslowakischen Delegation bei der Versammlung im rumänischen Timișoara. Dort ging es um den Versuch, eine gemeinsame Norm (Eurocode Ost) für die Länder des früheren Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RVHP bzw. RGW) auf der Grundlage der Methode der Grenzzustände zu erarbeiten. Die Delegationen aus Rumänien und der DDR waren dagegen, die erstere aus politischen Gründen, die zweitere, weil sie die auf den westdeutschen DIN-Normen basierenden ostdeutschen TGL-Normen nicht aufgeben wollte. Dennoch wurden einige der Vorschläge Mráziks in der sowjetischen Norm SNiP II-23-81 und in der gemeinsamen Norm RVHP ST SEV 3972-83 umgesetzt.

Mrázik lehrte viele Jahre lang an der STU Bratislava und war Mitautor zweier Lehrbücher. Er war ein bescheidener und religiöser Mann, der sich weigerte, seinen Karrierechancen durch Beitritt zur kommunistischen Partei zu verbessern. Als Konsequenz wurden seine Resultate von anderen Personen im Ausland präsentiert. Sein Vorschlag, seine Beiträge zur plastischen Bemessung in Buchform zu veröffentlichen, wurde vom Institut für Bauwesen und Architektur zurückgewiesen. Nach der Einladung als Koautoren organisierten die tschechischen Kollegen Tocháček und Škaloud die Veröffentlichung des Buches Plastische Bemessung von Stahlkonstruktionen in tschechischer Sprache (1980). Dieses Buch wurde 1986 ins Russische und 1987 ins Englische übersetzt.

Mráziks Privatleben war überschattet von seiner Gehörlosigkeit, ein Problem, das jedoch mithilfe seiner geliebten Frau Helenka überwunden wurde, mit der er drei Kinder hatte: Augustín, Helenka und Andrea. Das tragische Schicksal und der Tod seiner Tochter Helenka im Alter von 47 Jahren markierten 2008 den Beginn seiner schweren Krankheit.

Mráziks wichtigste Forschungsergebnisse betreffen plastische Bemessung, Tragfähigkeit von Querschnitten unter Kombination interner Kräfte, wiederholte Be- und Entlastung, Kurzzeitermüdung (Low Cycle Fatigue, LCF), Stabilität von Verformungen und Zuverlässigkeitstheorie.

Im Jahr 1988 wurde Augustín Mrázik von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften die Aurel-Stodola-Goldmedaille für Beiträge zu den technischen Wissenschaften verliehen.

 

Wesentliche Beiträge zur Baustatik:

Grenzzustände in Stahlkonstruktionen (1970)

Zuverlässigkeitstheorie von Stahlkonstruktionen (1987)

Plastische Bemessung von Stahlkonstruktionen (1980, 1986, 1987)

 

Zum Weiterlesen:

Kurrer, Karl-Eugen: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Berlin: Ernst & Sohn 2018.

 

 

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Datum 23. August 2021
Autor Prof. Ing. Ivan Baláž, PhD., Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karl-Eugen Kurrer
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