Historie, Vermischtes
Zum 100. Geburtstag von Daniël Pierre Vandepitte
Daniël Pierre Vandepitte wurde am 29. Mai 1922 im belgischen Poperinge geboren. Nach seiner Schulzeit in Poperinge und Kortijk studierte Vanderpitte von 1939 bis 1944 an der Reichsuniversität Gent (RUG), erwarb dort das Bauingenieurdiplom und assistierte Gustave Magnel (1889-1955) in dessen Stahlbetonlabor an der RUG (März 1945 bis November 1945). Danach wirkte Vandepitte als Ingenieur für Brücken- und Wegebau für das Stromgebiet der Schelde und dann für den Ringkanal von Gent (1946-1956). Während seiner Zeit im belgischen Staatsdienst entwarf Vandepitte mehrere Spannbetonbrücken, u.a. auch selbstverankerte vorgespannte Hängebrücken.
1948/49 entsandte ihn die Belgian American Educational Foundation an die Yale University, wo Vanderpitte bei Hardy Cross (1885-1959) lernte und den Master of Engineering erlangte. 1953 wurde Vandepitte von der RUG mit einer von Magnel betreuten Dissertation über das Tragvermögen von Pfahlgründungen promoviert. Drei Jahre später übernahm er von Magnel die Vorlesungen über Baustatik und wurde schließlich 1960 zum Professor an der Fakultät für Angewandte Wissenschaften berufen.
Wie kein anderer prägte Vanderpitte die Forschung und Lehre der Baustatik in Belgien. Als Ende der 1960er Jahre in Belgien zwei geschweißte Wassertürme aus Stahl einstürzten untersuchte er in hunderten von Modellversuchen das Stabilitätsverhalten von imperfekten Kegelstumpfschalen unterschiedlichen Materials; dieses Problem sollte ihn später immer wieder beschäftigen (1999) und in die Diskussion als Vorsitzender des Technical Committees 8 Structural stability der European Convention for Constructional Steelwork (ECCS) von 1987 bis 1993 einbringen.
Vandpittes Opus Magnum ist jedoch sein dreibändiges Werk, das auf 2100 Druckseiten die gesamte Baustatik in konstruktionsorientierter Absicht abhandelt (1979-1982). Auch sein gesellschaftliches Engagagement ist beispielhaft: So führte er von 1963 bis 1965 die Königliche Flämische Ingenieurvereinigung. Als Rektor der RUG von 1969 bis 1973 hatte Vandepitte in diesen durch die Studentenbewegung geprägten Jahren stets ein offenes Ohr für die Belange der protestierenden Studenten. 1970 wurde er Mitglied der Klasse Wissenschaft der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Literatur und schönen Künste Belgiens und stand dem Nationalfond der wissenschaftlichen Forschung vor (1970-1971). Ohne Zweifel geht ein signifikanter Anteil des hohen internationalen Ansehens des Konstruktiven Ingenieurbaus Belgiens auf das Wirken Vandepittes zurück.
Daniël Pierre Vandepitte starb am 21. Juni 2016 in Gent im Alter von 94 Jahren.
Wesentliche Beiträge zur Baustatik:
Berekening van Constructies: Bouwkunde en Civiele Techniek (1979-1982)
Confrontation of shell buckling research results with the collapse of a steel water tower (1999)
Zum Weiterlesen:
Baes-Dehan, V.: In Memoriam. In: Steel Construction – Design and Research, Vol. 9, 2016, No. 3, S. 259-260.
Kurrer, K.-E.: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Berlin: Ernst & Sohn 2018.