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Historie, Vermischtes

Zum 125. Geburtstag von Aleksei Alekseevich Gvozdev

Aleksei Alekseevich Gvozdev (*08.5.1897, †22.8.1986)

Aleksei Alekseevich Gvozdev (*08.5.1897, †22.8.1986) (Prof. Gleb Mikhailov, Moskau )

Aleksei Alekseevich Gvozdev wurde am 8. Mai 1897 in Bogucharovo (Provinz Tula/Rußland) geboren. Nach Beendigung des Studiums am Moskauer Institut für Verkehrswegebau im Jahre 1922 lehrte Gvozdev dort Baumechanik. 1927 nahm er im Labor für Beton- und Stahlbetonbau des Zentralen Forschungsinstituts für Industriebau seine Arbeit auf, setzte seine akademische Karriere am Moskauer Bauingenieur-Institut fort und avancierte 1933 zum Professor für Baumechanik an der Moskauer Militär-Ingenieurakademie. Drei Jahre später erwarb Gvozdev den Titel des Doktors der Technischen Wissenschaften.
Unabhängig von Ludwig Manns (1871-1959) Buch Theorie der Rahmenwerke auf neuer Grundlage (1927) veröffentlichte Gvozdev im selben Jahr zum Verschiebungsgrößenverfahren (bzw. Deformationsverfahren); seine Monographie [Gvozdev, 1927] stellt die erste russische Veröffentlichung zu diesem wichtigen Gegenstand der Baustatik dar. Dieses Buch gives a clear treatment of the nature of this method and the character of the basic system on which it rests, and sets out the properties of the coefficients of the canonical equations, the grouping of unknowns, etc. Aside from that an extremely general viewpoint is maintained on the possible methods of formation of basic systems and the choice of unknowns, schrieb Isaak Moiseevich Rabinovich (1886-1977) in seinem Buch Structural Mechanics in the USSR 1917-1957 (1960, S. 16).
Auch im Bereich der Schalentheorie leistete Gvozdev und seine Mitstreiter Bahnbrechendes. So berechnete Gvozdev die 1928 errichtete Koniodkuppel aus Stahlbeton über dem großen Saal des Allunionsinstituts für Elektrotechnik in Moskau. Im von Gvozdev geleiteten Bereich Beton- und Stahlbetonbau des Zentralen Forschungsinstituts für Industriebau entstanden nach 1930 zahlreiche Arbeiten zur Baustatik wie etwa zur Biegetheorie der Zylinderschalen, ein Thema, das damals im Stahlbetonbau hochaktuell war. Zu seinen Mitarbeitern zählten Aleksej L. Gol’denvejzer (1911-2003) und Vasily Zacharovich Vlasov (1906-1958); der Letztgenannte sollte später entscheidend zur Entwicklung und Systematisierung der Theorie der Stabschalen beitragen.
Jahre vor der angloamerikanischen Schule der Plastizitätstheorie formulierte Gvozdev die grundlegenden Theoreme der Traglasttheorie schon 1936. Sie waren jedoch lediglich 1938 auf Russisch in der im Westen weniger bekannten Schriftenreihe der Moskauer Akademie der Wissenschaften veröffentlicht worden [Gvozdev, 1938/1960] und blieben – wie sein bahnbrechendes Buch über das Verschiebungsgrößenverfahren – der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft weitgehend verborgen. Mit diesen Veröffentlichungen trug Gvozdev entscheidend zur Theoriebildung in der Inventionsphase der Baustatik (1925-1950) bei.
Aleksei Alekseevich Gvozdev starb am 22. August 1986 in Moskau.

Wesentliche Beiträge zur Baustatik:
Obshchii metod rascheta slozhnykh staticheski neopredelimykh system (General method of analysis of complex statically indeterminate systems) (1927)
The determination of the value of the collapse load for statically indeterminate systems undergoing plastic deformation (in Russ. u. Engl.) (1938/1960)
Berechnung von Konstruktionen nach Grenzzuständen und die Projektierungsnorm (1971)

Zum Weiterlesen:
Arkhipkina, Olga: Der verlorene Schalenbau der jungen Sowjetunion (1922-1939). Systeme. Ingenieure. Politik. Beton- und Stahlbetonbau 113 (2018), H. 12, S. 895-904.
Kurrer, Karl-Eugen: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Berlin: Ernst & Sohn 2018.

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Datum 8. Mai 2022
Autor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karl-Eugen Kurrer
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