Vermischtes
Zum 125. Geburtstag von Ulrich Finsterwalder

Finsterwalder, Ulrich, *25.12.1897 München/Deutsches Reich, †5.12.1988 München/Bundesrepublik Deutschland (Bildquelle: Dyckerhoff & Widmann AG (Hrsg.): Festschrift Ulrich Finsterwalder – 50 Jahre für Dywidag, Karlsruhe: G. Braun 1973.)
Der Sohn des Münchener Mathematikprofessors, Sebastian Finsterwalder (1862-1951), legte 1916 das Abitur ab und nahm als Pionier am Krieg teil. Nach Entlassung aus der französischen Kriegsgefangenschaft nahm Finsterwalder im Herbst 1920 das Maschinenbaustudium an der TH München auf, wechselte aber schon 1921 gegen den Rat seines Vaters an die Bauingenieurfakultät. Dort wandte sich Finsterwalder unter dem Einfluss des Mechanikprofessors, Ludwig Föppl (1887-1976), dem Flechtwerk August Föppls (1854-1924) zu und befasste sich mit Zylinderschalen. 1923 trat Finsterwalder in die Schalengruppe Franz Dischingers (1887-1953) der Fa. Dyckerhoff & Widmann ein; dieser Firma sollte er bis 1973 die Treue halten und auch noch danach beratend zur Seite stehen. Mit seinen kreissegmentförmigen Schalenträgern setzte Finsterwalder in den 1930er-Jahren das System Zeiss-Dywidag international durch; hierzu lieferte Finsterwalder in seiner Münchener Dissertation aus dem Jahr 1930 die baustatische Theorie.
Nach Berufung Dischingers an die TH Berlin übernimmt Finsterwalder 1933 die Leitung des Technischen Büros der Hauptverwaltung von Dyckerhoff & Widmann in Berlin, steigt 1941 zum Mitglied der Geschäftsführung auf und wird 1948 persönlich haftender Gesellschafter. Aus dem einzigartigen Innovationsfeuerwerk Finsterwalders ragt das Dywidag-Spannverfahren heraus (1952). Dieses Verfahren ermöglicht mit seinen aufgerollten, spanlos hergestellten Gewinden bei den Spannstählen mit Hilfe von Gewindemuffen eine praktisch endlose Verlängerung der Spannstäbe. Damit schuf Finsterwalder die verfahrenstechnischen Grundlagen des freien Vorbaus im Spannbetonbrückenbau, den er erstmals 1950 beim Bau der Lahnbrücke Balduinstein realisieren konnte.
Zweifelsohne ist Finsterwalder der Primus der deutschsprachigen Stahlbetoningenieure des 20. Jahrhunderts. Aus seiner Schule gingen u. a. hervor: Hubert Rüsch (1903-1979), Anton Tedesco (1903-1994), Leonhard Obermeyer (1924-2011), Herbert Kupfer (1927-2013), Dieter Jungwirth, Herbert Schambeck (1927-2013) und Helmut Bomhard (1930-2021). In der Inventionsphase (1925-1950) und Innovationsphase der Baustatik (1950-1975) verlieh Finsterwalder dieser technikwissenschaftlichen Grundlagendisziplin wichtige Impulse.
Wesentliche Beiträge zur Baustatik:
Die Theorie der zylindrischen Schalengewölbe System Zeiss-Dywidag und ihre Anwendung auf die Großmarkthalle Budapest (1932)
Die querversteiften zylindrischen Schalengewölbe mit kreissegmentförmigem Querschnitt (1933)
Cylindrical shell structures (1936)
Die Anwendung von hochwertigem Stahl in Eisenbeton (1937/1938)
Eisenbetonträger mit selbsttätiger Vorspannung (1938)
Dywidag-Spannbeton (1952)
Ergebnisse von Kriech- und Schwindmessungen an Spannbetonbauten (1955 u. 1958) Dywidag-Spannbeton und freier Vorbau: Weiterentwicklung und Erfahrungen (1956)
Über das Entwerfen von Spannbetonbrücken (1960)
Von der Lahnbrücke Balduinstein zur Rheinbrücke Bendorf (1965)
Zum Dywidag-Gewindestab und zum freien Vorbau bei statischen Systemen mit Querkraftgelenk (1968)
GEWI-Stahl, ein Betonrippenstahl BSt 42/50 RU mit aufgewalztem Gewinde und GEWI-Muffenstoß (1973)
Zum Weiterlesen:
Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder 1897–1988. Ein Leben für den Betonbau. In: Beton- und Stahlbetonbau, 108 (2013), H. 9, S. 662-673.
Kurrer, Karl-Eugen: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Berlin: Ernst & Sohn 2018.
https://www.ernst-und-sohn.de/the-history-of-the-theory-of-structures